Inhaltsverzeichnis
Ist die vegane Low-Carb-Ernährung die beste Diät?
Könntest du auf Brot, Nudeln und Kartoffeln verzichten? Das ist bei der (veganen) Low-Carb-Ernährung zu großen Teilen notwendig, bei keto-veganer Ernährung sind diese Lebensmittel komplett tabu. Doch bringt solch eine eingeschränkte Ernährung Vorteile? Wie sieht eine vegane Low-Carb-Ernährung aus? Was unterscheidet eine vegane Low-Carb-Ernährung von der sogenannten ketogenen Ernährung? Was eine Low-Carb vegane Ernährung ist, für wen sie geeignet ist und worauf du achten solltest, erfährst du in diesem Artikel.
Begriffsklärung
Low-Carb-Ernährung
Der Begriff „Low-Carb“ beschreibt zunächst eine Ernährung, bei welcher die Aufnahme an Kohlenhydraten (englisch „Carbohydrates“, kurz „Carbs“) niedriger ausfällt. Doch niedriger als was? Was heißt „niedrig“ genau? Das ist nicht klar und wird unterschiedlich ausgelegt. Während für manch einen Aktiven 200 g Kohlenhydrate pro Tag wenig sind, ist diese Menge für wenig mobile, leichte Personen eher viel.
Zieht man die DGE-Empfehlung zur Kohlenhydrat-Aufnahme als Maßstab heran, so ist jede Ernährungsform, bei welcher weniger als 50 % der aufgenommenen Energie aus Kohlenhydraten stammt, eine Low-Carb-Ernährung.
In Studien, welche die Auswirkungen einer Low-Carb-Ernährung untersuchen, werden unterschiedliche Makronährstoffverteilungen zur Einteilung in Low- und High-Carb-Gruppen verwendet. Teilweise werden absolute Zahlen (feste Grammvorgaben) herangezogen, in anderen Studien wiederum der prozentuale Anteil an der Energiezufuhr. Das erschwert die Vergleichbarkeit und muss bei der Interpretation der Ergebnisse bedacht werden. Je nach Studiendesign werden meist Mengen von 30 bis 130 g als „low carb“ definiert (Hite et al., 2011).
Ketogene Ernährung
Die keto-vegane Ernährung ist eine strenge Form der Low-Carb-Ernährung. Ziel ist eine vermehrte Ketonkörper-Produktion des Körpers. Wer sich keto-vegan ernährt, bezieht daher die meiste Energie aus Nahrungsfetten, die aufgenommene Kohlenhydratmenge ist sehr niedrig und auch die Proteinaufnahme wird eingeschränkt. Das ist notwendig, damit man sich „in Ketose“ befindet. Dazu später mehr.
Ketogene Ernährung nach Peterman
Bei der klassischen ketogenen Ernährung nach Peterman muss der Gewichtsanteil der Fette pro Mahlzeit viermal so hoch sein wie der von Kohlenhydraten und Protein zusammen. Zur Veranschaulichung: 200 g Sojajoghurt können beispielsweise 4,6 g Fett, 4,2 g Kohlenhydrate und 8 g Protein enthalten. Hier ist das Verhältnis also ungünstig, denn 12,2 g Kohlenhydrate und Proteine sind das 2,7-fache des Fettgehaltes. Es müssten also noch etwa 45 g reines Fett hinzugefügt werden – das ist kaum umsetzbar.
Die tägliche Proteinaufnahme in dieser Form der ketogenen Ernährung liegt bei etwa 1 g pro Kilogramm Körpergewicht, lediglich 10–15 g Kohlenhydrate dürfen es sein. Eine Scheibe Vollkornbrot enthält bereits etwa 20 g, eine mittelgroße Möhre etwa 7 g Kohlenhydrate! Diese Lebensmittel sind also nicht gut geeignet für die vegane ketogene Ernährung.
Modifizierte Atkins-Diät
Bei der modifizierten Atkins-Diät (MAD) nehmen Erwachsene zunächst 20 g Kohlenhydrate pro Tag auf, später unter Umständen auch bis zu 60 g – sofern man damit noch in der Ketose bleibt; der Proteinanteil liegt bei maximal 30 % der Energiezufuhr. 60 g Kohlenhydrate sind beispielsweise bereits in 100 g rohen Kidneybohnen mit 50 g Reis enthalten. Selbst mit dieser verhältnismäßig hohen Kohlenhydrataufnahme ist das also keine günstige Lebensmittelauswahl für die keto-vegane Ernährung.
Ketogene Ernährung mit MCT-Fetten
Eine Möglichkeit, um auch bei höherer Kohlenhydratzufuhr in die Ketose zu kommen, ermöglichen spezielle Produkte, die mittelkettige Fettsäuren liefern. Denn aus ihnen werden im Vergleich zu langkettigen Fettsäuren mehr Ketonsäuren gebildet. Die meisten pflanzlichen Fette bestehen aus langkettigen Fettsäuren, lediglich Kokosfett enthält einen relativ hohen Anteil (60 %) an mittelkettigen Fettsäuren, wie der Laurinsäure (Och et al., 2017).
Wie kommt es jetzt aber zur Ketose und was passiert dabei genau? Dazu ein spannender Exkurs in die Biochemie.
Ketose
Normalerweise nutzt dein Körper Glukose als seine primäre Energiequelle. Diese entstammt zunächst den über die Nahrung zugeführten Kohlenhydraten. Stehen daraus gerade keine zur Verfügung, so können in Form von Glykogen gespeicherte Glukosemoleküle für die Energiegewinnung herangezogen werden. Die Glykogenspeicher in Muskeln und Leber sind aber nur begrenzt und somit recht schnell geleert. Doch was dann?
Jetzt müssen andere Nährstoffe herhalten. So kann Protein über die Gluconeogenese zu Glykogen umgewandelt werden. Wird auch davon nur das Minimum zur Aufrechterhaltung der Körperfunktionen zugeführt, bleibt nur noch das Nahrungsfett. Bei der veganen ketogenen Ernährung baut der Körper also vermehrt Fettsäuren aus dem Nahrungsfett ab – denn davon gibt es ja genug. Aus den abgebauten Fettsäuren sowie ketogenen Aminosäuren (Lysin, Leucin, Isoleucin, Phenylalanin und Tryptophan) werden dann in den Mitochondrien der Leberzellen vermehrt Ketonkörper gebildet:
- Aceton
- Acetoacetat
- ß-Hydroxybutyrat.
Acetoacetat entsteht nach der ß-Oxidation (Abbau) der Fettsäuren aus Acetyl-CoA und wird wiederum zu ß-Hydroxybutyrat umgebaut. Durch die Abspaltung von CO2 entsteht dann Aceton (siehe Abb. 1). Letzteres hat aber eher weniger Bedeutung für die Energiegewinnung, denn es wird zum größten Teil über die Lunge abgeatmet. Vielleicht hast du auch schon davon gehört, dass man die Ketose am speziellen Mundgeruch erkennt? Jetzt kennst du den Grund dafür.
Diese Ketonkörper werden dann zur Energiegewinnung genutzt. Bei der herkömmlichen Ernährungsweise und nicht-ketogener Stoffwechsellage liegt die Konzentration der Ketonkörper im Blut unter 0,1 mmol/l, bei einer Zufuhr von etwa 40 g Kohlenhydraten steigt sie stark an bis auf maximal 8 mmol/l. Für die Ketose im Rahmen einer Ernährungstherapie werden meist Konzentrationen von 2–7 mmol/l angestrebt.
Welche Möglichkeiten gibt es nun, die Konzentration der Ketonkörper zu messen? In der wissenschaftlichen Praxis ist das relativ genau möglich über die Messung des Acetons in der Atemluft. Diese Methode ist allerdings sehr aufwendig und für die Messung zu Hause nicht geeignet. Praktikabler sind folgende Möglichkeiten:
- Urinsticks (messen nicht das ß-Hydroxybutyrat und Messfehler treten vor allem bei höheren Ketonkörperkonzentrationen oder hohen Trinkmengen häufig auf)
- Messen der ß-Hydroxybutyrat-Konzentration im kapillaren Blut (teuer, aber genauer als Urinsticks)
- Messen von Aceton in der Atemluft über PC-gesteuerte Sticks (keine wissenschaftlichen Belege über die Genauigkeit)
(Och et al., 2017).
Weitere Aspekte
Die ketogene Ernährung im Alltag umzusetzen, ist sehr schwierig und selbst im klinisch-therapeutischen Bereich ist die Adhärenz der Patienten oft niedrig. Das liegt neben der Praktikabilität auch an den Nebenwirkungen der ketogenen Ernährung, wie Kraftlosigkeit, Hunger, Konstipation, Magenschmerzen, Diarrhö und Hypoglykämien. Es wird empfohlen, die Fettzufuhr schrittweise zu erhöhen und regelmäßig neben der Mikronährstoffversorgung auch Elektrolyte, Leber- und Nierenwerte sowie den Urinstatus zu überprüfen (Och et al., 2017).
Vegane kohlenhydratreiche und kohlenhydratarme Lebensmittel
Bei der veganen Low-Carb-Ernährung greift man – wer hätte es gedacht – vermehrt auf kohlenhydratarme Lebensmittel zurück. Die kohlenhydratreichen Lebensmittel landen, wenn überhaupt, selten auf dem Teller. In Tabelle 1 findest du eine Übersicht mit veganen kohlenhydratreichen Lebensmitteln und Tabelle 2 zeigt eine Übersicht veganer Lebensmittel mit wenig Kohlenhydraten.
Tabelle 1: Vegane kohlenhydratreiche Lebensmittel (BLS).
Lebensmittel | Kohlenhydratgehalt/100g | Kohlenhydratgehalt/Portion (nach NDB) |
Reis, roh | 77,7 g | 46,6 g |
Vollkornweizennudeln | 60,6 g | 90,9 g |
Haferflocken | 59,5 g | 35,7 g |
Linsen, roh | 49,3 g | 29,6 g |
Vollkornbrot | 38,7 g | 19,3 g |
Süßkartoffel, roh | 24,1 g | 36,1 g |
Kidneybohnen, roh | 21,9 g | 36,5 g |
Kichererbsen | 21,2 g | 31,9 g |
Banane | 20 g | 20 g |
Kartoffeln, roh | 15,6 g | 31,2 g |
Möhren, roh | 06,8 g | 10,2 g |
Tabelle 2: Vegane kohlenhydratarme Lebensmittel (BLS, wenn nicht anders angegeben).
Lebensmittel | Kohlenhydratgehalt/100g | Kohlenhydratgehalt/Portion (nach BLS) |
Soja Cuisine | 1,5 g | 2,3 g |
Tempeh | 1,8 g | 0,4 g |
Tofu | 2,8 g | 2,8 g |
Oliven, grün | 3,0 g | 0,6 g |
Avocado | 3,6 g | 8,0 g |
Mandeln | 4,6 g | 3,4 g |
Seitan (USDA, 2019) | 5,3 g | 5,3 g |
Walnüsse | 6,1 g | 2,4 g |
Zartbitterschokolade | 9,5 g | 1,9 g |
Mandelmehl, teilentölt (DEBInet) | 11,9 g | 6,5 g |
Vegane Low-Carb-Ernährung in der Praxis
Normalerweise empfehlen wir, dass du dich bei der Lebensmittelauswahl im Rahmen einer veganen Ernährung an unserer Ernährungspyramide (Abb. 2) orientierst.
Doch hier fällt beim ersten Blick auf: Für die vegane Low-Carb-Ernährung ist diese nicht geeignet. Denn neben Obst und Gemüse spielen Getreide und Kartoffeln hier die Hauptrolle, Nüsse und Samen sowie Fette und Öle stehen oben in der Pyramide und sollten demnach nur in verhältnismäßig geringen Mengen aufgenommen werden.
Bei der veganen Low-Carb-Ernährung hingegen stehen vor allem Nüsse und Samen sowie daraus hergestellte Produkte (z. B. Nussmuse) im Fokus. Doch damit nimmst du erst mal eine Menge Fett auf – bei der keto-veganen Ernährung ist dies gewünscht, bei der Low-Carb-Ernährung hingegen weniger gut. Hier ist besonders auf die Proteinzufuhr zu achten, die im Rahmen einer veganen kohlenhydratarmen Ernährung schnell zu kurz kommen kann.
Denn es gibt nur wenige pflanzliche Lebensmittel, die gleichzeitig kohlenhydratarm und proteinreich sind. Vor allem, wenn eine erhöhte Proteinzufuhr notwendig ist (Körperfettreduktion, Muskelaufbau bzw. allgemein bei sportlicher Betätigung, im Alter), kann es schwierig sein, im Rahmen einer Low-Carb-veganen Ernährung ausreichend Protein aufzunehmen. Bei der Gewichtsabnahme kommt hinzu, dass die Kalorienzufuhr und somit die Möglichkeit, Proteine aufzunehmen, reduziert ist.
Es gibt aber einige proteinreiche, kohlenhydratarme Lebensmittel:
- Tofu
- Tempeh
- Seitan
- Lupinentofu, -tempeh
- Sojaschnetzel
- Proteinpulver.
Doch nicht nur die Menge der Proteine, sondern auch die Aminosäurenzusammensetzung spielt eine Rolle – umso mehr, wenn die Aufnahme insgesamt gering ist, wie es bei der veganen Low-Carb-Ernährung häufig der Fall ist. An oben aufgeführtem Beispiel hast du gesehen, dass die bei veganer Ernährung beliebte Kombination aus Bohnen und Reis bereits in einer kleinen Portion verhältnismäßig viele Kohlenhydrate liefert. Quinoa und Amaranth sind vergleichsweise proteinreiche Pseudogetreidearten, die je nach angestrebter Kohlenhydrataufnahme integriert werden können. Eine Möglichkeit, das Aminosäurenprofil der veganen kohlenhydratarmen Ernährung aufzuwerten, stellt die Kombination von Tofu- und Seitanprodukten dar. Alternativ kann man einzelne Aminosäuren über entsprechende isolierte Präparate aufnehmen.
Was viele vergessen: Nicht nur Obst enthält Kohlenhydrate, auch Gemüse! Da Gemüse im Verhältnis zur Energiedichte die höchste Mikronährstoffdichte aufweist, solltest du den Hauptteil der wenigen Kohlenhydrate aus Gemüse beziehen. Einige Low-Carb-Anhänger nutzen zerkleinerten Blumenkohl als Reisersatz. Getreideprodukte sind in der veganen Low-Carb-Ernährung nur schwer zu integrieren: Die wenigen „erlaubten“ Kohlenhydrate sollten aus Hülsenfrüchten bezogen werden, denn diese sind gleichzeitig proteinreich.
Nicht bzw. kaum geeignet sind zuckerhaltige Getränke (Limonaden, Kaffee-, Eisteegetränke mit Zuckerzusatz, Obst-Smoothies und -säfte). Ungezuckerter Tee, Kaffee, Wasser, sowie Getränke mit Süßstoffen enthalten keine Kohlenhydrate und eignen sich daher als Durstlöscher bei veganer Low-Carb-Ernährung.
Du backst gern und möchtest darauf auch bei einer kohlenhydratarmen Ernährung nicht verzichten? Dann können folgende Lebensmittel hilfreich sein:
- Nussmehle (z. B. Mandel)
- Kokosnussmehl
- Leinmehl
- Lupinenmehl/-schrot
- Sojamehl/-schrot.
Damit kannst du (einen Teil) des Mehls beim Backen ersetzen oder Gerichte damit anreichern. Je nach Verarbeitungsgrad unterscheiden sich hier die Fettgehalte.
Ein veganer Low-Carb-Tag mit unseren Rezepten könnte folgendermaßen aussehen:
Frühstück | Tofu-Rührei |
Zwischenmahlzeit | Nüsse mit Zartbitterschokolade |
Mittagessen | Seitanschnitzel mit Ofengemüse und „Ofenkäse„ |
Zwischenmahlzeit | Limettentorte |
Abendessen | Tempeh, Feldsalat, Hirtenkäsealternative mit Dressing aus Kokosmilch, Nussmus, Gewürzen |
Keto-vegane Ernährung in der Praxis
Bei der keto-veganen Ernährung ist vor allem die hohe Fettzufuhr wichtig und die Proteinaufnahme sollte gering ausfallen. Wie du jetzt weißt, ist das bei der veganen Ernährung nicht allzu schwer. Denn fettreiche Milchprodukte, die bei der mischköstlichen ketogenen Ernährung im Mittelpunkt stehen, sind oft auch proteinreich. Die folgenden veganen Fettquellen hingegen sind gleichzeitig auch protein- sowie kohlenhydratarm:
- Oliven
- Avocado
- Pflanzencuisine (Sahneersatz)
- Käseersatz
- Fleischersatzprodukte
- Kokosnussprodukte
- Pflanzenfette und -öle.
Tipp: Die Milch- und Fleischersatzprodukte unterscheiden sich aufgrund der variierenden Zutaten teilweise stark in ihrer Makronährstoffzusammensetzung und nicht alle sind „keto-geeignet“. Ein Blick auf die Nährwerttabelle verrät mehr.
Das bei der klassischen ketogenen Ernährung nach Peterman angestrebte Verhältnis der Makronährstoffe kann durch die Zugabe von Pflanzenölen zu den Gerichten erreicht werden. Lebensmittel, die dieses Verhältnis bereits aufweisen, sind beispielsweise die Macadamianuss (5,7:1), schwarze Oliven (5,0:1) oder Kokosnuss und Kokosfleisch (3,9:1) (Och et al., 2017).
Zuckerhaltige Getränke können bei der veganen ketogenen Ernährung natürlich nicht getrunken werden. Auch auf Zuckeralkohole (z. B. Xylit, Erythrit, Isomalt), die häufig zum Süßen verwendet werden und bei Low-Carb-Anhängern beliebt sind, muss verzichtet werden.
Du siehst, die ketogene vegane Ernährung ist eine sehr eingeschränkte Ernährungsform, bei der es jede Menge zu beachten gilt, wenn man sie bedarfsdeckend gestalten möchte. Vor allem zu Beginn der Umstellung ist die Unterstützung von erfahrenen Fachkräften meist notwendig. Apps können dabei helfen, die Makronährstoffaufnahme zu überprüfen.
Vorteile der veganen Low-Carb-Ernährung
- bei keto-veganer Ernährung oft hohe Sättigung → erleichterte Gewichtsabnahme
- bei keto-veganer Ernährung teilweise bessere Konzentrationsfähigkeit beobachtet
- Ernährungsumstellung auf Low-Carb führt oft zu bewussterem Konsum → automatisch geringere Aufnahme von mikronährstoffarmen Lebensmitteln möglich durch Reduktion der Kohlenhydrat-Quellen wie Backwaren, stark verarbeitete Produkte etc. sowie geringere Kalorienzufuhr
- → kann zu einem insgesamt gesünderem Ernährungsverhalten führen, wenn beispielsweise vorher wenig Gemüse- oder Vollkornprodukte verzehrt wurden.
Es wird vermutet, dass das erhöhte Sättigungsgefühl auf die Ketonkörper zurückzuführen ist. In Untersuchungen war bei Vorliegen einer Ketose die Ausschüttung des Hormons Ghrelin vermindert. Ghrelin ist das sogenannte „Hungerhormon“, welches bei niedriger Energiezufuhr erhöht ist und mit ein Grund ist, warum Diäten so schwerfallen und scheitern können. Die genauen Hintergründe und Mechanismen, warum bei ketogener Ernährung oft eine geringere Kalorienaufnahme und bessere Sättigung beobachtet wird, sind aktuell aber nicht eindeutig geklärt (Roekenes und Martin, 2021).
Nachteile der veganen Low-Carb-Ernährung
- genaue Kontrolle der Nährstoffaufnahme notwendig, was als aufwendig empfunden werden kann
- Nebenwirkungen der Umstellung
- Appetitminderung durch höhere Sättigung und ungewohnte, ggf. wenig schmackhafte Ernährung → ungewollter Gewichtsverlust
- Umsetzung wenig alltagstauglich
- Überessen an fettigen Lebensmitteln → übermäßige Kalorienaufnahme
- ausreichende Proteinaufnahme erschwert
- Ballaststoffzufuhr kann gering ausfallen → Obstipation als Nebenwirkung möglich sowie weitere mögliche negative Auswirkungen auf die (Darm-)Gesundheit
- ausreichende Mikronährstoffzufuhr erschwert
- vor allem bei sehr fettreicher Ernährung: geringes Nahrungsvolumen, was unbefriedigend sein und zu Hunger führen kann
- (sportlicher) Leistungsabfall möglich.
Auswirkungen der veganen Low-Carb-Ernährung
Gewichtsreduktion
Für eine Körpergewichtsreduktion muss eine negative Kalorienbilanz vorliegen, es müssen also weniger Kalorien aufgenommen als verbraucht werden. Wie diese zustande kommt, ist für die Abnahme nicht relevant. Natürlich ist es sinnvoll, die absolute Kohlenhydratzufuhr in einer Diät zu reduzieren und so ein Kaloriendefizit zu erzeugen. Eine übermäßig starke Einschränkung der Kohlenhydrat- im Vergleich zur Fettzufuhr ist aber nicht unbedingt von Vorteil.
In Untersuchungen zeigt sich langfristig kein Unterschied zwischen einer Low-carb- oder Low-fat-Ernährung, wenn die Proteinzufuhr gleich (hoch) ist. Je nach individuellen Vorlieben kann es leichter fallen, das Kaloriendefizit mit der einen oder anderen Ernährungsweise einzuhalten (Gardner et al., 2018; Buga et al., 2021). Eine Meta-Analyse von vorhandenen Studien zeigt, dass der gesamte Energieverbrauch bei einer Low-Carb-Ernährung höher sein kann als bei einer Low-Fat-Ernährung bei gleicher Kalorien- und Proteinaufnahme. Der Unterschied ist aber sehr gering, aus den Studien wurden 60 ± 29 kcal pro Tag abgeleitet (Guyenet und Hall, 2021; Ludwig et al., 2021). Nach den vorangegangen Studienergebnissen zu schließen, scheint dies in der Praxis wenig Relevanz zu haben. Letztlich kommt es darauf an, dass die Ernährungsweise es ermöglicht, das Kaloriendefizit einzuhalten (Ashtary-Larky et al., 2021).
Nach der aktuellen Richtlinie der European Association for the Study of Obesity (EASO) kann eine sinnvoll geplante stark kalorienreduzierte (500–800 kcal/d), ketogene Ernährung bei starkem Übergewicht eine Herangehensweise für schnellen Gewichtsverlust sein. Allerdings merkt die Institution auch an, dass die individuelle Umsetzbarkeit im Vordergrund stehen muss und andere Diätformen vergleichbare Ergebnisse liefern (Muscogiuri et al., 2021).
Die Schwierigkeit bei einer veganen Low-Carb-Ernährung: Die während einer Gewichtsabnahme umso wichtigere hohe Proteinaufnahme ist schwieriger zu erreichen als bei einer mischköstlichen oder einer fettreduzierten veganen Ernährung. Denn die meisten proteinreichen veganen Lebensmittel (z. B. Hülsenfrüchte oder Nüsse) liefern gleichzeitig gewisse Mengen Kohlenhydrate und/oder Fett.
Kardiovaskuläre Erkrankungen und Blutlipide
Ein ungünstiges Blutlipidprofil gilt u. a. als Risikomarker für koronare Herzerkrankungen. In Interventionsstudien werden unterschiedliche Auswirkungen einer Low-Carb-Ernährung auf die Blutfettwerte beobachtet. Auch hier scheinen Menge und Art der zugeführten Fette und Kohlenhydrate sowohl vor als auch nach der Umstellung der Ernährungsweise eine wichtige Rolle zu spielen. Wahrscheinlich ist, dass sich ein hoher Anteil an gesättigten Fettsäuren negativ auf das Risiko für verschiedene kardiovaskuläre Erkrankungen auswirkt, ein höherer Anteil an mehrfach ungesättigten positiv.
Der Einfluss des Gewichtsverlustes und der Ausgangswerte sowie -ernährung auf die Studienergebnisse ist nicht bekannt. Da sich pflanzliche Fettquellen vermutlich positiv auf die kardiovaskuläre Gesundheit auswirken können, könnte eine vegane Low-Carb-Ernährung in diesem Zusammenhang einer solchen mit primär tierischen Fettquellen überlegen sein (Hite et al. 2021; Schoenegg und Iggmann, 2021; Schwingshackl et al., 2021).
Ein Vorteil der veganen Low-Carb-Ernährung könnte sein, dass in der Regel wenig gesättigte Fettsäuren aufgenommen werden, sofern wenig hochverarbeitete Lebensmittel auf dem Speiseplan stehen (Hite et al.,2011).
Sportliche Leistung
Vor allem Ausdauersportler versprechen sich von einer Low-Carb-Ernährung, dass der Körper weniger auf die limitierten Glykogenspeicher angewiesen ist und dazu angeregt wird, von Vornherein die Energie aus Fetten zu beziehen. Theoretisch sprechen einige Mechanismen dafür und in manchen Untersuchungen werden diese auch in der Praxis beobachtet. Die Ergebnisse sind aber unterschiedlich, vor allem bei hochintensiven Einheiten werden auch Leistungseinbußen festgestellt. Wahrscheinlich hängen die Auswirkungen neben der Vergleichsdiät u. a. auch von der Trainingsart und dem Trainingsstatus ab (Burke et al., 2004; Burke et al., 2020; Bowler und Polman, 2020).
Auch Kraftsportler sollten vermutlich eher mit gut gefüllten Glykogenspeichern ins Training starten, um Leistung und Muskelaufbau zu optimieren. Für die Zunahme von Muskelmasse zeigt sich in der Praxis eher ein Nachteil im Vergleich mit anderen Ernährungsweisen bei gleicher Kalorien- und Proteinaufnahme (Vargas et al., 2018; Hokken et al., 2021; Ashtary-Larky et al., 2021).
Klinischer Einsatz der Keto-Ernährung
Eine ketogene Ernährung wird in der klinischen Therapie bei Epilepsie-Patienten eingesetzt, die nicht auf die Medikamente ansprechen. Bei Kindern mit Epilepsie gilt die ernährungstherapeutische Behandlung dieser Ernährungsform laut der S1-Leitlinie der Gesellschaft für Neuropädiatrie als gesichert (AWMF, 2014).
Auch bei Stoffwechselerkrankungen wie dem Glukosetransporter-Defekt (GLUT1-Defekt) und Pyruvatdehydrogenase-Mangel wird die ketogene Ernährung eingesetzt (Och et al., 2017). Bei weiteren Erkrankungen gibt es Hinweise, auf positive Wirkungen, sie gehören aber aufgrund der unzureichenden Studienlage nicht zur gängigen Therapie. Dazu gehören u. a. neurodegenerative Erkrankungen (z. B. Alzheimer) und Autismus (AWMF, 2014).
In Zell- und Tierstudien zeigen sich teilweise vielversprechende Wirkungen bei verschiedenen Krebserkrankungen. Aber: Es gibt sehr viele Arten von Krebs und bei manchen kann eine ketogene Ernährung auch das Wachstum der malignen (bösartigen) Zellen fördern. Zudem scheint die Gestaltung der ketogenen Ernährung eine Rolle zu spielen, z. B. welche Art und Menge an Fetten und Proteinen zugeführt wird. Für Empfehlungen reichen die vorhandenen Humanstudien aktuell nicht aus (Elisia und Krystal, 2021).
Fazit zur veganen Low-Carb-Ernährung
Auch wenn sie häufig als DAS Wundermittel zur Gewichtsabnahme postuliert wird, scheint eine kohlenhydratarme Ernährung dafür langfristig keine Vorteile im Vergleich zu einer Ernährung mit moderater Kohlenhydratzufuhr zu bringen, sofern Kalorien und Proteinzufuhr gleich sind.
Wer sich low carb vegan ernähren möchte, sollte sich darüber im Klaren sein, dass diese Ernährungsweise mit einigem Aufwand verbunden ist.
Die Low-Carb-vegane Ernährung ist für dich geeignet, wenn du:
- gern fettreich isst
- nicht gern Gebäck, Nudeln, Kartoffeln, Reis etc. isst
- dadurch leichter weniger Kalorien aufnimmst, wenn dein Ziel eine Gewichtsreduktion ist
- dich gern mit deiner Ernährung genauer beschäftigst (beispielsweise um die ausreichende Protein- und Mikronährstoffaufnahme sicherzustellen
- Spaß am Low-Carb-Kochen und Backen hast
- wenig Außerhalb isst bzw. kein Problem hast, bei sozialen Events nicht/nur eingeschränkt mitzuessen.
Insgesamt ist die strikte vegane Low-Carb-Ernährung im Alltag vor allem auf sozialen Events bzw. außerhalb schwierig umzusetzen. Zudem gibt es keine relevanten Vorteile, die nicht mit einer allgemeinen Ernährungsumstellung auf eine pflanzenbasierte Ernährung orientiert an der veganen Lebensmittelpyramide ebenso erreicht werden können.
Eine vegane ketogene Ernährung sollte nur aus medizinischen Gründen und unter Begleitung durch einen Arzt sowie gegebenenfalls mit einem erfahrenen Veganen Ernährungsberater umgesetzt werden.
Caro meint
Ganz toller Artikel!