Tempeh: Die fermentierte Sojabohne
Schimmelpilzbakterien essen: Kein schöner Gedanke? Dann hast du Tempeh noch nicht probiert! Was die Bakterien machen und warum sie nicht nur eine geschmackliche Bereicherung sein können, erfährst du in diesem Artikel.
Wusstest du schon …
… dass Tempeh nicht nur aus Sojabohnen hergestellt werden kann?
Herstellung von Tempeh
Industrielle Herstellung
Tempeh ist ein traditionelles indonesisches Lebensmittel. Es wird in der Regel auf Basis von Sojabohnen hergestellt, die einen Feuchtigkeitsgehalt von etwa 14 % aufweisen müssen. Nach einem fünf- bis zehnminütigem Kochvorgang, werden sie über einen Zeitraum von 15 bis 17 h in kaltem Wasser eingeweicht. Anschließend werden sie getrocknet und geschält. Dann folgt der charakteristische Herstellungsschritt: Die Inokulation (Beimpfung) mit der Starterkultur. Dabei handelt es sich um einen Schimmelpilz, z. B. der Art Rhizopus oligosporus. Unter einer Plastikabdeckung sorgt es bei Raumtemperatur für die Fermentation der Bohnen. Dies braucht seine Zeit: Denn erst nach etwa 35 bis 37 h ist eine vom Pilz über- und durchwachsene zusammenhängende Bohnenmasse entstanden. Sichtbar wird das durch den weißen Edelschimmelbezug (Coo et al., 2019).
Anschließend wird der Tempeh gegebenenfalls weiterverarbeitet; er wird sowohl in der Natur-Version als auch mariniert und gewürzt verkauft. Dann findest du ihn entweder frisch gekühlt oder vakuumiert und pasteurisiert im Bioladen, Internet oder auch in manch einem Supermarkt (biothemen).
Tempeh selbst herstellen
Eigentlich ist es gar nicht so schwer, Tempeh selbst herzustellen, du benötigst jedoch etwas Zeit und einen ungestörten, warmen Ort. So gehst du vor:
- Koche 600 g geschälte Sojabohnen gar und gieße sie anschließend ab.
- Gib sie zurück in den benutzen Topf auf die heiße, ausgeschaltete Herdplatte. Dadurch können die Bohnen trocknen.
- Mische die Bohnen mit 6 EL Essig und lasse sie auf etwa 32 °C abkühlen
- Rühre 1 TL Tempeh-Starterkultur (aus dem Bioladen oder Internet) gleichmäßig unter die Bohnen.
- Gib die Bohnen in einen Behälter, z. B. eine offene Glasform, die du in eine Kunststoffbox stellst. Alternativ kannst du einen Gefrierbeutel mit Luftlöchern im Abstand von 1 bis 2 cm nutzen.
- Die Bohnen müssen nun für 24 bis 48 h an einem etwa 30 °C warmen Ort ruhen. Dafür kannst du den Ofen (für etwas zusätzliche Wärme mit angeschaltetem Licht) und einer Wärmflasche, die du etwa zweimal täglich wechselst, nutzen. Lass die Ofentür dabei einen Spalt auf, damit Luft an die Bohnen kommen kann. So kann der Fermentationsprozess gut ablaufen.
Die angegebenen Mengen ergeben etwa 1 kg Tempeh, du kannst natürlich auch mehr oder weniger zubereiten, indem du die Zutaten anpasst (nach WikiHow). Übrigens: Tempeh kannst du auch einfrieren, denn im Gegensatz zu Tofu verändert sich seine Textur dadurch nicht.
Geschmack und Nährwerte
Je nach Sorte und Produzent, verwendeten Starterkulturen und den Fermentationsbedingungen können die Nährwerte unterschiedlich ausfallen (Coo et al., 2019). Die durchschnittlichen Nährwertgehalte von 100 g Tempeh nach dem Bundeslebensmittelschlüssel (BLS) kannst du Tabelle 1 entnehmen.
Tabelle 1: Durchschnittliche Nährwertgehalte von Tempeh pro 100 g (MRI, 2017)
Energie | 165 kcal |
Protein | 19,0 g |
Kohlenhydrate | 1,8 g |
Ballaststoffe | 6,5 g |
Fett
davon gesättigte Fettsäuren |
7,6 g
1,1 g |
Biotin | 53 µg |
Folsäure | 156 µg |
Vitamin B12 | 0,8 µg |
Kalium | 250 mg |
Calcium | 142 mg |
Magnesium | 230 mg |
Eisen | 5 mg |
Zink | 3,8 mg |
Insgesamt ist Tempeh reich an B-Vitaminen, Calcium, Eisen, Zink und Isoflavonen. Besonders interessant für die pflanzliche Ernährung ist der Vitamin B12-Gehalt und das enthaltene Pro-Vitamin D2. Außerdem enthält Tempeh viel Protein, das aufgrund des Sojas eine gute Aminosäuren-Zusammensetzung und damit hohe Proteinqualität aufweist.
Der Geschmack von Tempeh ist mild-nussig und erinnert etwas an Käse, die Textur ist recht fest.
Vorteile der Fermentation
Die Fermentation wird bei der Tempeh-Herstellung durch die zugegebenen Starterkulturen ausgelöst. Außerdem sind daran weitere, im Tempeh selbst vorhandene, Pilze, Hefen und Bakterien beteiligt. Infolge des Prozesses bilden sich die so charakteristischen Eigenschaften wie Geschmack und Textur heraus. Doch auch deine Gesundheit kann von regelmäßigem Konsum des fermentierten Lebensmittels profitieren.
Auswirkungen auf den Darm
Wer Probleme mit der Verdauung von Soja – oder allgemein Hülsenfruchtprodukten – hat, kann von der besseren Verträglichkeit des Tempeh profitieren: Denn die Bakterien bauen die schwer verdaulichen Oligosaccharide ab.
Zudem wurde in Tierstudien und an Modellen des menschlichen Gastrointestinaltrakts eine veränderte Zusammensetzung der intestinalen Mikrobiota durch Tempeh festgestellt: Denn die Anzahl an den Darmbakterien-Arten Bacteroidetes, Firmicutes, Bifidobacterien und Lactobacillus nahm zu. Allerdings sind hierzu noch weitere Studien nötig, um die Effekte im menschlichen Körper zu belegen und mögliche Auswirkungen beschreiben und beurteilen zu können (Cao et al., 2019).
Auswirkungen auf die Nährstoff-Bioverfügbarkeit
Außerdem gibt es Hinweise, dass die Bioverfügbarkeit von Vitaminen, Mineralien und Isoflavonen in dem fermentierten Produkt höher ist. So tragen Bakterien (K. pneumoniae, C. freundii) in den Sojabohnen im Rahmen der Fermentation zur Vitamin B12-Produktion bei (Cao et al., 2019). Durch die Kombination verschiedener Bakterienkulturen konnte an Lupinen-Tempeh die Vitamin B12-Entstehung sogar weiter erhöht werden (Signorini et al., 2018).
Auch kommt es durch den Fermentationsprozess zum Abbau von z. B. Protease-Inhibitoren, Phytinsäure und Phenolen, die die Bioverfügbarkeit einiger Nährstoffe herabsetzen können. Hinzu kommt, dass der Gehalt an wasserlöslichem Stickstoff durch proteolytische Enzyme, die der Pilz produziert, erhöht werden kann. Infolgedessen wird die Proteinabsorption verbessert (Cao et al., 2019).
Weitere mögliche gesundheitliche Vorteile
Je nach Art des Fermentationsprozesses (z. B. abhängig von Dauer, ob die Inkubation aerobe oder anaerobe oder in Kombination stattfindet, Temperatur und Art der Kulturen) werden die antioxidativen Eigenschaften erhöht (Tonolo et al., 2019; Chang et al., 2009; Cao et al., 2019). Untersuchungen zufolge kann dies mit den höheren Polyphenol-Gehalten im fermentierten Produkt erklärt werden. Denn die Gehalte an den Isoflavonoid-Aglykonen Genistein und Daidzein verdoppelten sich in einer Studie durch die Fermentation. Sie haben höhere antioxidative Eigenschaften als die entsprechenden Glykoside, die ohne Fermentation vorliegen. Interessant ist auch die mögliche anti-mikrobielle Aktivität, die sich in vitro, also im Zellversuch, gegen verschiedene Mikroorganismen (z. B. Staphylococcus aureus) zeigte (Cao et al., 2019). Weiter gibt es Hinweise, dass sich Tempeh-Konsum positiv auf erhöhte Serum-Cholesterol- und Blutdruckwerte auswirken sowie das Tumorwachstum verhindern könnte (Chang et al., 2009).
Verwendung von Tempeh
Neben dem „klassischen“ Tempeh aus Sojabohnen gibt es Lupinen-Tempeh aus gekochten Lupinensamen, die mit dem Bakterium inkubiert werden, zu kaufen. Auch Kichererbsen oder andere Bohnensorten können auf diese Weise fermentiert werden, zudem ist eine Kombination mit Reis oder anderem Getreide möglich. Außerdem marinieren oder räuchern Hersteller den Tempeh nach abgeschlossenem Fermentationsprozess für spezielle Geschmacksnuancen.
Am besten kochst, köchelst oder dämpfst du den Tempeh zunächst für etwa 8 bis 10 Minuten. Das ist nicht unbedingt notwendig, die Konsistenz wird dadurch aber weicher. Anschließend kannst du den Tempeh weiterverarbeiten. Hier ein paar Ideen:
- marinieren (z. B. in Öl-Gewürz-Mischungen, Sojasoße)
- anbraten (z. B. mit Kokosöl), eventuell vorher kurz in eine Salzlösung eintauchen
- frittieren
- mit Sojamehl und Wasser (als Eiersatz) in Semmelbröseln panieren
- in Scheiben geschnitten im Ofen backen
- in Scheiben scheiden, zerbröseln oder je nach Belieben zerkleinern
- pürieren (z. B. mit Gemüse oder Hülsenfrüchten).
Der zubereitete Tempeh passt gut zu:
- Wokgerichten mit frischem Gemüse und Reis
- Salat
- Suppen
- „Häppchen“, verarbeitet mit Belag nach Wahl (Rote Beete oder auch Nussmus schmecken gut dazu)
- Brot, z. B. auf dem Sandwich mit Avocado und Salat.
Unser Fazit
Auch wenn der Gedanke daran, Schimmelpilze und Bakterien zu essen, zunächst befremdlich erscheinen mag, so hat der Konsum von Tempeh viele Vorteile: nussiger Geschmack, hohe Protein- und Nährstoffverfügbarkeit sowie vermutlich weitere gesundheitsförderliche Effekte. Und wenn man erst mal weiß, wofür sie gut sind und wie vielfältig Tempeh ist, ist es doch sogar richtig verlockend, den Bakterien eine Chance zu geben.
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