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Kokosöl: ungesunde Öko-Sünde oder tropisches Superfood?
Vor wenigen Jahren hat das exotische Bratöl noch kaum eine Rolle in unserer Küche gespielt. Mit den neuen Ernährungstrends und Superfoods aus aller Welt, hat auch das pflanzliche Fett der Kokosnuss Einzug in deutsche Haushalte gefunden und wird massiv bejubelt. Aber nicht nur am Herd erfreut sich das Fett großer Beliebtheit. Vielleicht ist es dir auch schon in der Kosmetikabteilung deines Drogeriemarktes über den Weg gelaufen oder sogar täglicher Bestandteil deiner Haut- und Mundpflege. Diesem Superfood wird eine Reihe an heilsamen sowie gesundheitsfördernden Wirkungen nachgesagt. Demenz, Übergewicht, bakterielle oder virale Infektionen – Kokosöl soll die neue Wunderwaffe für die innerliche und äußerliche Anwendung sein. Was hinter diesen Behauptungen steckt, wollen wir nun aus dem wissenschaftlichen Blickwinkel genauer unter die Lupe nehmen.
Unser heutiger Stargast scheint der „Jakyll und Hide“ unter den derzeit besonders gehypten Produkten zu sein. Vor allem im Hinblick auf gesunde Ernährung ist dir wahrscheinlich bekannt, dass Kokosöl Fettsäuren gesättigter Natur enthält, die aus Expertensicht einen eher schlechten Ruf genießen. Kokosöl, das Lebensmittel mit unschlagbaren Vorzügen oder ungesund und dazu eine Umweltsünde sondergleichen? Und gibt es einen Unterschied zwischen Kokosfett und Kokosöl?
Superfood Kokosöl
Nicht nur in der veganen Szene tauchen immer wieder neue Trends und Hypes an Ernährungsformen auf: Paleo, High-carb, Low-fat, Rohkost oder Clean eating, um nur eine Handvoll zu nennen. Dazu werden immer mehr neuartige Lebensmittel mit dem angeblichen Non-Plus-Ultra-Gehalt an Nährstoffen vermarktet: die sogenannten Superfoods. Neben Früchten, Samen und Getreidesorten aus zuvor noch nie gehörten Regionen dieser Erde hat sich auch unter den Pflanzenölen ein vermeintlicher Allrounder in Sachen Ernährung und Gesundheit durchgesetzt. Das tropische Kokosöl wird seit Jahrtausenden von vielen Völkern als grundlegender Bestandteil ihrer Ernährung verwendet und als eines der „natürlichsten Öle“ bezeichnet.
Das Öl mit dem feinen Nussaroma sowie einem Geruch, der dich gedanklich in eine karibische Hängematte versetzt, hat seinen besonderen Reiz und man kauft diesem Exoten seine angeblichen gesundheitlichen Vorzüge nur zu gern ab. Aber wie viel Mythos und welche wissenschaftlich fundierten Fakten stecken tatsächlich dahinter? Die Forschung hat sich einigen Hypothesen angenommen und das Wunderöl auf den Prüfstand gestellt.
Kokosfett vs. Kokosöl: gibt es einen Unterschied?
Zuallererst wollen wir der Frage nachgehen, was denn das Kokosöl vom Kokosfett genau unterscheidet.
Öle und Fette können aus Sicht der Ernährung in ihrer Konsistenz unterschieden werden: erstere sind bei Raumtemperatur flüssig und meist pflanzlichen Ursprungs, wohingegen Letztere fest und stammen vorwiegend aus tierischen Nahrungsmitteln. Olivenöl und Butter sind hier klassische Vertreter. Aber wie kann nun ein Öl gleichzeitig ein Fett aus derselben Ursprungsquelle sein?
Der Unterschied liegt im Verarbeitungsprozess der Kokosnuss. Die Fettkomponente wird aus dem Fruchtfleisch der Kokosnuss gewonnen. Wird das Fruchtfleisch, auch „Kopra“ genannt, gepresst, extrahiert und mittels Raffination, Bleichen sowie Desodorierung weiterverarbeitet, erhält man das weiße, feste, geschmacksneutrale und hitzebeständige „Kokosfett“. Im Unterschied dazu wird das native Kokosöl schonend aus dem frischen, also nicht getrocknetem Fruchtfleisch gewonnen, oder aus der Kokosmilch extrahiert, ohne die weiteren chemischen Behandlungsschritte durchzuführen. Sowohl Kokosöl als auch Kokosfett haben bei Raumtemperatur feste Konsistenz und schmelzen ab circa 25 °C (Schmidt, 2016).
Ernährungsphysiologische Eigenschaften
Als Nächstes wollen wir einen tieferen Blick in das spannende Feld der Ernährung werfen und die Frage beantworten, ob Kokosöl ungesund ist oder seinem vielversprechenden Ruf gerecht werden kann.
Wahrscheinlich hast du bei einem asiatischen Gericht auch schon das tropische Fett verwendet. Schließlich bringt Kokosöl einen ganz wesentlichen Vorteil mit sich: seine Hitzebeständigkeit. Deshalb wird das Superfood gern anstelle von Butterschmalz oder hochgradig verarbeiteten Pflanzenölen zum Braten verwendet. Der Grund für diese beliebte Eigenschaft findet sich, wenn wir uns das Fettsäurespektrum genauer ansehen.
Kokosöl: Fettsäuren
Mit einem Anteil von rund 90 % an gesättigten Fettsäuren würde der Ernährungsexperte erst mal nicht zum regelmäßigen Verzehr von Kokosöl raten. Kokosfett eignet sich wegen des höheren Verarbeitungsgrades, welcher sogar die gesundheitsschädlichen Trans-Fettsäuren mit sich bringen kann, noch weniger zur gesunden Ernährung als das schonend produzierte native Kokosöl. Die gesättigten Fettsäuren sorgen aber gleichzeitig dafür, dass du das Öl auf 200 °C erhitzen kannst (Petersen, 2017).
Im Vergleich zu tierischen Fetten, beispielsweise dem Butterschmalz, enthält es keinerlei Arachidonsäure, die entzündungsfördernden und gefäßverengenden Charakter besitzt und ausschließlich in tierischen Produkten zu finden ist (Becker, 2015). Im Gegensatz zur Butter, welche „nur“ 53 % gesättigte Fettsäuren enthält, sticht die pflanzliche Alternative in diesem Punkt sehr deutlich hervor (BLS). Dafür ist Kokosfett reicher an mittelkettigen Fettsäuren, die Untersuchungen zufolge sogar positive Effekte auf den Fettstoffwechsel haben sollen (Laux et Feichtinger, 2013). Ein Für und Wider – was zeichnet das pflanzliche Superfood Kokosöl nährstofftechnisch noch aus?
Kokosöl: Weitere Nährwerte
Weitere Nährwerte Im Hinblick auf die mehrfach ungesättigten Fettsäuren enthält Kokosfett den Omega-6-Vertreter Linolsäure, jedoch keinerlei Omega-3-Fettsäuren. Im weiteren Nährstoffspektrum lässt sich nur ein relativ geringer Anteil an Vitamin E (1,8 mg/100g) finden, wenn wir diesen mit Rapsöl (18,9 mg/100g) beziehungsweise Sonnenblumenöl (62,5 mg/100g) vergleichen. Ein Anteil an essenziellen Aminosäuren lässt sich auch der Datenbank entnehmen und außerdem enthält das tropische Fett sekundäre Pflanzenstoffe, wie Ferulasäure und Katechin, die zur Gruppe der antioxidativen Polyphenole gehören.
Die in Tabelle 1 angeführten Daten stammen aus dem renommierten Bundeslebensmittelschlüssel für das Lebensmittel Kokosfett; die ergänzenden Angaben für das unbehandelte Kokosöl wurden der US-amerikanischen Datenbank USDA entnommen.
Tabelle 1: Fettsäurespektrum und ausgewählte Inhaltsstoffe in 100 g Kokosfett (BLS; *USDA)
Kokosfett (natives Kokosöl*) |
|
Fett gesamt (%) | 99,6 |
gesättigte Fettsäuren (g) | 87,11 (92,86*) |
einfach ungesättigte Fettsäuren (g) |
6,98 (7,14*) |
mehrfach ungesättigte Fettsäuren (g) |
1,65 (0,00*) |
kurzkettige Fettsäuren (g) | 0,47 |
mittelkettige Fettsäuren (g) | 13,2 |
langkettige Fettsäuren (g) | 82,10 |
essenzielle Aminosäuren (mg) | 406 |
Vitamin E (µg) | 1820 |
Vitamin B3 (Niacin) (µg) | 117 |
Erkenntnisse aus der Wissenschaft
Fettstoffwechsel
Der hohe Anteil an gesättigten Fettsäuren im Kokosöl lässt Bedenken aufkommen, da der regelmäßige Verzehr dieser Fettkomponente mit einem erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Verbindung gebracht wird. Dem tropischen Superfood wird durch den hohen Anteil an MCTs (mittelkettigen Fettsäuren) eine Schutzfunktion auf den Fettstoffwechsel zugeschrieben: Laurinsäure, Myristin- und Palmitinsäure sowie ein geringer Anteil an Capryl- und Caprinsäure sind die wesentlichen Kokosöl-Fettsäuren. Im Vergleich zu anderen pflanzlichen Ölen mit überwiegend ungesättigten Fettsäuren führt Kokosöl jedoch eher zu einer Erhöhung des Gesamt-, LDL- und des HDL-Cholesterins, allerdings nicht in vergleichbarem Ausmaß wie Butter (Eyres et al., 2016).
Abnehmen mit Kokosöl?
Außerdem wird den MCTs nachgesagt, dass sie die Gewichtsreduktion unterstützen können, da sie im Vergleich zu den langkettigen Fettsäuren aus anderen pflanzlichen Quellen als direkte Energiequelle rascher verstoffwechselt und nicht primär in Fettzellen eingelagert würden (McCarty et DiNicolantonio, 2016). In Kokosöl finden wir allerdings nur rund 14 % echter MCTs, da die dominant vorhandene Laurinsäure einem differenzierten Metabolismus unterliegt. Die aktuelle Studienlage bietet keine Belege dafür, dass dem Kokosöl ein gewichtssenkender Effekt zugeschrieben werden kann (Lockyer et Stanner, 2016). Auch die DGE (2011) kann keine Empfehlungen für den Einsatz von MCTs in der Adipositas-Therapie ausgeben.
Antimikrobielle Wirkung
Die Aussage, dass das Fett der Kokosnuss ein wirksames Mittel gegen jegliche Viren- und Bakterienart sei, kann nicht Eins zu Eins übernommen werden. In vitro- und In vivo-Studien am Tier zeigen, dass die Verbindung Monolauringycerat antibakteriell wirkt. Dieses Molekül findest du nicht direkt im Kokosöl, aber es kann im menschlichen Organismus aus Laurinsäure gebildet werden. Die Datenlage zur Syntheseeffizienz und mikrobiellen Wirkung der Laurinsäure im Menschen ist mangelhaft, denn Humanstudien wurden bislang nur bei äußerlicher Anwendung auf der Haut durchgeführt.
Heilmittel bei Demenz?
Vielleicht ist dir auch schon die Hypothese der Wirkung von Kokosöl bei Demenz untergekommen? Vereinzelte Studien konnten zeigen, dass die Gabe eines künstlichen Präparates der Caprylsäure zu Verbesserungen der neurologischen Diagnose führte. Allerdings ist diese Fettsäure nur in geringen Mengen in Kokosöl zu finden und fundierte Evidenz für diese Aussage sind nicht vorhanden (Lockyer et Stanner, 2016).
Kokosöl und Umwelt
In Sachen gesundheitlicher Nutzen wird das exotische Fett also weitgehend überbewertet. Aber wie verhält es sich ökologisch, vor allem im Vergleich zum berechtigterweise kritisierten Palmfett?
Die vorwiegenden Herkunftsländer von Kokosöl befinden sich im südostasiatischen Raum, konkreter gesagt in Indonesien, Indien sowie den Philippinen. Daraus lässt sich schließen, dass es sich um ähnlich sensible Regionen handelt wie bei der Palmölgewinnung.
Stellen wir die notwendigen Anbauflächen in Relation zum Ertrag der beiden Öle, dann schneidet das Fett der Ölpalme durch seine deutlich effizientere Ertragsleistung besser ab. Sowohl Kokos-, als auch Soja-, Sonnenblumen- und Rapsöl benötigen viel größere Anbauflächen, verglichen mit Palmöl, was Hand in Hand mit den ökologisch verheerenden Folgen einhergeht. Würde man den deutschen Palmölverbrauch durch Kokosöl ersetzen, dann würden durch die Anbauanforderungen 308 Mio. Tonnen Treibhausgasemissionen mehr entstehen und das 5-fache an Fläche benötigt werden. Das heißt, statt der aktuellen Anbaufläche von 397.781 ha für die importierten Palmölmengen bräuchte man 1,85 Mio. ha zur Herstellung derselben Menge an Kokosöl (Tabelle 2). Außerdem nähme das Artensterben zu und die Biodiversität ab (WWF, 2016).
Tabelle 2: Vergleich von ökologischen Parametern zwischen Palmöl und Kokosöl (WWF, 2016)
Palmöl | Kokosöl | |
---|---|---|
Globale Ölerträge (t/ha) |
3,3 |
0,7 |
tatsächliche/potenziell benötigte Anbaufläche für Deutschland (ha) |
397.781 |
1,85 Mio. |
Zusammenfassung: Ist Kokosöl ungesund?
Nicht nur neuartige Früchte und Samen prahlen mit dem Titel „Superfood“ auf dem deutschen Markt. Unter den pflanzlichen Ölen nimmt das exotische Kokosöl Spitzenposition in der Beliebtheitsskala ein und verspricht so einiges: bei Gewichtsverlust solle es unterstützen, antimikrobiell wirken und sogar bei Demenz therapeutische Effekte besitzen. Tragbare Evidenz für all diese Behauptungen sind der aktuellen Studienlage jedoch nicht zu entnehmen. Aber ist Kokosöl ungesund?
Ernährungsphysiologisch wird das Fett nicht als besonders hochwertig eingestuft, weil Kokosöl Fettsäuren enthält, die von der Wissenschaft als gesundheitlich bedenklich eingestuft werden. Natürlich enthält Kokosöl wie jedes andere raffinierte Fett einen sehr hohen Energiegehalt, weshalb die Empfehlungen ohnehin auf einen moderaten Konsum hinauslaufen. Aus der Perspektive des Ökologen heraus schneidet das Kokosöl auch nicht besser ab als das ohnehin verrufene Palmöl.
Kokosöl: ungesund oder nützlich? Unserem Fazit zufolge kannst du Kokosöl gelegentlich in deiner Küche verwenden, vor allem zum Braten eignet es sich äußerst gut. Dabei empfehlen wir dir, auf die weniger verarbeitete Variante des „nativen Kokosöls“ zurückzugreifen. Dem Ruf des ultimativen Superfoods kann der Exot mit einem Blick auf die Daten und Fakten jedoch nicht gerecht werden.
Der Inhalt dieses Artikels kann und soll eine individuelle Vegane Ernährungsberatung nicht ersetzen. Im Verzeichnis für Vegane Ernährungsberatung findest du, in deiner Nähe vor Ort oder online, fachkundige Unterstützung.
Regina Tegen meint
Ich bin eine 65Jahre alte Africanerin und kenne das kochen mit kokosmilch seit ich denken kann. Seit dieser gesamte Berichten über Cocos Öl traue ich mich nicht mehr ein Kokosnuss in der Hand zunehmen. Ist Kokosnuss ein gefährliche Nuss für mein Gesundheit?
Isabel Bernhauser meint
Hallo liebe Regina!
Danke für deinen Kommentar zu unserem Artikel über Kokosöl.
Wir haben in diesem Artikel die ernährungswissenschaftlichen Aspekte des Öls (reine Fettkomponente) der Kokosnuss unter die Lupe genommen und die ökologischen Aspekte beleuchtet. Die Kokosnuss als vollwertiges Lebensmittel ist absolut kein „schlechtes“ Lebensmittel, je naturbelassener, desto vollwertiger und desto hochwertiger. Das Kokosfleisch bringt eine Vielzahl an wertvollen Nährstoffen mit sich. Je stärker das Produkt verarbeitet, desto stärker sinkt die Qualität. Daher ist das reine Fett (sehr hoher Verarbeitungsgrad) weniger wertvoll als das Kokosnussfleisch, die Kokosmilch oder das Kokosnuss-Mus. Unserer Empfehlung nach sollte man Kokosöl auch nicht täglich und in großen Mengen zu verzehren, weil es aus wissenschaftlicher Sicht ein eher ungünstiges Fettsäurespektrum mit einem hohen Gehalt an gesättigten Fettsäuren besitzt.
Ökologisch gesehen sind Kokosprodukte beispielsweise für Europa – wo die Kokosnuss nicht beheimatet ist – ebenfalls problematisch. Lange Transportwege fallen an und möglicherweise stammen die Produkte aus Regionen, in denen Artenschwund und Monokulturen ein Problem sind.
Zu deiner Frage: Die Kokosnuss ist nicht per se gefährlich für unsere Gesundheit. Je vollwertiger verzehrt, desto wertvoller. Nur das hochgradig verarbeitete Fett empfehlen wir nicht für den täglichen Gebrauch.
Ich hoffe, dir ein wenig weitergeholfen zu haben.
Beste Grüße und alles Liebe,
Isabel!