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Wie lässt sich eine gesunde Darmflora aufbauen: Ernährung und Probiotika auf dem Prüfstand.
Dass die Darmgesundheit ein zentraler Aspekt für Gesundheit und Wohlbefinden ist, legt nicht nur die fernöstliche Medizin nahe. Wie gesund dein Verdauungstrakt ist, hängt zu einem wesentlichen Teil von deinem Mikrobiom, im Volksmund auch Darmflora genannt, ab. Außerdem liegt ein großer Teil des Immunsystems im Darm. Zwei entscheidende Faktoren, die die systemische Gesundheit, physisch und psychisch, beeinflussen.
Beschwerden im Verdauungstrakt sowie Erkrankungen, die mit einem Ungleichgewicht des Darms in Verbindung gebracht werden, sind leider keine Seltenheit. Doch wie kannst du eine gesunde Darmflora aufbauen? Ernährung und Lebensstil spielen mit Sicherheit eine Rolle. Wie steht es um die Nutzung von Probiotika: Notwendig, hilfreich oder gar kontraproduktiv? Wenn ja, welche Probiotika sind zu empfehlen? Wir wollen nun einen Ausflug in die spannende Welt des Darm-Mikrobioms machen, die Bedeutung von Präbiotika klären, darauf eingehen, wann und weshalb Antibiotika eingesetzt werden und wie du über die Ernährung deine Darmbakterien steuern und gesund halten kannst.
Wusstest du schon …
…dass sich die Zusammensetzung der Darmflora zwischen Mischköstlern und Veganern wegen des unterschiedlich hohen Verzehrs an Ballaststoffen wesentlich unterscheidet (Zimmer et al., 2012)?
Darmflora: Ein Blick in das menschliche Mikrobiom
Vorweg ein paar Grundlagen und Fakten zu den mikroskopischen Bewohnern des Magen-Darm-Traktes.
Die menschliche Darmflora besteht aus mehreren hundert verschiedenen Bakterienstämmen, die in der Gesamtzahl circa 1012 Mikroorganismen umfassen. Um diese unfassbare Zahl zu verdeutlichen: das sind im Vergleich etwa zehnmal mehr Bakterien als Körperzellen. Die winzig kleinen Bewohner deines Verdauungstraktes stimulieren und modulieren das Immunsystem, sofern ihre Zusammensetzung stimmig ist. Der Darm ist mit dem sogenannten lymphatischen Gewebe ausgekleidet, das auch als darmassoziiertes Immunsystem bezeichnet wird. Kommt es zur Störung dieser intestinalen Barriere, können Krankheitserreger in den Organismus eindringen, was zu gesundheitlichen Problemen führt. Es können schwere, akute Entzündungsreaktionen oder chronische Erkrankungen, z. B. Morbus Crohn, Allergien, rheumatische und andere Erkrankungen, ausgelöst werden (Grashoff, 2005).
Von der sogenannten Dysbiose wird gesprochen, wenn die Zusammensetzung der Darmflora gestört ist. Verursacht werden kann diese Fehlbesiedelung durch Medikamente (Antibiotika), Ernährungsfaktoren, Toxine, Stress oder Infektionen. Außerdem korreliert eine Dysbiose mit dem Auftreten von Übergewicht (Jenal).
Bakterielle Fehlbesiedelung (SIBO)
Liegt eine bakterielle Fehlbesiedelung im Dünndarm vor und befinden sich eine hohe Anzahl an Fäkalkeimen in den oberen Darmabschnitten, spricht man von SIBO (small intestinal bacterial overgrowth). Diese Diagnose ist auch unter den Bezeichnungen Dünndarmstase, bakterielle Überwucherung oder Blind-Loop-Syndrom bekannt.
Symptome dieser Fehlbesiedelung sind klassische Beschwerden des Verdauungstraktes, wie Diarrhoe, Obstipation, Blähungen, Sodbrennen, Bauschmerzen und Völlegefühl.
Als diagnostisches Verfahren wird klassischerweise ein Wasserstoff-Atemtest durchgeführt. Das Prinzip beruht darauf, dass die im Dünndarm bakteriell erzeugten Gase teilweise ins Blut diffundieren und über die Lunge abgeatmet werden. Als Testsubstanz wird der Zweifachzucker Lactulose beziehungsweise bevorzugt Glukose genutzt. Der Traubenzucker wird normalerweise direkt im Dünndarm absorbiert, weshalb keine Gasproduktion ersichtlich ist. Sitzen die unerwünschten Bakterien bereits im Dünndarm, fermentieren sie den Zucker zu Wasserstoff (H2). Das Gas kann dann im Atem des Betroffenen nachgewiesen werden (Gewecke und Nannen-Ottens, 2017).
Als Ursachen gilt vorrangig die kontinuierliche Bakterienzufuhr in den Dünndarm, welche durch eine verminderte Produktion an Magensäure zustande kommen kann. Außerdem steht ein verminderter Bakterienabtransport in Folge von Stenosen, Divertikeln oder Motilitätsstörungen im Verdacht, SIBO zu verursachen. Die sogenannte Ileozökalklappe verhindert beim gesunden Menschen den Rückfluss des Dickdarmmilieus in den Dünndarm. Ist diese Klappenfunktion defekt, kann die Fehlbesiedelung auch durch Einstrom der Dickdarmbakterien in obere Darmabschnitte zustande kommen. Immunologische Faktoren beziehungsweise Krankheiten (AIDS u.ä.) können auch eine Rolle spielen.
Bei der Therapie sollte vorrangig die Ursache behandelt werden. Vielfach kommen Antibiotika zum Einsatz, um das unerwünschte Bakterienmilieu auszumerzen. Da oftmals auch gleichzeitig eine Malabsorption mit Mangelzuständen vorliegt, gilt es auch diese zu beheben (Roth, 2009).
Antibiotika versus Probiotika
Bevor es um ihren Einsatz geht, zunächst zur Begriffsdefinition. Denn in den Bezeichnungen stecken bereits die kompletten Erklärungen.
„Anti“ heißt im Griechischen so viel wie gegen und „bios“ steht für Leben. Im Gegensatz dazu bedeutet der Begriff Probiotika so viel wie „für das Leben.“ Antibiotika sind natürliche Stoffwechselprodukte, die von Pilzen und Bakterien hergestellt werden und andere Mikroorganismen abtöten beziehungsweise ihr Wachstum hemmen. Probiotika dagegen sind Kleinstlebewesen, die gesundheitsfördernde Eigenschaften besitzen und vom Darm ausgehend wirken (Krammer, 2013). Die einen zerstören, die anderen fördern Leben, aber was bedeutet das für deine Darmgesundheit?
Einsatz von Antibiotika
Die bakterienhemmenden oder -tötenden Medikamente werden bei Infektionskrankheiten mit bakteriellem Ursprung vom Arzt verschrieben. Wie bereits erwähnt ist die Antibiotika-Therapie eine bekannte Methode bei Fehlbesiedelungen des Dünndarms. Da es bei der Diagnose SIBO keine gezielt ausgerichtete Therapie gibt, wird in der Regel ein Breitbandantibiotikum eingesetzt, das für 7 bis 10 Tage eingenommen wird. Meist führt diese Einnahme zu monatelanger Besserung der Beschwerden, allerdings können die Symptome danach wieder auftreten. Antibiotika beeinträchtigen die Zusammensetzung und Funktion der Mikroflora, das heißt, auch erwünschte Bakterien werden angegriffen; sowohl die Menge der Bakterien als auch ihre Diversität wird herabgesetzt (Haslberger, 2012). Wird die Mikroflora in ihrer natürlichen Zusammensetzung gestört, muss eine gesunde Darmflora aufgebaut werden, wobei die Ernährung und auch Probiotika unterstützen können.
Einsatz von Probiotika, Präbiotika und Synbiotika
Wie bereits definiert, handelt es sich bei Probiotika um gesunde Bakterienstämme, die den Darm besiedeln und unterstützen. Die Präparate werden übrigens auch als alternative Therapieform von SIBO diskutiert. Die tatsächliche Wirksamkeit von Probiotika konnte bei einer Reihe an Erkrankungen beziehungsweise Beschwerdebildern belegt werden. Darunter fallen infektiösen Durchfallerkrankungen, das Reizdarmsyndrom, chronische Obstipation, chronisch entzündliche Darmerkrankungen sowie die Prävention von antibiotika-assoziierter Diarrhoe (Krammer, 2013).
Allerdings sollten probiotische Arzneien nur nach medizinischer Absprache eingenommen werden, vor allem nach einer Antibiotika-Therapie. Denn nicht immer und nicht bei jedem Verdauungsproblem kann der Darm von den zugeführten Mikroorganismen profitieren. Es gibt auch Hinweise darauf, dass Probiotika zu einer Bakterienakkumulation beziehungsweise Fehlbesiedelung im Dünndarm führen können. Dabei käme es zur Produktion großer Mengen an D-Milchsäure, was mit Symptomen von starken Blähungen und Bewusstseinstrübung einhergehen kann (Rao et al., 2018).
Neben den Probiotika sind dir vielleicht auch die Begriffe Prä- und Synbiotika bekannt – was hat es damit auf sich?
Präbiotika sind Substanzen, die das Wachstum der gesundheitsstärkenden Darmbakterien fördern. Meist sind es Mehrfachzucker, die im Dünndarm nicht aufgeschlossen werden und somit in den Dickdarm gelangen, wo sie die Mikroflora nähren. Bei sogenannten Synbiotika handelt es sich um eine Kombination aus Pro- und Präbiotika, wobei sowohl die Ansiedelung als auch die Ausbreitung der wünschenswerten Bakterien im Dickdarm gefördert wird. Es gibt also neben den gesunden Bakterienstämmen auch eine Art „Futter“, mit der du deine Mikroflora nähren kannst. Präbiotika finden sich auch natürlicherweise in bestimmten Lebensmitteln. Fermentierte Produkte enthalten dagegen Bakterienstämme. Wie du deine Darmflora ohne Arzneien auf natürliche Weise über die Ernährung unterstützen kannst, erfährst du jetzt.
Darmflora aufbauen: Ernährung
Wenn es um Ernährung und Darmgesundheit geht, werden in erster Linie die Ballaststoffe besonders großgeschrieben. Das sind genau jene Nahrungsbestandteile, die im Dünndarm nicht aufgespalten und resorbiert werden, weshalb sie in den Dickdarm gelangen und dort das Mikrobiom gesund halten. Allerdings sind die komplexen Kohlenhydrate auch nicht immer leicht verdaulich; vor allem FODMAP-sensitive Personen reagieren auf einen großen Teil dieser generell gesundheitsfördernden Kohlenhydrate mit Beschwerden. Auf die vollwertigen pflanzlichen Lebensmittel, die übrigens die einzige Ballaststoffquelle darstellen, sollte dennoch nicht verzichtet werden. Eine langsame und kontinuierliche Integration dieser Lebensmittel in die tägliche Ernährung ist sinnvoll. Gemüse, Obst, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen sind die besten Freunde deiner Darmgesundheit.
Bekannte Beispiele für präbiotische Stoffgruppen sind Inulin und Oligofruktose. Diese unterstützen die Verdauung und sorgen für ein gesundes Mikrobiom. Du findest die Mehrfachzucker beispielsweise in Artischocken, Chicorée, Zwiebeln, Lauch, Knoblauch, Spargel, geringfügig auch in Getreide (Pool-Zobel, 2007).
Probiotische Lebensmittel
Wie steht es um probiotische Lebensmittel? Kannst du damit deine Darmflora aufbauen? Wenn ja, welche Probiotika sind zu empfehlen? Ernährung als Quelle der Darmgesundheit – wie geht das? Fermentierte Lebensmittel, wie Sauerkraut oder Tempeh, können deine Ernährung wunderbar ergänzen und die Mikroflora stärken. Der Nutzen probiotischer Lebensmittel aus dem Supermarktregal ist jedoch beschränkt. Nur regelmäßig und in ausreichender Menge verzehrt können sie bei vielen – aber auch nicht allen Personen – einen nützlichen Effekt haben. Regelmäßig bedeutet übrigens, diese Produkte täglich über mindestens einige Tage hinweg zu konsumieren. Probiotische Lebensmittel werden als „funktionell“ bezeichnet, was bedeutet, dass sie einen Zusatznutzen erfüllen; in dem Fall der probiotischen Produkte liefern sie bestimmte gesundheitsfördernde Bakterienstämme, meist Bifidobakterien und Lactobacillen. Diese Kleinstlebewesen sind sehr widerstandsfähig, sie überleben teilweise die Magen-Darm-Passage und gelangen dann in aktiver Form in den Dickdarm, wo sie sich ansiedeln (Donner, 2007).
Eine Studie zeigt, dass der regelmäßige Verzehr von Walnüssen das Mikrobiom ebenfalls positiv beeinflusst (Bamberger et al., 2018). In der Untersuchung aßen die Probanden über acht Wochen hinweg täglich 43 g Walnüsse. Als Resultat stellten die Wissenschaftler eine Vermehrung von probiotischen und Buttersäure produzierenden Bakterien in der Walnussgruppe fest, die weniger mit Übergewicht und Diabetes assoziiert sind. Des Weiteren kann sich der tägliche Walnusskonsum positiv auf den Cholesterinspiegel auswirken. In der Untersuchung war eine nachweisliche Reduktion des LDL-Cholesterins und der Triglyceride im Blut der Probanden mit dem Walnussverzehr erkennbar.
Darmflora: Mischkost vs. pflanzliche Ernährung
Wenn man die Darmflora von Personengruppen mit unterschiedlicher Ernährungsweise analysiert, wird diesbezüglich keine einheitliche Zusammensetzung nachgewiesen. Die Unterschiede der Bakterienspezies werden mit dem reichlichen Verzehr an Obst und Gemüse von Personen, die eine pflanzenbasierte Ernährung umsetzen, assoziiert. Diese Lebensmittelgruppen sorgen nämlich für eine größere Diversität des Mikrobioms im Darm (Jeffery und O’Toole, 2013). Veganer haben demnach eine höhere Anzahl an protektiven und entzündungshemmenden Bakterien, verglichen mit Mischköstlern (Glick-Bauer und Yeh, 2014). Der Stuhl von veganen Probanden war deutlich saurer als jener von Mischköstlern, was an dem durchschnittlich deutlich höheren Verzehr an Ballaststoffen lag. Die komplexen Kohlenhydrate werden von der Darmflora unter anderem zu kurzkettigen Fettsäuren fermentiert, welche schützende Eigenschaften besitzen und den Stuhl gleichzeitig ansäuern (Zimmer et al., 2012).
Zusammenfassung: Darmflora und Ernährung
Deine mikroskopisch kleinen Darmbewohner tragen wesentlich dazu bei, wie gesund und fit du dich fühlst. Eine Vielzahl an Erkrankungen wird mit einer gestörten intestinalen Mikroflora in Verbindung gebracht, was mit dem darmassoziierten Immunsystem zusammenhängt. Die Fehlbesiedelung des Dünndarms, auch als SIBO bekannt, ist ein klassisches Beispiel. Meist greifen Mediziner auf ein Breitband-Antibiotikum zurück, um die unerwünschte bakterielle Fehlbesiedelung zu therapieren. Daraufhin ist dann allerdings der Einsatz von Probiotika notwendig. Schließlich reduzieren die Medikamente die Bakterienkonzentration und -vielfalt im Darm. Probiotische Präparate sollten jedoch immer in fachlicher Absprache und nicht präventiv eingenommen werden.
Über die Ernährung kannst du die Zusammensetzung deiner Darmbakterien beeinflussen. Je mehr Ballaststoffe, das heißt, je pflanzenbasierter die Ernährung, desto mehr nützliche Substanzen lieferst du den Mikroorganismen und unterstützt dadurch ihre Diversität. Pflanzliche, vollwertige Lebensmittel sowie fermentierte Produkte helfen uns dabei, ein gesundes Darmmilieu aufrecht zu erhalten. Probiotische Produkte können, müssen aber nicht zwangsläufig von Nutzen sein.
Beate meint
Nach einer Woche heilfasten ab Aschermittwoch hab ich auf pflanzenbasierte Ernährung umgestellt. Nun hab ich Verstopfung und es kommen mühsam“Kaninchenköddel“.
Ich hab viel Durst und trink den ganzen Tag in der Hauptsache Wasser, auch Wasserkefir und Kombucha…Ich kann mir das nicht wirklich erklären…Was kann ich tun?
Isabel Bernhauser meint
Liebe Beate,
vielen Dank für deinen Kommentar und dass du deine persönlichen Anliegen mit uns teilst.
Zu allererst möchte ich erwähnen, dass wir keine Mediziner sind und über die Ferne keine Diagnose bzw. therapeutischen Empfehlungen aussprechen können.
Fasten kann sehr unterschiedlich ausfallen, es kann in bestimmten Fällen gesundheitsfördernd (bei bestimmten Erkrankungen und dann aber zwingend unter medizinischer Aufsicht bzw. auch für den gesunden Menschen) sein, manchmal jedoch auch ungünstige Auswirkungen haben. Nach einer Woche Fasten ist es zwingend notwendig, sich wieder langsam an feste Nahrung heranzutasten, im Sinne von ca. 3 „Aufbautagen“, in denen die Nahrungsmenge allmählich gesteigert wird. Du kannst gern einen Blick in unseren Fasten-Artikel werfen.
Obstipation (Verstopfung) kann entsprechend auftreten, wenn dem Verdauungstrakt einerseits nicht ausreichend Ballaststoffe bzw. gleichzeitig zu wenig Flüssigkeit (Wasser) zur Verfügung stehen. Auch diesem Thema haben wir zwei Magazin-Artikel gewidmet: akute Obstipation bzw. chronische Obstipation. Zum Lösen einer akuten Verstopfen können z. B. eingeweichte Trockenpflaumen inkl. Einweichwasser Abhilfe schaffen, ebenso wie Sauerkrautsaft. Langfristig ist es allerdings wichtig, auf eine ausgewogene und ballaststoffreiche Ernährung zu achten sowie ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Bei der Umstellung auf eine vollwertige pflanzliche Ernährung (welche naturgemäß reich an Ballaststoffen ist), bedarf es dem Körper bzw. dem Verdauungstrakt oftmals ein wenig Zeit, um sich daran zu gewöhnen. Sofern deine Symptomatik anhält, nicht besser wird bzw. sich gar verschlimmerst, rate ich dir medizinische Unterstützung aufzusuchen.
Alles Gute und herzliche Grüße,
Isabel!