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Bist du im Zusammenhang mit Darmproblemen schon mal über den Begriff „SIBO“ gestolpert? Das ist die Abkürzung für Small Intestinal Bacterial Overgrowth, auf Deutsch Dünndarmfehlbesiedlung. Damit bezeichnet die Medizin eine Erkrankung, die sowohl in der Wissenschaft als auch in der öffentlichen Wahrnehmung zunehmend an Relevanz gewinnt. Wie bei manch anderen Problemen mit dem Verdauungstrakt, stellt sich auch hier der eine oder andere die Frage: Kann ich eine Dünndarmfehlbesiedlung selbst behandeln?
Die klassische Behandlung der Dünndarmfehlbesiedlung sieht meist eine Antibiotikatherapie vor. Allerdings zeigen sich hierbei häufig Nebenwirkungen und eine hohe Rezidivrate (= Rückfallrate), weshalb betroffene Personen auch nach therapeutischen Möglichkeiten suchen, um ihre Dünndarmfehlbesiedlung selbst behandeln zu können. Die wachsende Nachfrage nach alternativen Behandlungsansätzen ruft auch Entwickler von Diätformen auf den Plan, welche dir in den Medien vielleicht schon einmal begegnet sind.
Dieser Artikel beleuchtet bekannte Ernährungsmethoden, die helfen sollen eine Dünndarmfehlbesiedlung selbst zu behandeln. Was steckt hinter den teils strengen Diäten?
Die Dünndarmfehlbesiedlung
Kurz gesagt handelt es sich bei der Dünndarmfehlbesiedlung um eine gestörte Mikroflora im Dünndarm, wobei sich dort zu viele und/oder die falschen Bakterien angesiedelt haben. Das führt nicht nur zu schmerzhaften Verdauungsproblemen, sondern kann weitreichende Folgen mit sich bringen, wie beispielsweise eine Mangelernährung. Besonders problematisch: Die Behandlung einer Fehlbesiedlung wird nicht nur dadurch erschwert, dass sie auf verschiedenen Ursachen beruhen kann, sondern ebenso aufgrund bisher nicht eindeutig definierter Diagnosekriterien und -methoden. Du kannst dir sicher vorstellen, für betroffene Personen bedeutet das oftmals eine langwierige Odyssee mit wachsendem Leidensdruck.
Klassische Behandlung
Die Therapie setzt in der Regel auf zwei Komponenten. Mangelernährung wird durch Supplementierung von Mikronährstoffen – oder bei starkem Gewichtsverlust mit MCT-Fetten (mittelkettige Fette, die schnell vom Körper aufgenommen werden) – und Verdauungsenzymen entgegengewirkt. Zum anderen kommen Breitbandantibiotika, die mit ihrer Wirkung ein breites Bakterienspektrum erfassen, über sieben bis zehn Tage zum Einsatz. Hier wird z. B. Norfloxacin verwendet, welches meistens für eine Besserung der Symptome für einige Monate sorgt (Nannen-Ottens und Gewecke, 2017b).
Allerdings gehen mit dieser Behandlung auch Nebenwirkungen wie Diarrhö, Obstipation, Schwindel oder Hautausschläge einher. Zudem kann der Einsatz zu Antibiotikaresistenzen führen. Daher werden alternativ auch andere Antibiotika verwendet, die nicht-resorbierbar sind und lokal wirken, was zu weniger Nebenwirkungen und Resistenzen führt. Eines dieser Mittel ist Rifaximin, welches jedoch in Deutschland nicht für die SIBO-Behandlung zugelassen ist: Patienten müssen die Kosten für die Therapie größtenteils selbst tragen. Ein weiteres Manko der Antibiotikabehandlung ist der oftmals nur wenige Monate anhaltende Behandlungserfolg, denn danach treten die Symptome meistens wieder auf (Nannen-Ottens und Gewecke, 2017b). Für den Patienten eine entmutigende und frustrierende Situation.
Pro- und Präbiotika als Ergänzung zur Antibiotikatherapie
In einigen Studien hat sich eine Kombination der Antibiotikatherapie mit Pro- und Präbiotika als wirksame Alternative zum reinen Antibiotikaeinsatz mit den genannten Nachteilen erwiesen. So zeigte sich durch Kombination von hydrolisiertem Guarkernmehl mit Rifaximin eine positive Wirkung. Interessant ist, dass dadurch eine Verbesserung der Zusammensetzung der Darmflora und eine erhöhte Ausscheidung auftraten, was die Methode besonders attraktiv macht, da Antibiotika in der Regel die Darmmikrobiota negativ beeinflussen. Allerdings gibt es bisher nicht ausreichend aussagekräftige Studien, um eine klare Empfehlung für diese Kombitherapie aussprechen zu können (Ritchie und Romanuk, 2012).
Pflanzenwirkstoffe – eine mögliche Alternative
Wer vergeblich versucht hat, die Fehlbesiedlung in seinem Dünndarm mit Antibiotika in den Griff zu bekommen, könnte es mit Pflanzenwirkstoffen z. B. in Oregano- und Thymianöl, Berberin- und Wermutextrakt oder auch Goldfaden- und Berberritzenwurzel-Präparaten sowie Pfefferminzöl versuchen. Denn nach Einnahme dieser zeigte sich in Studien eine positive Wirkung bei betroffenen Patienten, denen vorher eine Antibiotikatherapie nicht geholfen hatte (Chedid et al., 2014). Diese schonende und kostengünstige Alternative könnte also einen Versuch wert sein.
Ernährungstherapie
Ein weiterer Ansatz zur Behandlung der Dünndarmfehlbesiedlung bietet eine Ernährungstherapie. Dabei haben sich bestimmte Formuladiäten als erfolgreich erwiesen. Sie bestehen aus fertig zubereiteten Mahlzeiten – meist in Form von Shakes -, die alle relevanten Nährstoffe beinhalten.
In der Behandlung der Dünndarmfehlbesiedlung wird Maltodextrin als Hauptzutat der Formula verwendet. In Abbildung 1 siehst du die Strukturformel von Maltodexgtrin. Mögliche diskutierte Gründe für die positive Wirkung dieses Kohlenhydratgemisches umfassen nach Nannen-Ottens und Gewecke, 2017:
- Die komplette Resorption im oberen Dünndarmabschnitt: Die Nährstoffe kommen bei den unerwünschten Bakterien also gar nicht erst an, sie könnten quasi „ausgehungert“ werden.
- Die vermehrte Ausschüttung von Gallensäuren, was die Motilität des Darms erhöht und die Bakterien in tiefere Dünndarmabschnitte transportieren könnte. Dort könnten sie weniger Schaden anrichten.
- Eine vermutete Antikörpersekretion, die die Mikroorganismen aus dem Dünndarm beseitigen könnte.
- Eine direkte Wirkung auf die Darmmikrobiota, was ihre Zusammensetzung verändern und die Bakterienanzahl reduzieren würde.
Alternative SIBO-Diäten: Kann man die Dünndarmfehlbesiedlung selbst behandeln?
Das Krankheitsbild der Dünndarmfehlbesiedlung gewinnt zunehmend an Bekanntheit, klassische Therapien bewirken aber meist keine dauerhafte Heilung. Es ist also verständlich, dass betroffene Personen nach alternativen Therapieansätzen suchen und hoffen, die Dünndarmfehlbesiedlung selbst behandeln zu können. Verschiedene Diätformen kommen mit dem Versprechen daher, Abhilfe oder zumindest langanhaltende Linderung zu verschaffen.
Tabelle 1 zeigt bekannte Ernährungsformen, die entwickelt wurden, um die Dünndarmfehlbesiedlung selbst behandeln zu können.
Tabelle 1: Gegenüberstellung verschiedener SIBO-Diäten
SIBO specific diet nach Dr. Allison Siebecker
(aus Cedars-Sinai Medical Center a) |
Cedars-Sinai Low Fermentation Diet
(aus Cedars-Sinai Medical Center b) |
Fast Tract Diet
(aus Gudapakkam) |
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FODMAP-arm | FODMAP-arm | keine Eliminationsdiät, alle Lebensmittel erlaubt, in unterschiedlichen Mengen
passende Bücher und App |
4 Kategorien von FODMAP-arm zu FODMAP-reich (grün bis rot) mit Mengenangaben | Ernährungsregeln zur Lebensmittelauswahl,
kein Snacken: mind. 4 h zwischen Mahlzeiten Ziel: sogenannte „cleaning wave“ des Dünndarms ermöglichen, die den Darm reinigt und Voraussetzung für die Verdauung der Nahrung ist |
Punktesystem basierend auf dem Symptompotential der Lebensmittel
Ziel: möglichst wenig fermentierbare Kohlenhydrate (<45 g/d) kohlenhydratarm (ca. 75 g/d) Einbezug von Kohlenhydrat-, Ballaststoff-, Zuckeralkoholgehalt und glykämischem Index |
Stärke (x) | Zuckeralkohole (Sucralose, Sorbitol, Xylitol…) (x) | |
Ballaststoffe (x) | Ballaststoffe (reduziert) (x) | |
Zucker (auch Agavensirup) (x) | Fruktose, Laktose (x)
Haushaltszucker (+) |
|
Präbiotika (x) | Probiotika (x) | |
Gurke, Aubergine, Paprika u. ä. (+) | Gurke, Aubergine, Paprika u. ä. (+) | |
Salat (+) | Salat (x) (oder nur in geringen Mengen) | |
Erdbeeren (+) | ||
Bananen, Kiwis, Weintrauben (+)
Äpfel, Kirschen (x) |
jedes Obst (+)
(Äpfel, Birnen, Bananen wenig) |
|
geringe Mengen Brokkoli & Kohlgemüse (+) | Brokkoli, Kohlgemüse (x) | |
Butter, Kokosöl (+) | Butter (weil Milchprodukt) (x) | |
Nüsse & Samen in limitierten Mengen (+) | alle Nüsse (+) | |
Fleisch, Fisch, Eier (+) | Fleisch, Fisch, Eier (+) | |
Kartoffeln, Mais (x) | einfache Kohlenhydrate (Reis, Kartoffeln, Süßkartoffeln, helles Brot) (+) | |
Kichererbsen (x)
geringe Mengen grüne Linsen (+) |
Hülsenfrüchte (x) | |
Chiasamen (x) | ||
Milch (die ersten Wochen) (x) | Milchprodukte (x) (laktosefreie Milch & Molkenprotein erlaubt) | |
1 bis 3 Monate strenge Umsetzung mit ausschließlich Lebensmitteln aus FODMAP-armer Kategorie, dann langsam Implementierung von Lebensmitteln aus anderen Kategorien |
(x)= nicht erlaubt
(+) = (in gewissen Mengen) erlaubt
Wenn du dir die Tabelle und die in den Diäten erlaubten und verbotenen Lebensmittel anschaust, fällt auf, dass sie sich teilweise widersprechen. Das ist eigentlich kein Wunder, denn so vielfältig wie die Gründe für die Fehlbesiedlung sein können, so unterschiedlich reagieren betroffene Personen auch auf verschiedene Lebensmittel(-inhaltsstoffe). Gemeinsam haben die Diäten jedoch, dass sie die Lebensmittelauswahl stark einschränken und eine Reduktion der fermentierbaren Kohlenhydrate, der sogenannten FODMAPs, anstreben.
FODMAPs
Das Konzept der FODMAP-armen Diät ist noch nicht sehr geläufig, hier ein kleiner Überblick, was es damit genau auf sich hat: FODMAP steht für Fermentable Oligosaccharide, Disaccharide, Monosaccharide And Polyols. Diese Stoffe können von den Darmbakterien verstoffwechselt werden, wodurch es u. a. zur Gasbildung und vermehrten Darmbewegung kommt.
Oligosaccharide sind Kohlenhydrate, die aus mehreren Einfachzuckern aufgebaut sind, z. B. Fruktane, wie Inulin u. a. in Chicorée, Topinambur oder Pastinake, oder auch Galaktane in Hülsenfürchten und Nüssen.
Ein Disaccharid (Zweifachzucker), das einigen Menschen Probleme bereitet, ist z. B. die Laktose in Milchprodukten. Ein Monosaccharid, das in großen Mengen häufig nicht vertragen wird, ist die Fruktose, die hauptsächlich in Obst zu finden ist.
Polyole sind Zuckeralkohole wie Sorbit, Mannit und Xylit, die z. B. in Pfirsichen natürlich vorkommen oder als Zuckeraustauschstoff verwendet werden.
Die Wirkung dieser Inhaltsstoffe auf den Darm ist in der Regel als positiv zu bewerten, bereitet manchen Personen jedoch Verdauungsprobleme, weshalb diese von einer vorübergehend FODMAP-armen Ernährung profitieren könnten.
Unser Fazit
Die bisher unzureichende Therapierbarkeit der Dünndarmfehlbesiedlung führt verständlicherweise dazu, dass Patienten sich nach alternativen Behandlungsmethoden umsehen und hoffen, die Dünndarmfehlbesiedlung selbst behandeln zu können. Eine eigenständige Diagnose und das Experimentieren mit den vorgestellten Ernährungsmethoden können allerdings gefährlich werden, wenn Erkrankte auf gut Glück die Dünndarmfehlbesiedlung selber behandeln möchten. Solltest du also den Verdacht hegen, betroffen zu sein und dieser einschränkenden Ernährungsweise folgen, könnten sich deine Probleme verschlimmern und/oder eine eigentliche Erkrankung unerkannt bleiben. Insbesondere weil ernste Krankheiten zugrunde liegen können, sollte daher immer ein Arzt konsultiert werden, denn die Ursachenbehandlung hat oberste Priorität.
Eine angepasste Ernährung kann dann die Symptome ergänzend lindern. Dafür bieten die vorgestellten Ernährungsformen einen hilfreichen Ansatz, da sie Lebensmittel eliminieren, die den meisten Betroffenen Probleme bereiten. Allerdings solltest du bedenken, dass es keine Belege für ihre allgemeine Wirksamkeit gibt und es sogar gefährlich werden kann, wenn sie ohne professionelle Betreuung und regelmäßige Kontrolle auf Wirksamkeit und Nährstoffmängel durchgeführt werden. Deswegen wird die FODMAP-arme Ernährung als therapeutischer Ansatz immer nur zeitweise durchgeführt.
Unsere Empfehlung: Bedenke, dass solche Ernährungsformen erstens eine Einschränkung der Lebensqualität darstellen und zweitens die Gefahr eines Nährstoffmangels mit sich bringen. Eliminationsdiäten können helfen herauszufinden, welche Lebensmittel problematisch sind und müssen individuell mit professioneller Hilfe angepasst werden. Das Ziel sollte sein, möglichst viele Lebensmittel in den Speiseplan zu integrieren bei möglichst wenig Problemen.
Araz meint
Stellt ihr auch für eine Dünndarmfehlbesiedlung Atemtest zur Verfügung und eventuell Therapie Empfehlung ?
Mit freundlichen Grüßen
Güler Araz
Isabel Bernhauser meint
Hallo liebe Güler,
wir stellen lediglich wissenschaftsbasierte Informationen zur Verfügung, sind jedoch keine medizinische Praxis, welche Messmethoden zu Diagnosezwecken zur Verfügung stellt oder ernährungstherapeutische Beratung anbietet. Ich empfehle dir hierfür einen Arzt/Heilpraktiker deines Vertrauens sowie bei Bedarf einen Diätassistenten aufzusuchen.
Viele Grüße und alles Gute
Isabel
Michaela meint
Wo bekommt man denn in Deutschland fertige Elementar Formular Shakes. In Amerika gibt es die ja schon länger.
Herzliche Grüße
Michaela
Barbara Beil meint
Hallo Michaela,
Produktempfehlungen können wir leider keine aussprechen. Eine Dünndarmfehlbesiedlung sollte immer individuell und in Absprache mit einem Fachmediziner behandelt werden, der dann auch die zur Behandlung notwendigen Produkte empfiehlt und verschreibt. Unseres Wissens nach werden diese Formula-Diäten bislang vor allem in Studien eingesetzt, in welchen sie sich als vielversprechend herausstellten.
Herzliche Grüße,
Barbara