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Die Vegane Ernährungspyramide bietet Orientierung für deinen veganen Speiseplan. Aber warum ist sie so hilfreich und wie sieht sie überhaupt aus? Das erfährst du in diesem Artikel.
Gesundheit, das Ernährungsbewusstsein, die Nachhaltigkeit unseres Planeten, ethische und humanitäre Aspekte: immer mehr Personen entscheiden sich aus einem oder mehreren Gründen heraus für eine vegane Ernährungs- bzw. Lebensweise. Doch eine rein pflanzliche Kost ist nicht per se gesund. Wer seine Lebensmittelauswahl stark einschränkt, den Speiseplan einseitig gestaltet oder viele mikronährstoffarme Produkte wählt riskiert einen Nährstoffmangel und somit gesundheitliche Beeinträchtigungen. Unsere vegane Ernährungspyramide, die auf aktuellen wissenschaftlichen Empfehlungen beruht, hilft bei der Umsetzung einer ausgewogenen und gesundheitsförderlichen veganen Ernährung.
Im Folgenden bekommst du zunächst einen Überblick über verschiedene vegane Kostformen und ihre potenziellen Vor- und Nachteile und lernst die vegane Ernährungspyramide kennen. Das Praktische daran: Sie liefert dir praxisnahe Empfehlungen für deine vegane Ernährung auf dem aktuellen Stand der Wissenschaft.
Vegane Ernährung: das sagt die Wissenschaft
Die American Dietetic Association befürwortet in ihrem Positionspapier eine durchdacht umgesetzte vegane Ernährung in allen Lebensphasen vom Säugling über den Athleten bis hin zum Senioren, bewertet diese als gesund, nährstoffadäquat und erachtet pflanzenbasierte Kostformen als Präventions- und Therapiemaßnahme für bestimmte Zivilisationserkrankungen (Melina et al., 2016).
Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) betont in ihrer Stellungnahme 2016, dass gesunde Erwachsene ein besonderes Augenmerk auf die potenziell kritischen Nährstoffe bei veganer Ernährung legen sollten. Auch in der Ergänzung aus dem Jahr 2020 erachtet sie die Studienlage als nicht ausreichend an, um eine vegane Ernährung während der Schwangerschaft und Stillzeit sowie bei Säuglingen, Kindern und Jugendlichen zu empfehlen (Richter et al., 2016; Richter et al., 2020).
Aus gesundheitlicher Perspektive gibt es Hinweise für den protektiven Charakter einer vollwertigen, ausgewogenen pflanzenbasierten Kost (Medawar et al., 2019; Craig, 2009; Orlich und Fraser, 2014). Aktuelle Reviews zeigen mögliche Zusammenhänge zwischen einer pflanzenbasierten Ernährung, der Prävention und Behandlung von kardiometabolischen Erkrankungen, d. h. jenen des Herz-Kreislauf-Systems, chronischen Erkrankungen wie Diabetes mellitus Typ 2, Krebs und gesünderem Körpergewicht (Heianza et al., 2020; Rees et al., 2021; Rocha et al., 2019; Medawar et al., 2019; Tonstad et al., 2009).
Vegane Ernährungspyramide: Neuester Stand der Wissenschaft
Im Gegensatz zur Ernährungspyramide der DGE, die sich an der mischköstlichen Vollwertkost orientiert, enthält die Vegane Ernährungspyramide kein Fleisch, Milch, Fisch, Eier, tierische Fette und daraus hergestellte Produkte (Rademacher, 2008).
Die vegane Ernährungspyramide kann dich somit bei der praktischen Umsetzung einer vollwertigen und bedarfsdeckenden veganen Ernährung unterstützen. Dafür wurde die Gießener vegetarische Ernährungspyramide weiterentwickelt und angepasst. Die vegane Ernährungspyramide richtet sich sowohl an Veganer selbst als auch an Ernährungsfachkräfte, die sie für ihre Beratung einsetzen können (Weder et al., 2018; Leitzmann et al., 2018).
Hinweise für die Praxis
Anhand der veganen Ernährungspyramide siehst du anschaulich, welche Lebensmittelgruppen täglich im Rahmen einer ausgewogenen veganen Ernährung stehen sollten. Besonders hilfreich ist sie, da du erkennst, in welchem Verhältnis du die Lebensmittel bzw. Lebensmittelgruppen aufnehmen solltest.
Die in der unten stehenden Tabelle 1 aufgeführten empfohlenen Portionsgrößen und -zahlen liefern im Durchschnitt etwa 2050 kcal, 66 g Protein und decken den durchschnittlichen täglichen Mikronährstoffbedarf der 25–50-Jährigen laut DGE. Davon ausgehend kannst du die Mengen nach deinem Bedarf individuell anpassen (Weder et al., 2018).
Lebensmittelgruppen und Verzehrsempfehlungen
Allgemein gesagt lassen sich die Lebensmittel einer veganen Kost in fünf Gruppen einteilen: Gemüse, Obst, Getreide, Hülsenfrüchte sowie Nüsse und Samen. Die Pyramide ist auch in dieser Reihenfolge aufgebaut, was die Empfehlungen zu Aufnahmemengen widerspiegelt, d. h. je weiter unten die Lebensmittel stehen, in umso größeren Mengen kannst du sie essen.
Das Besondere an der veganen Ernährungspyramide: Sie ergänzt das Basisschema um weitere Aspekte, wie Milchalternativen in der calciumangereicherten Variante, pflanzliche Öle und Fette mit DHA und EPA für eine ausreichende Versorgung an mehrfach ungesättigten Fettsäuren, Algenprodukte oder Supplemente zur Deckung des Jodbedarfs sowie das obligatorische Vitamin B12-Supplement und die Empfehlung zur Vitamin-D-Versorgung.
Wichtig: Zwar liefert die vegane Ernährungspyramide den zur durchschnittlichen Bedarfsdeckung benötigten Nährstoffe, doch dein individueller Bedarf kann abweichen. Überprüfe daher regelmäßig deinen Versorgungsstatus anhand der für Veganer wichtigsten Parameter und passe deine Ernährung sowie Supplementation gegebenenfalls in Absprache mit deinem Arzt an. Tabelle 1 kannst du die Verzehrsempfehlungen der Veganen Ernährungspyramide entnehmen.
Tabelle 1: Vegane Lebensmittelgruppen und Mengenempfehlungen für den täglichen Verzehr (modifiziert nach Weder et al., 2018; Leitzmann et al., 2018)
Lebensmittelgruppe | Verzehrsempfehlung (täglich) |
Getränke | etwa 1,5 L Wasser und andere alkoholfreie, energiearme Getränke. Empfehlenswert sind calciumreiche Mineralwässer mit > 400 mg Ca/L. |
Gemüse | mind. 3 Portionen Entspricht insgesamt etwa 400 g. |
Obst | mind. 2 Portionen Entspricht insgesamt etwa 250 g. |
Vollkorngetreide und Kartoffeln | 3 Portionen Eine Portion entspricht ca. 60-75 g (roh) oder ca. 200-250 g (gegart) Getreide und Reis; 2-3 Scheiben à 50 g Vollkornbrot; 125-150 g (roh) Vollkornnudeln oder ca. 2-3 mittelgroße (ca. 200-350 g) Kartoffeln. |
Hülsenfrüchte/(-produkte) | etwa 1 Portion Eine Portion entspricht ca. 40-50 g (roh) oder ca. 150-220 g (gegart) Hülsenfrüchten oder 50-100 g Tofu, Tempeh, Seitan und Lupinenprodukte. |
(angereicherte) Pflanzendrinks | 1-3 Portionen Eine Portion entspricht etwa 100-200 g Pflanzendrink oder pflanzlichem Joghurt. |
Nüsse und Samen | 1-2 Portionen Eine Portion entspricht ca. 30 g. |
Pflanzliche Öle und Fette | 2-3 Portionen 2-3 Esslöffel, davon ein Esslöffel DHA- und EPA-reiches Öl. |
Snacks, Süßigkeiten und Alkohol | Optional und in Maßen. |
Besonderheiten | Vitamin B12 Ganzjährige Supplementierung. Vitamin D Aufenthalte im Freien, Supplemente. Jod Jodiertes Speisesalz, mit jodhaltigen Algen angereichertes Spiesesalz oder Meeresalgen mit definiertem Jodgehalt, Supplemente. Selen Supplemente, Paranüsse mit definiertem Selengehalt. |
Die Grundlage der veganen Ernährungspyramide stellt die Bewegung dar. Diese sollte täglich in unterschiedlicher Form ausgeübt werden. Alltagsbewegung wie die Wege zu Arbeitsstätte und Einkauf und zusätzliches Spazierengehen sind die eine Säule. Die andere ist gezielter Sport in unterschiedlicher Art, am besten eine Kombination aus Ausdauer- und Kraftaspekten sowie gegebenenfalls Dehn- und Beweglichkeitsübungen.
Stufe 1: Getränke
Auf der ersten Stufe der veganen Ernährungspyramide sind die energiefreien Getränke aufgeführt. Mindestens 1,5 L Wasser und Tee sollten täglich getrunken werden. Auch schwarzer Kaffee kann als Flüssigkeitsquelle dienen. Um den Calciumbedarf zu decken müssen 1,5 L calciumreiches Wasser (> 400 mg/L) getrunken werden.
Stufe 2: Gemüse und Obst
Gemüse und Obst stellen nach den Getränken die nächste Stufe der veganen Ernährungspyramide dar und sollten somit gemeinsam in den größten Mengen integriert werden. Fünf Portionen aus abwechslungsreichen Quellen entsprechen der täglichen Empfehlung. Ihre Farbenvielfalt ist auch auf den Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen zurückzuführen, welche gesundheitsfördernde Eigenschaften für den Menschen mit sich bringen.
Stufe 3: Vollkorngetreide und Kartoffeln
Von Vollkorngetreide und Pseudogetreide sowie Kartoffeln werden täglich 3 Portionen empfohlen. Sie versorgen dich mit einer guten Menge an Ballaststoffen. Reis, Dinkel, Hafer, Mais, Quinoa, Buchweizen, Hirse sind ein paar Beispiele. Auch die daraus hergestellten gering verarbeiteten Produkte wie Brot, Nudeln, Haferflocken und Co. fallen darunter. Dabei entspricht 1 Portion beispielsweise 60–75 g Reis (roh), 100–150 g Vollkornbrot oder ca. 200–350 g Kartoffeln.
Stufe 4: Hülsenfrüchte; Pflanzendrinks und -joghurts; Nüsse und Samen
Die nächste Stufe teilen sich Hülsenfrüchte, Pflanzendrinks, Nüsse und Samen sowie daraus hergestellte Produkte.
Die Hülsenfrüchte selbst sowie damit produzierte Produkte wie beispielsweise Tofu, Tempeh und manches Fleischersatzprodukt stellen eine bedeutende Proteinquelle in der veganen Ernährung dar. Ungefähr eine Portion von etwa 40-50 g rohen Hülsenfrüchten oder 100 g Tofu bzw. Tempeh sollten es täglich sein, um die ausreichende Aminosäureaufnahme sicherzustellen. Tofu und Tempeh liefern außerdem noch eine gewisse Menge Calcium.
Milchalternativen aus Hülsenfrüchten, Getreide, Nüssen oder Samen solltest du, wenn käuflich erworben, in der calciumangereicherten Variante konsumieren. Manche enthalten auch weitere Vitamine und Mineralstoffe wie Eisen, Vitamin D und Vitamin B12. Vor allem die Mengen der letzten beiden reichen aber meist nicht zur Bedarfsdeckung aus, insbesondere wenn sie nicht regelmäßig konsumiert werden und ein Supplement muss ergänzend eingenommen werden.
Von Pflanzendrink oder -joghurt sollten 1–3 Portionen zu je 100–200 g pro Tag aufgenommen werden. Pflanzencuisine und „Frischkäse“ kannst du je nach Zutaten und Nährwerten auch teilweise dazu zählen. Oft enthalten sie aber primär Fett.
Dann zählen sie wie Nüsse und Samen primär zu den Fettquellen. Doch letztere sollten als vollwertige Lebensmittel in der größeren Menge verzehrt werden. Denn sie liefern auch Ballaststoffe und Mikronährstoffe sowie gewisse Mengen Aminosäuren. 30-60 g von ihnen werden empfohlen.
Stufe 5: Fette und Öle
Als ergänzende Fettquelle können pflanzliche Öle und Fette wegen ihres konzentrierten Fettsäureanteils dienen. Sie beeinflussen Textur und Aroma der Speisen. Es dürfen 2–3 EL pro Tag sein. Ein Esslöffel davon sollte aber ein DHA- und EPA-reiches Öl sein. Dieses kannst du aufgrund des Fettsäuremusters nicht erhitzen, sondern kannst es beispielsweise über den Salat geben. Alternativ kannst du das Öl auch in Kapselform aufnehmen.
Stufe 6: Alkohol und mikronährstoffarme Snacks
Ist dein Mikronährstoff- sowie Ballaststoffbedarf gedeckt, so kannst du mikronährstoffarme Snacks wie Gebäck, Schokolade, Eis, Chips und Co. sowie Alkohol in Maßen ergänzen. Bedenke ihre meist hohe Kaloriendichte.
Besonderheiten
Die vegane Ernährungspyramide zeichnet sich dadurch aus, dass sie speziell für Veganer wichtige Empfehlungen gibt, die über die grundlegende Ernährung hinausgehen und Ergänzungen dieser beinhalten.
Neben den bereits erwähnten Omega-3-Quellen Mikroalgenöl, angereicherte Pflanzenöle oder Supplemente mit DHA und EPA und dem obligatorischen Vitamin-B12- sowie für die meisten empfehlenswerten Vitamin-D-Supplementen gibt es ein paar weitere Nährstoffe, die oft nur schwer über die alltägliche Ernährung gedeckt werden können.
Genau wie Mischköstler sollten Veganer bevorzugt zu jodiertem Speisesalz greifen. Ergänzend oder auch alternativ stellen Meeresalgen, wie beispielsweise Nori, eine Ergänzung des Speiseplans dar, um den Jodbedarf zu decken. Für die Versorgung mit Selen kannst du auf Paranüsse und auf Gemüse aus Übersee zurückgreifen. Bei beiden Nährstoffen Jod und Selen gilt aber: Über diese Quellen nimmt man in der Regel eine unbekannte Menge des Stoffes auf und kann damit potenziell eine Unter- oder Überversorgung riskieren. Eine definierte Quelle stellen Nahrungsergänzungsmittel dar.
Auskunft darüber, ob weitere Nährstoffpräparate sinnvoll sind sowie über die notwendige Dosierung gibt eine Untersuchung der relevanten Gesundheitsparameter, die du beim Arzt durchführen lassen kannst.
Bioverfügbarkeit verbessern
Ergänzend zur Veganen Ernährungspyramide hilft dir das Wissen über Tricks, mit welchen du die Bioverfügbarkeit einiger potenziell kritischer Nährstoffe bei veganer Ernährung anheben kannst.
Dabei hilft es zum einen, aufnahmehemmende Faktoren während der Mahlzeit wegzulassen oder durch bestimmte Zubereitungsmethoden zu reduzieren und zum anderen aufnahmefördernde Faktoren zur Mahlzeit zu ergänzen.
Zu den hemmenden Inhaltsstoffen zählen beispielsweise Tannine, welche in grünem und schwarzem Tee enthalten sind. Du solltest sie folglich eher mit etwas Abstand zu den Mahlzeiten trinken.
Zudem können Zubereitungsmethoden wie Keimen, Einweichen oder der Fermentationsprozess resorptionshemmende Substanzen, wie Phytinsäure und Oxalate, vermindern und somit die Aufnahme und Verwertung im Darm erhöhen.
Dementgegen fördern beispielsweise Vitamin C oder organische Säuren die Aufnahme bestimmter Mineralstoffe, z. B. von Eisen und Zink. Daher ist es vorteilhaft, wenn du Vitamin-C-haltige Lebensmittel (z. B. Paprika) oder Getränke (z. B. Orangensaft) gleichzeitig zur Mahlzeit einnimmst
Richtest du dich nach den Empfehlungen zur Lebensmittelauswahl aus der Veganen Ernährungspyramide, erhöhst du auch die Proteinverwertbarkeit aus den pflanzlichen Nahrungsmitteln. Durch die Kombination nimmst du alle essenziellen Aminosäuren in den notwendigen Mengen auf.
Beispielsweise enthält Getreide nur geringe Mengen der Aminosäure Lysin (sie stellt die limitierende Aminosäure dar), welche dafür ausreichend in Hülsenfrüchten vorliegt. Für die Aminosäure Methionin ist Umgekehrtes der Fall; sie ist reichlich in Getreide, allerdings kaum in Hülsenfrüchten vorhanden. Weitere Kombinationsmöglichkeiten kannst du Abbildung 1 entnehmen. Eine abwechslungsreiche pflanzliche Ernährung entsprechend der Veganen Ernährungspyramide gewährleistet somit eine bedarfsdeckende Aufnahme aller Aminosäuren.
Vegane Ernährungsformen hinterfragt
Innerhalb der veganen Ernährung haben sich teilweise ganz unterschiedliche Ernährungsformen entwickelt, welche den eben genannten Empfehlungen auf Basis der Veganen Ernährungspyramide geringfügig bzw. stärker widersprechen. Befürworter dieser Ernährungsformen kommen jedoch oft aus dem Bereich Medizin und Ernährung, weshalb ihre Hypothesen überzeugend scheinen. Im Folgenden erhältst du einen Einblick in ein paar dieser Ernährungsformen sowie ihre Vor- und Nachteilen.
Eco-Atkins
Dieses Konzept ist die pflanzliche Version der kohlenhydratarmen Kost von Dr. Atkins. Das Prinzip beruft sich auf eine Studie, in der eine hypokalorische kohlenhydratarme, aber proteinreichere pflanzliche Kost das Blutfettprofil (LDL- und HDL-Cholesterin-Verhältnis) der übergewichten Probanden mit Hyperlipidämie günstig zu beeinflussen schien, was bei der herkömmlichen Atkins-Diät mit tierischen Proteinen und Fetten in der Regel nicht der Fall ist. Bei dieser Ernährungsform konsumiert man primär pflanzliche Protein- (Soja, Gluten) sowie Fettquellen (Nüsse, Öle, Avocados) und reduziert die Kohlenhydrataufnahme aus Obst, Gemüse und Getreideprodukten auf geringe Mengen (Jenkins et al., 2009).
Neben der Körpergewichtsreduktion sind mögliche Gründe für die positive Wirkung auf das Verhältnis von LDL- und HDL-Cholesterin sowie die Triglyzeridkonzentration die vermehrte Aufnahme von Nüssen und anderen pflanzlichen Fettquellen sowie der höhere Proteinanteil aus Sojaprodukten und die geringere Glykämische Last der Ernährung. Außerdem supplementierten die Probanden der oben genannten Studie während der Intervention Vitamin B12, Vitamin D, Calcium und Magnesium, was sich positiv auf die Blutfettwerte ausgewirkt haben könnte.
Der geringe Kohlenhydratanteil in der Ernährung aus Getreide, Obst, Gemüse und Hülsenfrüchten steht im Gegensatz zu den Empfehlungen der Veganen Ernährungspyramide. Mögliche Nachteile einer solchen fettreichen und kohlenhydratarmen Ernährungskost sind die teilweise schlechtere Verträglichkeit und dass essenzielle Nährstoffe, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe aus Obst und Getreide zu kurz kommen können.
Starch Solution
Die sogenannte „Starch Solution“ prägte Dr. John McDougall, ein US-amerikanischer Mediziner. Hierbei spielen, wie sich aus dem Namen herauslesen lässt, Kohlenhydrate aus stärkehaltigen Quellen die primäre Rolle. Somit stellt diese Ernährungsform ein gegenteiliges Konzept zu Low-Carb-Diäten dar. Dabei stehen komplexe Kohlenhydrate, wie sie auch in der Veganen Ernährungspyramide empfohlen werden, im Mittelpunkt, der Obstkonsum sollte gering ausfallen.
Die wenigen erlaubten Mengen an Fett entstammen vollwertigen Lebensmitteln wie Avocados, Nüssen und Samen; Öle sind vollständig verboten (McDougall und McDougall, 2013). Da isolierte Fette und Öle in der Küchenpraxis teilweise wichtige Funktionen übernehmen, ist diese Form der Ernährung für viele eine große Umstellung und wenig praxisnah.
Lebensmittel mit komplexen Kohlenhydrate und die damit aufgenommenen Ballaststoffe sorgen für eine gesunde Verdauung, ausgeglichene Blutzuckerspiegel, unterstützen anhaltende Sättigung und enthalten Mikronährstoffe sowie sekundäre Pflanzenstoffe. Zudem ist eine Ernährung, welche vollwertige Lebensmittel bevorzugt, oft insgesamt ernährungsphysiologisch positiver als eine Ernährung mit vielen stark verarbeiteten Produkten. Mögliche positive Wirkungen sind also eher darauf zurückzuführen als auf den hohen Stärkeanteil.
Mit Ausnahme des DHA- und EPA-reichen Öls, welches Teil der Veganen Ernährungspyramide ist, ist die isolierte Aufnahme von Fetten und Ölen nicht unbedingt notwendig, wenn sonst ausreichend Fette über die Ernährung aufgenommen werden. Insgesamt sollte die gesamte Fettaufnahme nicht zu niedrig ausfallen, da dies zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann.
Vegane Rohkost
Die rein pflanzliche Rohkosternährung basiert auf unerhitzter bzw. bis auf maximal 42 °C erhitzter Nahrung, was zahlreiche Nährstoffe und Enzyme (Proteine) in den Lebensmitteln erhalten soll. Da es im Rahmen der Verdauung aber sowieso zur Denaturierung und damit zum Verlust der Funktionsfähigkeit der Enzyme kommt, geht damit kein Vorteil einher. Zudem werden manche Inhaltsstoffe erst durch Erhitzen besser verfügbar.
Innerhalb der veganen Rohkostszene findet man jedoch unterschiedliche Strömungen; so wird entweder hauptsächlich auf Obst gesetzt oder auf Grünes aus dem Pflanzenreich. Ein Vertreter der Rohkostbewegegung ist z. B. Dr. Douglas Graham mit seiner bekannten „80/10/10 diet“, die mit 80 % der Nahrungsenergie den Fokus auf Kohlenhydrate – bevorzugt aus Früchten – legt und die restlichen 20 % aus Proteinen und Fetten bezieht (Graham, 2006).
Die bei dieser Form der Rohkost sehr geringe Protein- und Fettaufnahme sowie die insgesamt eingeschränkte Lebensmittelauswahl entspricht nicht den Empfehlungen der Veganen Ernährungspyramide und kann mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen einhergehen.
Wer seine Lebensmittelauswahl so stark einschränkt, muss andere Aspekte in der Ernährung optimieren, um eine ausreichende Nährstoffaufnahme gewährleisten zu können. Daher gewinnen bestimmte Zubereitungsmethoden, wie das Keimen oder Fermentieren von Lebensmitteln, an Bedeutung, denn diese erhöhen die Bioverfügbarkeit der Nährstoffe.
Außerdem ist die Energiedichte der verzehrten Nahrung in der Regel geringer als bei gekochten Speisen, insbesondere, wenn Rohköstler wenig energiedichte Nahrungsmittel wie Nüsse und Samen integrieren. Daher müssen sie größere Mengen Lebensmitteln aufnehmen. Gelingt ihnen dies nicht und/oder achten sie nicht ausreichend auf Lebensmittelauswahl und -zubereitung, kann es vor allem anfangs zu Gewichtsverlust und gegebenenfalls zu Nährstoffmängel kommen. Zudem kann durch die geringe Fettaufnahme in den extremen Formen der Bedarf an essenziellen Fettsäuren nicht gedeckt werden und auch das Risiko für eine zu geringe Proteinaufnahme besteht, wenn Rohköstler nicht explizit darauf achten.
Zusammenfassung: Umsetzung einer gesunden veganen Ernährung
Eine rein pflanzliche Kost kann nicht nur ethisch und ökologisch vorteilhaft, sondern wissenschaftlich belegt gleichzeitig sehr gesund sein. Die Vegane Ernährungspyramide setzt wissenschaftlich fundiertes Wissen in praktische Alltagsempfehlungen um, indem sie Verzehrsempfehlungen herausgibt.
Unterschiedliche Formen der veganen Ernährung können individuellen Vorlieben oder Abneigungen gerecht werden. Wenn sie sehr einseitig sind und die Lebensmittelauswahl stark einschränken, solltest du sie aber kritisch hinterfragen. Letzten Endes gibt dein Wohlbefinden, die Leistungsfähigkeit sowie die Blutwerte Auskunft über deinen Gesundheitsstatus.
Für deinen praktischen Überblick über eine ausgewogene vegane Ernährung kannst du dir unsere Vegane Ernährungspyramide hier herunterladen, ausdrucken und beispielsweise in der Küche aufhängen.
Der Inhalt dieses Artikels kann und soll eine individuelle Vegane Ernährungsberatung nicht ersetzen. Im Verzeichnis für Vegane Ernährungsberatung findest du – in deiner Nähe vor Ort oder online – fachkundige Unterstützung.
Pauline meint
Hallo,
kann man Eure vegane Ernährungspyramide als Poster kaufen oder als PDF ausdrucken? Ich würde auch dafür bezahlen.
Liebe Grüße, Pauline
Isabel Bernhauser meint
Hallo liebe Pauline,
die vegane Ernährungspyramide kannst du dir am Ende des Artikels als PDF herunterladen (Button: Ernährungspyramide PDF) bzw. ist hier der Link dazu. Viel Freude damit! 🙂
Ganz liebe Grüße,
Isabel!
Axel Scheer meint
Guten Tag,
gehört Honig nicht zur veganen Ernährung? Auf so was Gutes würde ich nicht verzichten.
MfG
Axel Scheer
Isabel Bernhauser meint
Hallo lieber Axel,
streng genommen zählt Honig nicht zu den veganen Lebensmitteln. Jedoch verzehren manche Personen, die sich grundsätzlich rein pflanzlich ernähren, ab und an etwas Honig.
Ernährungsphysiologisch gesehen ist Honig aufgrund des sehr hohen Anteils an leicht resorbierbaren Kohlenhydraten (ca. 80 %) ähnlich zu bewerten wie alternative Süßungsmittel (z. B. Sirupe und Dicksäfte) oder der übliche Haushaltszucker. Denn die Vitamin- und Mineralstoffgehalte sind zu gering, um einen nennenswerten Beitrag zur Nährstoffversorgung zu leisten. Interessant ist jedoch der Gehalt an Antioxidantien wie z. B. Flavonoiden. In einigen Studien konnte in diesem Zusammenhang eine Reduktion kardiovaskulärer Risikofaktoren beobachtet werden. Dazu kannst du dir bei Interesse diese Publikation von Cianciosi et al. (2018) durchlesen.
Herzliche Grüße,
Isabel!