Zubereitungsmethoden, wie das Keimen oder auch die Fermentation von Lebensmitteln, können sich sowohl ernährungsphysiologisch als auch technologisch vorteilhaft auswirken. Der Fermentationsprozess hat bereits sehr lange Tradition, erfreut sich in bestimmten Kulturen heutzutage großer Beliebtheit bzw. wird in den industrialisierten Ländern biotechnologisch durchgeführt.
Den meisten ist die Gemüse- oder Sauerteiggärung mit den damit zusammenhängenden Milchsäurebakterien ein Begriff; zwei klassische Methoden der Fermentation. Allerdings unterliegt, wer hätte es gedacht, ein Drittel unserer Nahrungsmittel der Erzeugung mittels Fermentation (Berghofer und Zunabovic, 2016). Was sich hinter dem mikrobiellen Prozess und den daraus resultierenden Vorteilen auf Lebensmittel und Gesundheit verbirgt, beleuchten wir im Folgenden.
Fermentierte Lebensmittel: Bedeutung
Der Begriff der Fermentation oder des Fermentierens geht auf den französischen Biochemiker Louis Pasteur zurück, welcher die Gärung von organischem Material (Lebensmittel) zu Säure, Gase oder Alkohol beschreibt. Dabei handelt es sich um einen natürlichen Vorgang, der unter sauerstoffarmen Bedingungen abläuft. Voraussetzung ist die Anwesenheit von Mikroorganismen, beispielsweise den Milchsäurebakterien, welche den Kohlenhydratanteil des Nahrungsmittels zu niedermolekularen Anteilen verarbeiten (Farnworth, 2008).
Dieser Prozess bringt technologische sowie für den Verbraucher ernährungsphysiologische Vorteile mit sich, weshalb man die Fermentation in der Biotechnologie und Lebensmittelindustrie gezielt einsetzt. Mit der traditionellen Bier- und Weinherstellung fing es an; Gemüse, Getreide, Hülsenfrüchte wurden nach und nach fermentiert und der Zusatz von ausgewählten Mikroorganismen zu Milch revolutionierte die Milch- bzw. Käseindustrie. Heutzutage werden probiotische Kulturen, d. h. für unser Darmmilieu nutzbare Mikroorganismen, bestimmten Lebensmittel beigesetzt, was die Mikroflora des Dickdarms positiv beeinflussen kann.
Der Fermentationsprozess
Ganz allgemein gesprochen handelt es sich beim Prozess der Fermentation (fermentum, lat. „Gärung“) um einen biochemischen Akt, der mit Hilfe von Kleinstorganismen abläuft. Das können Bakterien, Schimmelpilze oder Hefen sein. Sie transformieren durch stoffwechseleigene Enzyme in sauerstoffarmer Umgebung organische Stoffe aus pflanzlicher oder tierischer Herkunft zu Stoffwechselintermediaten (z. B. Zucker, Milchsäure und Kohlendioxid). Durch diese Säure sinkt der pH-Wert des umgebenden Milieus, was das Wachstum unerwünschter Bakterien oder Pilze unterdrückt; der Grund, warum die Fermentation schon seit Jahrhunderten als Konservierungsmethode ihren Einsatz findet (Sabersky, 2017).
Ursprünglich wurde die Fermentation als ein komplett anaerob ablaufender Vorgang definiert, d. h. ohne jegliche Zufuhr von Sauerstoff. Heutzutage werden allerdings auch manche Fermentationsvorgänge unter Einwirkung von Sauerstoff (aerob) durchgeführt, beispielsweise die Essigherstellung.
Probiotika
Milchsäurebakterien (Lactobazillen) zählen zu den sogenannten Probiotika, ein Begriff, der aus dem Griechischen stammt und so viel wie „für das Leben“ bedeutet. Dabei handelt es sich um Mikroorganismen, die bestimmten Lebensmitteln zugesetzt, somit oral konsumiert werden und das intestinale Bakterienmilieu positiv beeinflussen (Farnworth, 2008).
Kultureller Einsatz
Die Fermentation erlangte bereits sehr frühzeitig Einzug in die Zubereitungsmethoden der Gesellschaft und ist nach der Trocknung von Lebensmitteln die älteste Konservierungsstrategie. Die Bevölkerung erkannte rasch, dass man Nahrungsmittel dadurch nicht nur haltbar machen kann, sondern gleichermaßen sensorisch vorteilhafte Veränderungen erzielt werden; zugleich stellte sich ein ernährungsphysiologischer, gesundheitlicher Wert heraus, weshalb sich die Fermentation verbreitete und in manchen Kulturen immer noch Einsatz findet (Farnworth, 2008). Zu Zeiten Pasteurs im 19. Jahrhundert wurde das Wissen über diesen „Gärungsprozess“ erweitert und verbreitet, weshalb die Fermentation heute nicht nur im Lebens- und Genussmittelsektor, sondern ebenso biotechnologisch von der Pharmaindustrie oder bei der Biogasherstellung verwendet wird.
Ein bekanntes Beispiel für den kulturellen Einsatz von fermentierten Lebensmitteln ist der südostasiatische Raum; Indien gilt als Ursprungsland der Fermentation, wo auch heute noch traditionelle Gerichte, wie beispielsweise Idli, ein aus Bohnen und Reis fermentiertes Küchlein, verzehrt wird (Durgadevi und Shetty, 2012). Aber auch in Korea werden Gerichte aus fermentierten Lebensmitteln oder Zutaten und deren gesundheitlich vorteilhaften Effekte (verdauungsfördernd und antikanzerogen) geschätzt (Shin und Jeong, 2015). China erfreut sich seit jeher an „vergorenen“ Speisen, z. B. aus Soja oder auch aus Gemüse hergestellt (Chen et al., 2016). Aber auch afrikanische Bevölkerungsgruppen profitieren von Fermentiertem, nicht nur aus gesundheitsfördernder Betrachtungsweise. Kulturell und sozioökonomisch nehmen fermentierte Lebensmittel und Getränke in Namibia einen beachtlichen Stellenwert ein (Misihairabgwi und Cheikhyoussef, 2017).
Fermentierte Lebensmittel: Vorteile
Konservierungsmethode
Ökonomisch betrachtet spielt das Haltbarmachen von Lebensmitteln eine enorm große Rolle. Dies geschieht in der Regel durch Schockgefrieren, Trocknen oder durch die Zugabe von Zucker, Salz bzw. Säure. Durch diese Methoden wird den Mikroorganismen, welche zur Fäulnis der Lebensmittel beitragen, der Nährboden entzogen.
Bei der Fermentation produzieren die anwesenden Mikroorganismen aus dem organischen Material bestimmte Stoffwechselprodukte, d. h. Säuren, Gase oder Alkohol, welche einen für die unerwünschten Kleinstlebewesen ungünstigen Nährboden schaffen. Somit wird die negative Eigenschaft von Mikroorganismen, die Lebensmittel verderblich zu machen, in einen für den Menschen nützlichen Aspekt umfunktioniert und zielgerichtet, d. h. anhand von ausgewählten Bakterienstämmen, eingesetzt (Berghofer und Zunabovic, 2016).
Milchsäurevergorene Lebensmittel gehen im Herstellungsprozess mit keinen nennenswerten Nährstoffverlusten einher und benötigen im Vergleich zu anderen Konservierungsmethoden (Einfrieren, Erhitzen, Bestrahlen) keinerlei Energieaufwand. Zudem erhöht sich dadurch die Bekömmlichkeit und es kommt zu gesundheitlich wertvollen Effekten.
Gesundheitlicher Nutzen
Fermentierte Lebensmittel, welche mit probiotischen Milchsäurebakterien verarbeitet wurden, leisten einen wertvollen Beitrag zum Verdauungsprozess. Die Mikroflora, d. h. die Bakterienkulturen des Dickdarms, besteht aus vielen Bakterienstämmen, darunter primär die Bacteroides-Stämme E.Coli und Bifidobakterien, aber auch Lactobazillen, sprich Milchsäurebakterien (Jandhyala et al., 2015). Durch den regelmäßigen Verzehr von Produkten mit den darin enthaltenen Kleinstlebewesen, können diese die Darmmikrobiota unterstützen; beispielsweise stärken Lactobazillen eine intakte Darmbarriere, was mit dem verringerten Eindringen unerwünschter Bakterien in unser Blutsystem einhergeht. Dadurch kann gastrointestinalen sowie entzündlichen Erkrankungen entgegengewirkt werden (Hemarajata und Versalovic, 2013). Allerdings helfen nicht alle auf dem Markt erhältlichen probiotischen Lebensmittel allen Konsumenten. Zum einen muss das Produkt regelmäßig über mind. mehrere Tage hinweg verzehrt werden, um überhaupt einen Effekt zu erkennen. Andererseits ist unsere bakterielle Darmbesiedlung ein individuelles Unikat, weshalb nicht jede Person gleichermaßen von diesen Produkten profitiert (Donner, 2007).
Durch die Anwesenheit einer gesunden Mikroflora wird die Bildung kanzerogener Substanzen im Darm verringert; durch die Säurebildung der Bakterien kommt es zu einer Absenkung des pH-Wertes im Colon, was die Umwandlung von primärer in die krebserregende sekundäre Gallensäure unterdrückt (Jacob et al., 2013). Ebenso haben unerwünschte Mikroorganismen keine Chance mehr, sich zu vermehren (Dittrich und Becker, 1999). So gibt es Hinweise darauf, dass der regelmäßige Konsum fermentierter Lebensmittel oder Probiotika das Risiko für Dickdarmkrebs verzögern bzw. unterbinden kann (Wollowski et al., 2001).
Ernährungsphysiologische Relevanz
Eine Verbesserung der Verdaulichkeit sowie der Bioverfügbarkeit von Nährstoffen aus den Lebensmitteln kann auf den enzymatischen Aufschluss schwer verdaulicher Stoffe durch die Mikroorganismen zurückgeführt werden (Englert und Siebert, 2016). Die Bakterienstämme sind überdies dazu in der Lage, für den Wirt Mensch ernährungsphysiologisch relevante Substanzen, wie Aminosäuren und Vitamine, zu synthetisieren. Gleichzeitig können sie wertmindernde Stoffe, wie z. B. Mykotoxine in Getreide oder Enzyminhibitoren in Hülsenfrüchten abbauen (Krämer und Prange, 2017). Sie sind dazu in der Lage, eine Reihe an B-Vitaminen, wie Riboflavin, Folsäure oder auch Vitamin B12 zu produzieren (Thakur et al., 2016; LeBlanc et al., 2011). So können fermentierte Lebensmittel einen geringfügigen Beitrag unserer Vitaminversorgung leisten; allerdings kann der alleinige Verzehr von Fermentiertem nicht den Vitamin B12-Bedarf bei einer rein pflanzlichen Kost decken.
Genussfaktor
Im Vergleich zu anderen Konservierungsmethoden entstehen beim fermentativen Prozess sensorisch erwünschte Stoffe. Zum einen verändert sich das Aroma, zum anderen aber auch die Konsistenz der Lebensmittel. Dadurch kann der Genussfaktor der Speisen für den Verbraucher erhöht werden; ein gutes Beispiel ist Weißkohl, der zum weniger kauintensiven sowie aromatischen Sauerkraut fermentiert wird (Sabersky, 2017).
Fermentierte Lebensmittel: Beispiele
Sauergemüse ist ein bekanntes Exemplar unter den fermentierten Lebensmitteln, bei denen die Milchsäuregärung durch den pH-Abfall (<4) aus dem frischen Gemüse ein länger haltbares Produkt macht. Beim Sauerkraut werden z.B. die sensorischen Eigenschaften, Textur sowie Verdaulichkeit verändert bzw. verbessert. Die Zugabe von Salz zu dem Gemüse entzieht einerseits unerwünschten Mikroorganismen den Nährboden, während die Milchsäurebakterien das salzige Milieu tolerieren. Andererseits werden leicht vergärbare Kohlenhydrate durch das hygroskopische Salz aus der Zelle befördert; zwei Faktoren, welche die Konservierung fördern.
Auch Brot wird mit Hilfe von Kleinstlebewesen, den Hefen, hergestellt, indem sie die Lockerung des Teiges generieren. Sie produzieren im Teigreifungs- bzw. Gärungsprozess das Gas Kohlendioxid, was den Teig „gehen“ lässt. Beim Sauerteig werden neben der verbesserten Backeigenschaft erwünschte Aromastoffe gebildet, die Verdaulichkeit verbessert sowie durch die Absenkung des pH-Wertes das Wachstum unerwünschter Organismen gehemmt.
Der asiatische Raum verwendet bevorzugt die Sojabohne als Hülsenfrucht, um daraus fermentierte Produkte herzustellen. Tempeh, Miso, Tofu, Sufu oder Natto sind bekannte Vertreter der Sojaprodukte.
Aber auch Getränke und Genussmittel wie Tee, Kaffee, Kakao oder Alkohol gehen auf einen fermentativen Prozess zurück.
Fermentierte Lebensmittel in der Ernährung
Fermentierte Lebensmittel finden seit jeher Einzug in die Küche und pflegen in ausgewählten Ländern auch kulturelle Tradition. Ob sauer eingelegtes Gemüse, die Produktion von Brot, fermentierte Sojaprodukte oder auch Getränke und Genussmittel; der Einsatz des altbekannten Gärungsprozesses findet bei der Verarbeitung eines großen Anteils unserer Lebensmittel Verwendung.
Dabei können fermentierte Lebensmittel eine Reihe an Vorteilen bieten, beispielsweise die Haltbarkeit verlängern, erwünschte Geschmacksstoffe produzieren, den Nährwert anheben, die Textur sowie die Verdaulichkeit verbessern. Probiotische Stämme, wie Bifido- bzw. Laktobazillen, weisen gesundheitsförderndes Potenzial auf; allerdings ist ein regelmäßiger Verzehr der entsprechenden Lebensmittel, d. h. einige Tage aufeinanderfolgend, vonnöten, um von dem Vorteil Nutzen zu erlangen.
Der Inhalt dieses Artikels kann und soll eine individuelle Vegane Ernährungsberatung nicht ersetzen. Im Verzeichnis für Vegane Ernährungsberatung findest du, in deiner Nähe vor Ort oder online, fachkundige Unterstützung.
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