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Vitamine der B-Gruppe lassen sich mit Ausnahme von Vitamin B12 (Cobalamin) über eine vegane Ernährung in der Regel unschwer zuführen. Vitamin B2, auch Riboflavin genannt, ist sowohl in tierischen als auch in pflanzlichen Lebensmitteln vorhanden. Letztere Quellen enthalten jedoch geringere Mengen, zudem ist die hohe Lichtempfindlichkeit des Vitamins zu erwähnen. Unsere Gesellschaft deckt ihren Vitamin B2-Bedarf primär über Milch und Milchprodukte. Dennoch lässt sich unser Bedarf an Riboflavin vegan mit einem Augenmerk auf riboflavinreiche Lebensmittel problemlos decken. Mängel treten in der Regel nie isoliert, sondern eher vergesellschaftet mit anderen Vitaminen der B-Gruppe auf.
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Weitere InformationenFunktionen
Riboflavin übernimmt eine wichtige Funktion im Prozess der Energiegewinnung aus den Nährstoffen unserer Nahrung. Dabei ist es am Abbau von Kohlenhydraten, Fetten und Eiweißen beteiligt, aus denen letztlich chemische Energie in Form von Adenosintriphosphat (ATP) produziert wird. Es dient als Kofaktor und somit Helfer von Enzymen, die diese Stoffwechselvorgänge ermöglichen.
Zudem ist Riboflavin, ebenso als Kofaktor, in antioxidative (zellschützende) Prozesse mit eingebunden. Es dient uns der Immunabwehr, schützt Nervenzellen und übernimmt eine entscheidende Funktion beim Wachstum und der Entwicklung des menschlichen Organismus.
Bei den Vitaminen der B-Gruppe handelt es sich allesamt um wasserlösliche Substanzen, deren Speicherkapazität – mit Ausnahme von Vitamin B12 – im Körper stark begrenzt ist. Riboflavin kann lediglich wenige Wochen konserviert werden. Dabei dienen hauptsächlich die Leber, Niere und der Herzmuskel als Speicherort.
Bioverfügbarkeit
Riboflavin besitzt einerseits eine hohe Stabilität gegenüber Hitze und Säure. Zum anderen können aber wegen seiner hohen Empfindlichkeit gegenüber Licht große Verluste entstehen. Deshalb ist bei der Lagerung riboflavinhaltiger Lebensmittel auf den entsprechenden Lichtschutz zu achten.
Schonende Zubereitungsmethoden, wie z.B. Dünsten oder Garen, werden außerdem empfohlen. Dadurch können wir Vitaminverluste auf einen Wert von ca. 20 % herabsenken (Bässler et al., 2002). Sofern man Lebensmittel in Wasser kocht, können durch die Mitverwendung des Kochwassers Verluste umgangen bzw. reduziert werden.
Bedarf und Status
Der Bedarf an Riboflavin wird individuell, in Abhängigkeit von der körperlichen Aktivität und somit vom Energieumsatz, bestimmt. Hierbei wird eine Mindestzufuhr empfohlen, die experimentell analysiert wurde und sich auf 0,6 mg/1000 kcal/Tag beläuft. Daraus lassen sich Empfehlungen ableiten, die von der DGE geschlechtsspezifisch ausgegeben werden. Diese liegen für Männer bei 1,4 mg und für Frauen bei 1,1 mg (DGE, 2016). Letztere gilt als unterste Zufuhrempfehlung, weshalb auch Personen mit einem sehr geringen Energieumsatz und Senioren diese Menge nicht unterschreiten sollten.
Für den Wachstumsprozess des Fetus benötigen schwangere Frauen ein Plus von 0,3 mg und Stillende sogar 0,4 mg mehr an Riboflavin. Wie bereits erwähnt steigt der Bedarf durch erhöhte körperliche Aktivität, beispielsweise bei Sportlern. Aber auch Personen mit einem hohen Stresspegel werden größere Mengen an Riboflavin empfohlen, um einer zellschädigenden und immunschwächenden Wirkung entgegenzuwirken. Anhand einer Gruppe älterer Personen konnte bei erhöhter Riboflavingabe sogar das Absenken der Homocystein-Konzentrationen im Blut nachgewiesen werden (Tavares et al., 2009). Homocystein stellt ein Stoffwechselzwischenprodukt dar, das bei Akkumulation im Organismus als Indikator für Herz-Kreislauf-Erkrankungen gilt. Beispielsweise begünstigt ein Vitamin B12-Mangel das Ansteigen an Homocystein im Blut.
Zur Überprüfung seines Versorgungszustandes kann einerseits ein Ausscheidungstest über den Harn durchgeführt werden. Da es sich bei dem Vitamin um eine wasserlösliche Substanz handelt, erfolgt die Ausscheidung primär über die Niere. Verminderte Ausscheidungswerte deuten auf eine unzureichende Versorgung mit Riboflavin hin.
Zum anderen ermöglicht uns ein Belastungstest, die langfristige Versorgung mit Riboflavin anzuzeigen. Dabei wird Riboflavin in seiner physiologisch aktiven Form (FAD) verabreicht und die Aktivität eines Enzyms in den Erythrozyten gemessen, dessen Ko-Faktor FAD und somit Riboflavin ist. Besteht eine enzymatische Aktivitätssteigung von über 20 %, wird ein Riboflavin-Mangel diagnostiziert.
Mangel
Ein schwerer, chronischer Mangel an Riboflavin tritt in unserer Gesellschaft praktisch nicht auf bzw. konnte dieser bislang nur in Tierversuchen nachgewiesen werden. In der Regel geht eine unzureichende Versorgung an Riboflavin vergesellschaftet mit weiteren Mängeln an den Vitaminen der B-Gruppe, wie z.B. Vitamin B1, B6 oder Folsäure, einher.
Leichte Riboflavin-Mängel lassen sich jedoch anhand von klassischen Symptomen beobachten. Dazu zählen Haut- und Schleimhautveränderungen (eingerissene Mundwinkel, entzündeter Mund- bzw. Schleimhautbereich) sowie ein schuppiger, entzündlicher Hautausschlag, der als seborrhoische Dermatitis bezeichnet wird. Des Weiteren kann eine Anämie, d. h. Blutarmut, mit den klassischen Anzeichen von Blässe, Schwäche und Müdigkeit eintreten oder auch Nervenfunktionsstörungen sowie leichte Sehstörungen.
Aber auch der Homocysteinspiegel im Blut kann durch eine mangelhafte Zufuhr an Riboflavin ansteigen. Dies indiziert wiederum ein erhöhtes Potenzial für Gefäßerkrankungen und hebt das Risiko für Herzinfarkte und Schlaganfälle an.
Vorkommen
Riboflavin vegan lässt sich mit Hilfe einiger pflanzlicher Quellen sehr gut zuführen. Wir finden den Mikronährstoff in Pilzen, wie Champignons oder Steinpilze, in Nüssen (Mandeln, Haselnüsse), aber auch in diversen Ölsaaten (Kürbiskerne, Pinienkerne). Außerdem stellen Hülsenfrüchte (Erbsen, Linsen) und Vollkorngetreide adäquate Versorgungsquellen dar. Durch das Keimen dieser Lebensmittel kann man den Riboflavingehalt sogar noch erhöhen, wobei die daraus entstehenden Keimlinge bzw. Sprossen in Salate oder in Müslis optimal verwendet werden können.
Hefeflocken sind überdies nicht nur reich an Riboflavin, sondern an vielen weiteren Vitaminen des B-Komplexes und können als veganer Reibekäseersatz sehr gut eingesetzt werden.
Industriell hergestellte Produkte, wie zum Beispiel Pflanzendrinks, werden teilweise auch mit dem Riboflavin vegan angereichert. Ein Blick auf die Zutatenliste gibt uns einen Hinweis darauf.
Tabelle 1: Gehalt an Vitamin B2 (Riboflavin) in pflanzlichen Lebensmitteln (Elmadfa et al., 2007; BLS)
Riboflavin | |
(mg/100 g) | |
hohe Gehalte (> 1 mg/100 g) | |
Trockenhefe | 4,50 |
Pilze, getrocknet | 3,47 |
Spirulina-Pulver | 3,31 |
Löwenzahn, getrocknet | 1,03 |
mittlere Gehalte (0,1-1 mg/100 g) | |
Mandeln | 0,60 |
Champignons | 0,45 |
Steinpilze | 0,37 |
Kürbiskerne | 0,32 |
Erbsen, getrocknet | 0,27 |
Linsen, getrocknet | 0,26 |
Pinienkerne | 0,23 |
Haselnüsse | 0,20 |
Spinat, roh/gekocht | 0,20 |
Brokkoli, roh | 0,18 |
Brokkoli, gegart | 0,16 |
Hafer (Korn) | 0,17 |
Weizenvollkornmehl | 0,17 |
Erbsen, gekocht | 0,16 |
Avocado | 0,15 |
Rosenkohl, roh/gekocht | 0,14 |
Pflaume, getrocknet | 0,12 |
Feige, getrocknet | 0,10 |
niedrige Gehalte (< 0,1 mg/100 g) | |
Blumenkohl, roh/gekocht | 0,09 |
Roggenmehl (Typ 650-1800) | 0,09 |
Rucola | 0,09 |
Tofu | 0,05 |
Reis, poliert, gekocht | 0,03 |
Weizenmehl (Typ 405) | 0,03 |
Status bei veganer Ernährung
Im Durchschnitt wird die Zufuhr an Riboflavin in Deutschland überschritten, wobei dennoch ein Fünftel der Männer bzw. ein Viertel der Frauen die Empfehlung nicht erreichen (Max-Rubner-Institut, 2008). Der Bedarf wird unter der Allgemeinbevölkerung primär über Milch und -produkte gedeckt, weshalb Vegetarier ähnliche Zufuhrwerte aufweisen wie Mischköstler. Jedoch trägt bei Lakto-(Ovo-)Vegetariern ebenso der Riboflavin-Gehalt aus pflanzlichen Nahrungsquellen zu einem wesentlichen Anteil zur Bedarfsdeckung bei.
Untersuchungen zur Riboflavinzufuhr unter vegan lebenden Personengruppen zeigen kontroverse Ergebnisse. Einerseits gibt es Belege dafür, dass die Zufuhrempfehlung an Riboflavin von der untersuchten Personengruppe ganz unabhängig von der jeweiligen Ernährungsform erreicht wird (Davey et al., 2003). Andere Studien weisen sowohl auf eine über (Haddad et al., 1999) als auch eine unter den Empfehlungen liegende durchschnittliche Aufnahme des Nährstoffs hin (Larsson und Johansson, 2002). In Deutschland konnten in einer Untersuchung 48 % der untersuchten sich vegan ernährenden Personen (154 Probanden) nicht die Zufuhrempfehlungen der DGE erreichen (Waldmann et al., 2003).
Zusammenfassung
Riboflavin übernimmt, ähnlich wie alle weiteren B-Vitamine, essenzielle Funktionen in unseren Stoffwechselabläufen und ist insbesondere in den Energiestoffwechsel involviert. Somit steigt der Bedarf bei einem erhöhten Energieumsatz. Chronische und vor allem isolierte Mängel an Riboflavin konnten in Humanstudien nicht nachgewiesen werden. In der Regel tritt ein Zuwenig nur in Kombination mit einem Mangel an weiteren B-Vitaminen auf.
Mit Hilfe einer abwechslungsreichen pflanzlichen Ernährung lässt sich der Bedarf an Riboflavin vegan auch decken. Dabei können uns Hülsenfrüchte, Getreide (insbesondere in der gekeimten Variante), Nüsse und Ölsaaten sowie Hefeflocken bestens unterstützen. Zu beachten ist in jedem Falle die hohe Lichtempfindlichkeit des Vitamins, weshalb auf eine entsprechend dunkle Lagerung zu achten ist.
Der Inhalt dieses Artikels kann und soll eine individuelle Vegane Ernährungsberatung nicht ersetzen. Im Verzeichnis für Vegane Ernährungsberatung findest du, in deiner Nähe vor Ort oder online, fachkundige Unterstützung.
Verena Lehner meint
Hallo, ich glaube die Mengenangaben in Tabelle 1 stimmen teilweise nicht. Laut der Tabelle haben Kürbiskerne 0,32 mg/100 g Riboflavin…das wären ja 320 ug. Sowohl in der ecodemy Datenbank als auch bei einer google Suche wird eine Komma stelle weniger angegeben, also 32 ug (bzw 42ug) und demnach 0,032mg.
Hab ich da jetzt ein Denkfehler oder stimmen da einige Angaben nicht?
vg,
Verena
Isabel Bernhauser meint
Hallo liebe Verena,
danke für deinen wertvollen Kommentar.
Die Werte aus Tabelle 1 stammen aus unterschiedlichen Quellen, wie zitiert. Einerseits aus der Literatur Elmadfa et al. („Die große GU Nährwert Kalorien Tabelle“) und andererseits aus dem Bundeslebensmittelschlüssel (BLS). Tatsächlich gehen die ein oder anderen Werte auseinander. Dies kann beispielsweise an natürlichen Schwankungen (da es sich um Naturprodukte handelt) liegen, was abhängig von Anbaugebiet/-region, Anbaubedingungen sowie unterschiedlichen Sorten ist. Zudem können Differenzen auch an den verwendeten Untersuchungs- bzw. Analysenmethoden liegen. Wir werden hierfür noch weitere Literaturquellen heranziehen und die Angaben bei Bedarf anpassen.
Herzliche Grüße
Isabel