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„Tiere sind meine Freunde und meine Freunde esse ich nicht.“ Diese Ansicht vertrat schon George Bernard Shaw rund 100 Jahre bevor der Begriff vegan das Licht der Welt erblickte. Heute entscheiden sich Menschen aus den unterschiedlichsten Gründen für eine pflanzenbasierte Ernährung. Ethische Motive, wie die tiefe Überzeugung, dass Tieren das gleiche Recht auf Leben zusteht wie uns Menschen, ist nach wie vor eines der tragenden Argumente für Veganer, um auf Fleisch, Milch, Eier und Co zu verzichten. Veganer Aktivismus hat also im Grunde keinesfalls das Ziel, andere in ihrer Entscheidungsfreiheit zu beschneiden, wie oft befürchtet wird.
„Die werden doch dafür gezüchtet“ und „Jeder soll selbst entscheiden, was er isst“ spricht die Gegenpartei der Steakfans und Grillfreunde. Für Menschen, die aus ethischen Gründen vegan Leben, sind diese „Argumente“ häufig wie ein Stich ins Herz. Schnell fällt die Reaktion auf die vermeintlich bösen Mischköstler hochemotional aus. Fehlen dann noch fundierte Informationen über die Vorzüge der Pflanzenkost, sieht der Veganer – im sprichwörtlichen Sinne – blass aus.
Harte Fronten – harte Worte
Militante Ernährungsspinner rufen die einen, Tiermörder die anderen.
Veganer Aktivismus geht hier leider oft unfruchtbare Wege und trägt eher dazu bei, dass sich die Fronten weiter verhärten. Es passiert also genau das Gegenteil dessen, was mit flammenden Reden über Ethik und Tierrechte erreicht werden soll. Die Gegenseite rüstet ihrerseits ebenfalls auf und plötzlich geht es nur noch darum, den Gegner so heftig wie möglich ins Unrecht zu setzen. Schlussendlich hinterlässt dieses „Auge um Auge“ auf beiden Seiten Blinde.
Dass sich niemand auf Grund seiner Vorliebe für Wurstbrot als schlechter Mensch hinstellen lassen möchte, ist mehr als verständlich. Doch warum fällt es besonders „Ethik-Veganern“ häufig schwer, in Diskussionen die Ruhe zu bewahren?
Fakten, die nicht jeder so genau wissen möchte
Kürzlich beleuchteten wir in einer Kolumne die Frage „Sind Veganer die besseren Menschen?“ mit dem Fazit, dass man diese Aussage so nicht treffen kann. Ethisch motivierte Veganer sind aber in der Regel eines: besser informiert.
So ist ihnen bekannt, dass die meisten Tiere, die in Form von Schnitzel, Würstchen und Co auf den Tellern der Mischköstler landen, zwar ihr „Schlachtgewicht“ erreicht haben, in der Regel aber nicht einmal erwachsen werden durften. Sie sind noch Kinder, wenn sie sterben. Auch über die Art und Weise, wie diese Tiere ihr Leben verlieren, verfügen Veganer über weit mehr Informationen als der durchschnittliche Mischköstler. Fehlschüsse bei Rindern, Schweine, die bei vollem Bewusstsein in die Brühkessel gelangen, manchmal sogar bewusste Quälerei in den Schlachthöfen – die Liste der Missstände bei den Schlachtungen ist lang, die der Verstöße gegen Haltungs- und Transportbedingungen ebenso.
Doch selbst wenn Aufzucht, Transport und Tötung „ordnungsgemäß“ verlaufen würden, sehen ethisch motivierte Veganer das Problem noch an einer ganz anderen Stelle: 2017 wurden allein in Deutschland 12,3 Millionen Rinder, 27,6 Millionen Schweine und 1,6 Millionen Schafe geschlachtet. Pferde, Fohlen, Kaninchen, Ziegen, Hühner, Puten und weitere Tierarten nicht mitgerechnet (Statistisches Bundesamt, 2017).
„Da darf man nicht drüber nachdenken“, weicht so mancher Mischköstler aus, wenn man fragt, wie angesichts dieser Tatsachen der Braten noch schmecken kann. Hinsehen, nachdenken – und manchmal fast verzweifeln, das hingegen kennen ethisch motivierte Veganer nur zu gut.
Make the Connection
Make the Connection – sieh‘ den Zusammenhang! – ist ein Schlüssel, wenn man ethisch motivierte Veganer besser verstehen möchte. Denn dieser Zusammenhang zwischen dem wohlschmeckenden Steak und dem Lebewesen, das für diese Mahlzeit getötete wurde, ist diesen ständig präsent:
„Erwartet wird, dass ich lächelnd frage: „Wie schmeckt es dir?“, wenn jemand in seine Frikadelle beißt. Ich aber sehe vor meinem inneren Auge die Qual, den Schmerz, das Blut des Tieres, das dort gegessen wird.
„Sehe ich Fleisch, sehe ich das jeweilige Tier und denke: wie könnt ihr wegschauen? Wie könnt ihr das unterstützen? Ich fühle mich ohnmächtig, weil ich nicht allen Tieren helfen kann.“
„Wenn Menschen die mir nahestehen Fleisch essen und ich dabei zusehen muss, ist das nur schwer für mich auszuhalten. Sie wissen doch um das Leid, welches sie damit verursachen.“
„An manchen Tagen könnte ich nur noch schreien, wenn ich Werbung von McDonalds und der ganzen Tierleidindustrie sehe. Du siehst es an jeder Ecke und fragst dich, warum ist es allen anderen egal? Man darf das nicht zu nahe an sich ranlassen, sonst geht man daran kaputt.“
Mischköstler: emotions- und rücksichtslos?
Aber auch die Gegenfraktion, die Mischköstler, die sich ihr Fleisch nicht nehmen lassen, auch wenn es in Wirklichkeit das Fleisch ein anderes Lebewesen ist, können durchaus auch in einer emotionalen Klemme sitzen. Die Ernährungspsychologie sagt, dass sich Gewohnheiten im Essverhalten nur sehr schwer verändern lassen. Jeder, der schon einmal versucht hat unliebsame Ernährungsgewohnheiten zu verändern, zum Beispiele um ein paar überflüssige Pfunde zu verlieren, weiß: Das ist leichter gesagt als getan. Ernährungsgewohnheiten sind zudem auch tief mit kulturellen und familiären Strukturen verwoben. Wie die Eltern, die Großeltern und das gesamte Umfeld sich ernähren, soll auf einmal nicht nur falsch, sondern sogar ethisch höchst verwerflich sein?
Ein weiterer Punkt ist, dass den meisten Mischköstlern das Leid der Tiere keinesfalls so egal ist, wie mancher Veganer denken mag. Pelztierfarmen beispielsweise oder auch grauenvolle Tierversuche und Tierquälerei sind auch Burgerfreunden in der Regel zutiefst zuwider.
Wer diese Dissonanz zwischen dem Essen von Tieren einerseits und dem Verurteilen von Tierquälerei andererseits besser verstehen möchte, findet spannende Infos bei Dr. Melanie Joy, die den Begriff „Karnismus“ geprägt und sich mit diesen menschlichen Verhaltensweisen intensiv befasst hat.
Botschafter der veganen Idee – sachlich und überzeugend argumentieren
Der Appell an Herz und Gewissen des Mischköstlers verhallt also nicht ungehört, weil Grill- und Burgerfans emotional verrohte Zeitgenossen sind; dies trifft sicher nur auf eine Minderheit zu. Das Problem ist vielmehr, dass Menschen, die sich angegriffen fühlen, automatisch in die Verteidigungshaltung gehen: Druck erzeugt immer Gegendruck. Auch erfordert es sicher einen gewissen Mut sich bewusst zu machen, wie schrecklich die Konsequenzen des täglichen Genusses für die Lebewesen sind, die auf den Tellern und Grills landen.
Wie also kann sich der ethisch motivierte Veganer wappnen, wenn er weniger emotional diskutieren und damit auch ernster genommen werden möchte? Eine Möglichkeit ist, durch fundiertes Fachwissen rund um die vegane Ernährung zu punkten. Wer weiß, dass er fachlich unangreifbar ist, kann auch in hitzigen Debatten ruhig bleiben und seine Argumente so vorbringen, dass er gehört wird. Auch dem Gegner wird damit signalisiert, dass man nicht ihm persönlich etwas vorwirft. Gewohnheiten, soziales Umfeld und natürlich die allgegenwärtige Werbung der Fleischindustrie verstellen den Blick auf Fakten, die in vielerlei Hinsicht für eine pflanzenbasierte Ernährung sprechen. Denn neben den rein ethischen Aspekten fallen auch ökologisch und – last but not least – gesundheitliche Gründe ins Gewicht und gerade Letzteres sollte wirklich für jeden von Interesse sein.
Vegane Ernährungsberatung: fachlich statt emotional überzeugen
Die „Vegane Ernährungsberater Ausbildung (m/w)“ wurde ursprünglich von versierten Veganern für Veganer konzipiert, um in diesem Bereich die dringend benötigten Fachkräfte auszubilden. Schnell stellte sich dann aber heraus: Nicht nur Menschen, die beruflich beraten möchten, absolvieren die „VEA“, sondern zunehmend sind es vegane Familien, die diese Ausbildung für sich und ihr privates Umfeld nutzen wollen. Auch Menschen, die sich als Botschafter der veganen Idee sehen, profitieren von dieser Ausbildung und das gleich in zweierlei Hinsicht: fundiertes Fachwissen macht selbstsicher in Diskussionen und Gesprächen und kann entscheidend dazu beitragen, dass man selbst und damit auch die vegane Idee wirklich ernst genommen wird. Fakten statt Märchen und Mythen bringen natürlich auch die eigene Ernährung auf ein ganz neues Level. Fazit: Ernährungswissen schont nicht nur die Nerven in Diskussionen, sondern fördert auch auf allen anderen Ebenen die eigene Gesundheit. Was könnte ein besseres Argument für die pflanzenbasierte Kost sein, als ein entspannter und rundum gesunder Veganer?
Wem also proaktiver veganer Aktivismus am Herzen liegt, wird mit der VEA genau das finden, was er sucht und braucht. Natürlich mit kostenloser Testphase vorab und eigener Nährstoffdatenbank inklusive.
Besonders erfreulich ist, dass die vegane Idee keinesfalls nur für sehr junge Menschen interessant ist, was oft behauptet wird. Das Alter der VEA-Studenten liegt aktuell zwischen 16 und 85 Jahren, das Durchschnittsalter liegt bei 36 Jahren, etwa ein Drittel kommt aus der Altersgruppe zwischen 40 und 60 Jahren und auch mit 60plus wurde die Ausbildung bereits sehr erfolgreich abgeschlossen.
Ilona Crotogino meint
Zwar lebe ich schon lange vegan, aber das Thema trifft mich trotzdem volle Breitseite: Ich teile mein Leben mit zwei Hunden, und denen gebe ich Fleisch. Früher mal rohes Fleisch, bis mir beim Schneiden irgendwann die Tränen runtergelaufen sind. Zumal ich jedem Morgen an einem Bauernhof vorbeifahre, auf dem lauter Iglus stehen, in denen einsame Kälbchen ihr kurzes, trauriges Dasein fristen.
Das alles stürzt mich in unglaubliche emotionale Konflikte. Zumal ich regelmäßig die PETA-Webseite aufmache und sehe, dass veganes Hundefutter durchaus möglich ist. Ich habe das auch mal ein Jahr durchgezogen, aber die Anzahl von Supplementen, die ich ins Futter kippen muss, kommt mir ziemlich abartig vor. Ich muss die aus den Staaten importieren! Dazu Taurin und Carnitin und das volle Programm…
Irgendwann haben meine beiden ohnehin gestreikt und einfach ihr tierleidfreies Futter nicht mehr angerührt. Dafür haben sie Mäuse aus der Erde gebuddelt. Klar, es gibt Zeitgenossen, die mir dann sagen: „Dann darfst Du eben keine Hunde haben“. Die haben ja so was von Recht, einerseits…
So stecke ich im Moment den Kopf in den Sand und gebe den Zweien Dosenfutter. Na, toll, oder?
Vielleicht hat ja jemand Ideen, wie ich mit dem Thema umgehen kann? Vielleicht auch Ideen zur veganen Ernährung von Hunden? Über Feedback würde ich mich tierisch freuen.
Wäre doch ein vielleicht ein extra Fortbildungs-Programm (hallo, das ist kein Scherz)
Liebe Grüße von Ilona
Sonja Gerberding meint
Hallo liebe Ilona,
danke für deinen Kommentar.
ecodemy ist auf die Ernährung des Menschen spezialisiert, mit fundierten Fachinformationen kann ich dir hier also leider nicht dienen.
Ich kann dir aber meine ganz persönliche Sicht der Dinge schildern, da ich als veganer Hundehalter deine Empfindungen vollkommen nachvollziehe.
Als ich vor Jahren noch überzeugter Vegetarier war, gehört ich auch zu den Menschen, die die Meinung vertraten, einen Hund vegan zu füttern, grenze an Tierquälerei. Inzwischen ernähre ich mich pflanzenbasiert und meinen Hund ebenso. Ich bin nämlich keinesfalls der Ansicht, dass Hunde- und Katzenfutter nur ein „Abfallprodukt“ der Fleischindustrie ist, sondern dass sich diese Mengen nur produzieren lassen, wenn auch für unsere Haustiere geschlachtet wird.
Zum Glück ist es aber so, dass auch die Futterhersteller den Veganer als Kunden entdeckt haben, und der eine oder andere produziert sogar aus Überzeugung pflanzenbasiertes Hundefutter.
Mein Hund bekommt seit Jahren veganes Trockenfutter, welches ich der Bekömmlichkeit halber vorher 30 Minuten in warmen Wasser einweiche.
Dem Hund ist es egal, wo die Nährstoffe herkommen, Aminosäure ist Aminosäure, ob nun pflanzlichen oder tierischen Ursprungs. Wichtig ist, dass die Nährstoffe in ausreichender Menge, richtiger Zusammenstellung und guter Bioverfügbarkeit vorhanden sind.
Nun könnte man noch argumentieren, vegan zu füttern sei „unnatürlich“. Nun, unser „Canis lupus familiaris“ ist per Definition ein Haustier, lebt in der Regel das ganze Jahr über in klimatisierten Räumen, wird regelmäßig geimpft und entwurmt, bekommt Zahnstein entfernt und zur Not auch einen Kaiserschnitt, wenn die natürliche Geburt der Welpen unmöglich ist. Ich persönlich habe dann auch kein Problem mit hochwertigem veganen Futter aus der Tüte, solange es dem Hund damit gut geht. Um das zu gewährleisten kann man, genau wie beim Menschen, regelmäßig eine Blutuntersuchung machen. Gesünder als das meiste Hundefutter mit Geruchs-, Geschmacks- und Farbstoff plus Zuckerzusatz ist es allemal.
Herzliche Grüße,
Sonja
Petra meint
Hallo Sonja,
Danke für Deine Meinung, besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Auch ich füttere meine Hunde seit fast 5 Jahren vegan und sie sind rundum gesund auch ohne zusätzliche Vitamingaben. Ich wechsle zwischen hochwertigem veganen Trockenfutter und Selbstgekochtem (Hülsenfrüchte, Getreide, Gemüse …) ab und habe damit nur gute Erfahrungen gemacht. Ich kann es nur weiterempfehlen.
Liebe Grüße
Petra
Sonja Gerberding meint
Liebe Petra,
vielen Dank für deinen Kommentar. Persönlich bin ich auch ein Freund der veganen Hundeernährung, meinem Vierbeiner schmeckt und bekommt es.
Herzliche Grüße an dich und die Fellnasen,
Sonja
Birgit Leblanc meint
Hallo Sonja,
auch mir ist aus meinem Freundeskreis bekannt,das es kein Problem ist,Hunde vegan zu ernähren. Ich selbst lebe seit ca.2 1/2 Jahren vegan- und es war die beste -und einfachste-Entscheidung meines Lebens. Soweit ich weiss,gibt es jedoch keine Möglichkeit,Katzen vegan zu ernähren-stimmt das?mal abgesehen von den Tieren,die sie selbst jagen…
herzliche Grüsse
Birgit Leblanc
Sonja Gerberding meint
Hallo Birgit,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Ich persönlich ernähre meinen Hund auch vegan, allerdings ist die Studienlage dazu noch sehr dürftig. Katzen sind, meines Wissens, anders als der Canis lupus familiaris, reine Carnivoren. Da ich mich mit veganer Katzenernährung noch nie befasst habe, kann ich dir leider keine fundierte Auskunft geben, ob eine vegane Ernährung möglich ist.
Herzliche Grüße,
Sonja