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Anna, seit 2015 ernährst du dich und deine Familie vegan. Was war der Beweggrund?
Ich bin absolut über die Ethik zum Veganismus gekommen. Schon als Jugendliche hatte ich immer mal vegetarische Phasen, weil mir die Tiere leidtaten, bin aber nie konsequent dabei geblieben. 2014 habe ich dann beschlossen, mich endlich dauerhaft vegetarisch zu ernähren. Ich hatte nie gern Fleisch gegessen und es zuzubereiten fand ich schon immer schrecklich und ekelig. Unsere Drillingsjungs waren zu dem Zeitpunkt gerade zwei Jahre alt geworden. Ihnen Fleisch anzubieten fiel mir zuvor sehr schwer, aber der Druck und die Argumente von Außenstehenden (Kinderärztin, Großeltern) war groß, außerdem kannte ich mich da noch so gar nicht mit Nährstoffen und vollwertiger Ernährung aus. Mein Mann willigte damals ein, zumindest zu Hause vegetarisch zu essen.
Ich kochte also von nun an fleischlos und beschäftigte mich immer mehr mit dem Thema, tummelte mich in verschiedenen Facebook-Gruppen und bin so schließlich zum Veganismus gekommen. In den Vegetarier-Foren gab es nämlich immer wieder Kommentare von Veganern, die behaupteten Milch und Eier wären ebenfalls Mord und Tierquälerei. Ich war ehrlich gesagt über solche Aussagen irgendwie erstaunt und konnte das nicht wirklich nachvollziehen. So dachte zum Beispiel, dass mit dem Biosiegel praktisch das Tierwohl garantiert wäre.
Viele Tränen und ein klarer Entschluss
Jedenfalls habe ich mich durch diese Aussagen immer mehr informiert, jeden Abend als die Kinder im Bett waren im Internet recherchiert, Dokus angesehen – und konnte es einfach nicht fassen. Ich habe sehr viel geweint und wollte nicht mehr schuld sein an der ganzen Tierqual. Mein Mann war noch total skeptisch und eigentlich waren wir beide der Ansicht, dass vegan viel zu extrem sei. Ich habe dann zwei, drei Wochen lang immer mal wieder Milchprodukte beim Kochen ersetzt, um das auszuprobieren. Irgendwann, nach einer weiteren tränenreichen Recherche, hab ich dann meinem Mann verkündet, dass ich auf jeden Fall und ab sofort vegan leben wolle und es da keine Alternative mehr für mich gäbe.
Ich weiß nicht mehr, ob es einen oder zwei Tage später war – mein Mann kam zu mir und teilte mir mit, dass er mitmachen wird. Er hatte sich ebenfalls informiert und war schockiert. Voraussetzung: Es musste ihm schmecken.
Da standen wir also: Hoch motiviert aber mit tausend Fragezeichen, wie wir uns und allem voran die Kinder nährstoffdeckend und rein pflanzlich ernähren sollten. Vonseiten der Großeltern wurden Sorgen laut, die Kinderärztin war total dagegen und auch ein paar Freunde äußerten Kritik.
Als Mutter fühlte ich mich ganz besonders in der Verantwortung und wollte natürlich alles richtig machen. Ich suchte mir also eine vegane Ernährungsberaterin, die mir telefonisch das Wichtigste erklärte. Damals war so eine Beratung gar nicht so leicht aufzufinden. Daran, dass sich das ändert, habt ihr ja jetzt fleißig gearbeitet.
Nach der Beratung fühlte ich mich total gestärkt und wir gingen unseren Weg, informierten uns immer mehr und fühlten uns großartig! Die Kinder waren plötzlich kaum noch krank, wir hatten mehr Energie als je zuvor und wussten, dass wir das Richtige tun.
Du hast ecodemys Ausbildung zur Veganen Ernährungsberaterin erfolgreich abgeschlossen. War für dich von Anfang an klar, dieses Wissen auch beruflich zu nutzen?
Ja, ich hatte direkt den Wunsch, beratend tätig zu werden. Ursprünglich war der Plan, die Selbstständigkeit nebenberuflich aufzubauen. Ich bin gelernte Erzieherin. Dezember 2018 lief mein letzter Arbeitsvertrag aus und ich nutze die Zeit ohne Job für das Fernstudium. Das war mein Neujahrsvorsatz für 2019.
Die Jungs besuchten vormittags einen Kindergarten und ich hatte Zeit zum Lernen. Während der Ausbildung wurde ich schwanger und so kam es etwas anders. Durch die Elternzeit konnte ich mein Business langsam aufbauen und danach direkt weiter als vegane Ernährungsberaterin arbeiten, ohne in den alten Beruf zurückzumüssen.
Was hat dir an der Ausbildung am meisten Spaß gemacht?
Tatsächlich hat mir die gesamte Ausbildung unglaublich viel Spaß gemacht. Noch nie habe ich so für etwas gebrannt. Ich konnte damit nicht nur meine berufliche Laufbahn verändern, sondern mich auch noch intensiv mit meinem absoluten Herzensthema, dem Veganismus, auseinandersetzen. Besonders Spaß gemacht haben mir die Praxisbeispiele und das Nährstoffwissen. Die Videos fand ich dabei besonders hilfreich!
Gab es Durststrecken oder Motivationstiefs? Wenn ja, wie hast du sie überwunden?
Absolut nein! Nur in der Frühschwangerschaft habe ich etwa drei Wochen lang nicht gelernt, weil ich unfassbar müde war. Da habe ich mir eine Auszeit genommen.
Du bist Mutter von 4 Kindern. Wie hast du Familie und Ausbildung unter einen Hut gebracht?
Wie bereits erwähnt, konnte ich die Vormittage nutzen und täglich etwa zwei Stunden lernen. An den Wochenenden hat mein Mann mich unterstützt, da habe ich auch mal länger gebüffelt. Auch beim Webinar oder der Abschlussprüfung hat er die Kids übernommen.
Außerdem habe ich immer und überall, wo es nur ging gelernt. Waren wir auf dem Spielplatz, hatte ich immer meine Unterlagen dabei. Ich muss dazu sagen, dass ich nie der fleißige Schüler war, eher im Gegenteil – aber das war plötzlich ganz anders, weil ich mein Warum kannte.
Natürlich hast du dich auch für unsere Fachfortbildung „Vegane Ernährung für Mutter und Kind“ angemeldet. Mit dem Beratungsangebot auf deiner Website richtest du dich speziell an (werdende) vegane Familien. Welche Erfahrungen machst du gerade mit dieser Kundengruppe in deiner Beratung?
Ich liebe es ganz besonders vegane Familien zu beraten. Es ist ein unglaublich tolles Gefühl zu wissen, dass ich meinen Teil dazu beitragen kann die vegane Ernährung und im Besonderen die vegane Kinderernährung weiter in die Mitte der Gesellschaft zu rücken.
In meinen Kunden finde ich mich sehr häufig selbst wieder, wie ich am Anfang mit meiner Unsicherheit und vielen Fragen dastand. Außerdem fällt auf, dass sich die allermeisten schon sehr gut informiert haben und nun noch Sicherheit in Fragen zu einigen Nährstoffen und Supplementen suchen. Vegane Beikost ist auch ein sehr gefragtes Thema in meinen Beratungen. Da ist die Verunsicherung besonders groß, wozu Kinderärzte und Hebammen beitragen. Finde ich allerdings verständlich und richtig, wenn Fachleute sich nicht auskennen. Es ist schon richtig, dass Menschen sich gerade in sensiblen Lebensphasen wie Schwangerschaft, Stillzeit und Kindesalter besonders gut informieren sollten, wie die bedarfsdeckende, vegane Ernährung aussieht.
Normalerweise betreust du deine Kunden auch vor Ort und machst sogar Hausbesuche. Aufgrund der momentanen Covid-19-Situation ist das kaum bzw. gar nicht möglich und du berätst per Telefon und Zoom. Wie ist die Resonanz auf das Online-Angebot?
Hausbesuche waren 2020 leider eine Seltenheit. Allerdings kann ich mich, was die Nachfrage angeht, absolut nicht beschweren. Durch meine Präsenz auf Instagram und eine gut sichtbare Webseite wird mein Beratungsangebot sehr gut angenommen. Vielmehr ist es so, dass ich seit Januar nur noch zwei Tage für Termine anbiete, um auch mal Zeit für andere Dinge und Freizeit zu haben. Meine Beratungen finden mittwochabends und samstags vormittags statt. Diese Zeiten passen gut zu meinem und dem Alltag meiner Kunden. Ab Sommer wird unsere Jüngste vormittags fremdbetreut, so dass ich dann auch Vormittagstermine anbieten kann. Die Videoberatung wird mit Abstand am häufigsten gewählt und ist auch für mich die schönere, persönlichere Art der Onlineberatung.
Der Schritt in die Selbstständigkeit erfordert auch immer etwas Mut. Wie bist du die Sache angegangen?
Ich habe superviel Glück, dass mein Mann sich mit Marketing und Webseitengestaltung etwas auskennt. Ohne ihn wäre ich vermutlich ziemlich aufgeschmissen gewesen. Er arbeitet in einem sehr erfolgreichen Start-up-Unternehmen und weiß ein bisschen, worauf es ankommt. Von ihm stammte die Idee, die Webseite mit einem Shopsystem auszustatten. Das ist für die Kunden sehr bequem und unkompliziert. Sie werden direkt zum Bezahlvorgang und später zu meinem Online-Terminkalender geleitet. Das läuft alles voll automatisiert, wofür ich schon sehr viel positives Feedback erhalten habe. Den Inhalt der Webseite und die Texte habe ich im letzten Jahr gemeinsam mit einer Agentur optimiert. Das war natürlich ein größerer Kostenfaktor, hat sich aber gelohnt, wie ich finde.
Meine wichtigste Marketingstrategie bin ich selbst. Ich zeige mich als vegane Mama und wie wir unseren Alltag gestalten. Ich lebe quasi meine Beratung, wenn man das so sagen kann. Das Wichtigste ist es, meiner Meinung nach, authentisch zu sein und sein Angebot darauf auszulegen, wofür man sich persönlich interessiert. Ganz zu Anfang hatte ich mich nicht getraut in die Nische der veganen Familie zu gehen, aber erst seitdem ich das durchziehe, läuft es richtig gut. Früher hatte ich Angst, dass die Nische in der Nische eine zu kleine Zielgruppe wäre, aber da hatte ich mich absolut geirrt.
Der totale Gewinn ist für mich meine Instagram-Präsenz. Das ist natürlich nicht für jeden etwas und nimmt enorm viel Zeit in Anspruch. Das ist definitiv mein zweiter Job geworden. Bevor ich da aktiv wurde, habe ich mich vor Ort vernetzt. Haus der Familie, Bioladen, Yogahaus, Hebammen … alles Stellen, wo man Kontakte knüpfen und auf sein Angebot aufmerksam machen kann. Natürlich auch über Flyer und Co.
Jeder Ernährungsberater kann sich wahrscheinlich an seinen ersten richtigen Kunden erinnern. Wie war das für dich?
Oh ja, natürlich! Das war superaufregend! Ein junges Paar, sie schwanger und beide noch recht frisch vegan mit vielen Unsicherheiten. Wir haben damals über Zoom miteinander gesprochen und hatten glücklicherweise direkt einen sehr guten Draht zueinander. Tatsächlich sind wir immer mal wieder in Kontakt. Ich durfte das Paar insgesamt viermal beraten und sie hat mittlerweile selbst das Fernstudium bei der ecodemy abgeschlossen.
Was war das Highlight deiner bisherigen Tätigkeit als Vegane Ernährungsberaterin?
Für mich ist es tatsächlich jedes Mal ein Highlight, wenn mir der Kunde oder die Kundin am Ende der Beratung sagt, dass ich helfen konnte und er oder sie sich nun viel sicherer und gestärkter im Umgang mit der veganen Ernährung fühlt. Das ist einfach das schönste Gefühl überhaupt.
Ein weiteres Highlight war es definitiv, im Reaktionsvideo auf YouTube von Niko Rittenau zum Thema vegane Kinderernährung mitwirken zu dürfen. Darüber habe ich mich wahnsinnig gefreut, weil ich die Arbeit von Niko sehr schätze und sein Wissen bewundere. Dass er mich als Beispiel einer veganen Mutter und Ernährungsberaterin gewählt hat, hat mich sehr geehrt.
Worauf bist du besonders stolz?
Ich bin definitiv stolz auf meinen mittlerweile 10.000 Follower Instagram-Account und die sich dadurch ergeben Möglichkeiten. Über meinen Kanal, Interviews und YouTube-Videos – unter anderem mit Niko Rittenau – kann ich so viel dazu beitragen, die vegane Kinderernährung bekannt zu machen. Es macht mich sehr glücklich, wenn ich liebes und positives Feedback von Menschen bekomme, dass ich sie inspirieren oder ihnen helfen konnte.
Auf deiner Website bloggst du auch und es gibt leckere Rezepte. Was ist dein persönliches Lieblingsgericht?
Ich liebe Hummus und alles mit Kichererbsen. Currys und Eintöpfe, aber auch Ofengemüse!
Was sind deiner Meinung nach die größten Herausforderungen für die vegane Idee in den nächsten 10 Jahren?
Interessante Frage. Ich empfinde das wachsende Angebot an veganen Produkten natürlich als positiv, es stört mich aber, dass der Gesundheitsaspekt in der Entwicklung der meisten Produkte keinen hohen Stellenwert hat. Eine Herausforderung ist es sicher, gesunde Ersatzprodukte zu schaffen, die optimalerweise über dieselben Nährstoffe verfügt wie das tierische Pendant.
Und deine persönlichen Pläne für die nächsten 5 Jahre?
Langfristig möchte ich Webinare bzw. Online-Kurse anbieten, um mehr Menschen gleichzeitig erreichen zu können. Außerdem würde ich gern mehr Öffentlichkeitsarbeit machen. Ich denke, da ergeben sich immer wieder Möglichkeiten. Das wichtigste ist es aber für mich, meinen Beruf und meine Familie unter einen Hut zu bekommen.
Kontakt
Anna Isernhinke
Königstraße 14
48231 Warendorf (bei Münster / Westf.)
Telefon: 01 76 61 20 96 33
Website: erbsenzaehler.net
E-Mail: anna@erbsenzaehler.net
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