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Birgt Stevia gesundheitliche Risiken in sich?
Scheinbar naturbelassen, sehr beliebt und mittlerweile auch EU-weit als Süßstoff zugelassen: Stevia erfreut sich unter den anderen Süßstoffen, wie Aspartam oder Cyclamat, großer Beliebtheit. Die exotische Pflanze bringt ein gewisses Maß an Attraktivität mit sich, aber wie viel Natur steckt tatsächlich noch in dem Stevia-Süßstoff auf unserem Verkaufsregal? Viele von euch stellen wahrscheinlich auch ihre Sicherheit infrage: Birgt Stevia gesundheitliche Risiken in sich? In unserem heutigen Artikel dreht sich alles um die zuckersüße Exotin namens Stevia.
Wusstest du schon …
…dass Stevia eine bis zu 300-fache Süßkraft im Vergleich zur Saccharose, unserem Haushaltszucker, besitzt (Kaunas, 2011)?
Stevia: Süßstoff aus der Natur?
Bei Stevia handelt es sich um eine süßstoffliefernde Pflanze, die zur Familie der Asteraceae (Korbblütler) zählt. Die bekannteste und meist genutzte Art nennt sich in der botanischen Fachsprache Stevia rebaudiana Beroni beziehungsweise ist sie im Volksmund auch unter den Begriffen Honigblatt oder Süßkraut bekannt. Ihr süßer Geschmack geht auf acht chemische Verbindungen, die sogenannten Steviaglykoside, zurück. Unter ihnen macht das Steviosid den überwiegenden und das Rebaudiosid A den sekundären Anteil der Glykoside aus. Kein Zucker, keine Kalorien, aber eine 70 bis 300-fache Süßkraft der Saccharose hat die Verbindung Steviosid zu bieten (Kaunas, 2011).
Seit Dezember 2011 ist der Stevia-Süßstoff nun auch für 31 Lebensmittelkategorien innerhalb der Europäischen Union zugelassen (EU, 2011). Pflanze oder Süßstoff: Was genau steckt in unseren handelsüblichen Stevia-Produkten und wie viel „Pflanze“ ist tatsächlich noch darin enthalten?
Stevia: Pflanze versus Süßstoff
Die Pflanze Stevia hat ihren Ursprung in Paraguay, wo sie von den südamerikanischen Ureinwohnern schon seit jeher sowohl zum Süßen des bitteren Matetees als auch medizinisch genutzt wird. Heutzutage wird die Steviapflanze auch im anliegenden Brasilien sowie in Asien angebaut (Kaunas, 2011).
Suchen wir Stevia allerdings in deutschen Supermärkten, so stoßen wir auf ein Pulver, eine Flüssigkeit oder gar Tabletten, was den natürlichen Anschein stark verblassen lässt. Was in diesen Produkten von der ursprünglichen Pflanze letztlich noch enthalten bleibt, sind die Steviaglycoside. Diese wurden mittels aufwendiger chemischer sowie physikalischer Verfahren aus den Blättern isoliert, mit diversen Füllstoffen (z. B. Cellulose, Maltodextrin, Erythrit) versehen und stellen somit ein hochgradig verarbeitetes Produkt dar. Diese Steviaglykoside sind übrigens mit der E-Nummer 960 in der Europäischen Verordnung über Lebensmittelzusatzstoffe versehen (EU, 2012). Die ursprünglichen Stevia-Blätter werden dem Gesetz nach als sogenanntes Novel-Food bezeichnet, das heißt, ihre Vermarktung als Lebensmittel ist (noch) nicht erlaubt.
Im Geschmack ähnelt die Süße der Stevia-Blätter dem Rohrzucker, wobei unsere Verkaufsprodukte mit den isolierten Stevioglykosiden eine leicht lakritz-ähnliche Note mit sich bringen (Barsch et Klebs, 2017).
Stevia: Vor- bzw. Nachteile auf einen Blick
Beim ersten Gedanken an Stevia neigen wir meist dazu, die exotische Pflanze vor dem inneren Augen zu sehen, was direkt mit einem naturbelassenen Produkt in Verbindung gebracht wird. Sofern die Blätter zum Süßen verwendet werden, ist das auch korrekt. Die Glykoside in den Blättern sind nämlich wasserlöslich, weshalb sie sich beispielsweise zum Süßen von Tees optimal eignen.
Der Stevia-Süßstoff ist praktisch kalorienfrei und diabetikerfreundlich, denn Insulin wird für seinen Metabolismus nicht benötigt. Außerdem sind die Steviaglykoside sehr hitzebeständig, das heißt, bei über 200 °C stabil, was beim herkömmlichen Rohrzucker nicht der Fall ist. Zum Backen eignet sich die exotische Süße ebenfalls. Und auch unsere Zähne werden von dem Stevia-Süßstoff nicht angegriffen (Kaunas, 2011).
Somit haben wir eine ganze Palette an erwünschten Eigenschaften, welche Stevia anzubieten hat. Nichtsdestotrotz, wollen wir auch einen Blick hinter die zuckersüße Fassade wagen: Die stark verarbeitete, mit Füllstoffen versehene Stevia-Süße aus unserem Supermarkt hat nicht mehr viel mit einem naturbelassenen Lebensmittel zu tun. Gerade in der Vollwerternährung wird der Verzehr von Süßstoffen generell nicht empfohlen (Koerber et al., 2012). Diese unglaublich süßen Stoffe unterstützen uns auch nicht dabei, die eigene Süßschwelle zu senken. Ihr lakritz-ähnlicher Geschmack führt bei der industriellen Herstellung dazu, dass vielfach sogar Zucker in den mit Stevia gesüßten Nahrungsmitteln beigemischt wird. Das heißt, bei allen Produkten, die mit der Stevia-Süße offensichtlich betitelt werden, lohnt sich der Blick auf die Zutatenliste; denn in der Regel verstecken sich darin noch Glukosesirup & Co (Fischer, 2012).
Ob Stevia gesundheitliche Risiken in sich birgt, ist eine weitere Frage, die wir aus rein rechtlicher Lage durch ihre Zulassung nicht per se behaupten können. Aber wie sicher ist der Süßstoff wirklich?
Birgt Stevia gesundheitliche Risiken in sich?
Alle in der EU zugelassenen Süßstoffe unterliegen einer verpflichtenden gesundheitlichen Bewertung, die aktuell von der European Food and Safety Authority (EFSA) vorgenommen wird. In diesem Verfahren wird die tägliche Maximaldosis, der sogenannte ADI-Wert (acceptable daily intake), festgelegt. Dieser Wert wird übrigens laufend kontrolliert und liegt bei Stevia bei 4 mg/kg Körpergewicht/Tag (Tombek, 2010). Das wäre bei einer 60 kg schweren Frau eine Menge von 240 mg beziehungsweise bei einem 70 kg schweren Mann bis zu 280 mg pro Tag. Im Vergleich zu den anderen Süßstoffen (Tabelle 1) ist dieser Wert sehr niedrig festgelegt beziehungsweise besitzt Stevia nach Neotam den zweitniedrigsten ADI-Wert.
Tabelle 1: EU-weit zugelassene Süßstoffe inkl. E-Nummer und ihrem jeweiligen ADI-Wert (mg/kg Körpergewicht/Tag) (BfR, 2014)
Süßstoff | E-Nummer | ADI-Wert (mg/kg KG/Tag) |
---|---|---|
Acesulfam K | E 950 | 9 |
Aspartam | E 951 | 40 |
Cyclamat | E 952 | 7 |
Saccharin | E 954 | 5 |
Sucralose | E 955 | 15 |
Thaumatin | E 957 | „acceptable“ |
Neohesperidin DC | E 959 | 5 |
Stevioglycoside | E 960 | 4 |
Neotam | E 961 | 2 |
Aspartam-Acesulfamsalz | E 962 | „acceptable“ |
Advantam | E 969 | 5 |
Nachdem der erste Antrag auf Zulassung des Stevia-Süßstoffes im Jahr 2000 abgelehnt wurde, zog sich das weitere Verfahren über etliche Jahre, bis letztlich Zustimmung seitens der EU kam. Ob Stevia gesundheitliche Risiken verursacht, wurde lange Zeit untersucht, wobei wissenschaftliche Untersuchungen zu kontroversen Ergebnissen kamen. Zu Unsicherheit führte vor allem ihre potentiell mutagene, erbgut- beziehungsweise fruchtschädigende Wirkung, die allerdings vorwiegend in vitro und teilweise in Tierversuchen nachgewiesen wurde. Im Menschen konnte die Süße Stevia gesundheitliche Risiken in dieser Hinsicht nicht zeigen (Oliveira-Filho et al., 1989; Melis, 1999; Böhm, 2002). Die Weltgesundheitsorganisation WHO hat sich ebenfalls für die Unbedenklichkeit von Stevia für den menschlichen Gebrauch ausgesprochen (Kaunas, 2011).
Stevia: Süßstoff der Zukunft?
Auch, wenn durch den maßvollen Verzehr von Stevia gesundheitliche Risiken ausgeschlossen werden, bringen Süßstoffe offensichtlich nicht den erwünschten Effekt der Gewichtsreduktion. Das schwergewichtige Problem unserer Gesellschaft hat mit dem zunehmenden Verzehr von süßstoff-haltigen Produkten nicht abgenommen (Tombek, 2010). Ob es potentiell nachteilige Wirkungen der zuckerfreien Süße auf unseren Stoffwechsel sowie den Zusammenhang zwischen Süßrezeptoren und physiologischen Signalen gibt, wird die Forschung künftig noch zeigen.
Die Verwendung von Stevia-Blättern, wie es uns die Ureinwohner von Paraguay schon seit jeher vorzeigen, kann künftig eine Möglichkeit sein, ohne Zucker, Kalorien und dem nötigen Insulin die pflanzliche Süße zu genießen.
Unser Fazit zu Süßstoffen
Bei Süßstoffe handelt es sich immer um ein synthetisches beziehungsweise hochgradig verarbeitetes Produkt, auch bei der als natürlich angepriesene Stevia-Süße. Eine Vielzahl an Vorteilen sollen sie uns liefern; schließlich enthalten sie kaum Energie und sorgen auch nicht für den unerwünschten Karies. Neben dem chemischen Ursprung weisen aber auch die strengen Untersuchungen über ihre gesundheitliche Bedenklichkeit sowie die ADI-Werte darauf hin, dass ihr Beitrag zu unserer Gesundheit kritisch hinterfragt werden darf. Übrigens gelten diese Maximalwerte für gesunde Erwachsene, das heißt, von Kindern sollten Süßstoffe noch weiter fern bleiben.
Unsere Devise lautet vollwertig und naturbelassen, weshalb wir prinzipiell nicht zu dem regelmäßigen Verzehr von süßstoff-haltigen Produkten raten. Greife lieber zu dem süßen, reifen, heimischen Obst oder nimm‘ dir einen naturbelassenen Sirup zur Hand, bevor du dein tägliches Müsli mit Stevia bestreust.
Der Inhalt dieses Artikels kann und soll eine individuelle Vegane Ernährungsberatung nicht ersetzen. Im Verzeichnis für Vegane Ernährungsberatung findest du, in deiner Nähe vor Ort oder online, fachkundige Unterstützung.
Zucker in der Ernährung

Liebes Team von ecodemy!
Gibt es denn Hinweise darauf, dass Stevia sich – wie es von anderen Süßstoffen behauptet wird – negativ auf die Darmflora auswirkt?
Vielen Dank!:-)
Hallo liebe Anna,
vielen Dank für deine spannende Frage!
Es gibt tatsächlich Studien, die Hinweise auf unerwünschte Wirkungen von Stevia auf das Mikrobiom geben. Danach würden die Inhaltsstoffe im Dünndarm nicht absorbiert bzw. im Dickdarm das Wachstum erwünschter Bakterienstämme möglicherweise inhibieren und somit das Bakterienmilieu des Darms mehr oder minder stark verändern (Javier Ruiz-Ojeda, 2019 ; Denina, 2014). Für eine abschließende Bewertung von Stevia auf die menschliche Darmgesundheit ist es allerdings zu früh. Vor allem bei industriell produzierten Steviaprodukten ist (wenn erwünscht) ein maßvoller Konsum sinnvoll und bei einem ohnehin sensiblen Verdauungstrakt empfiehlt es sich, mit Süßstoffen im Allgemeinen bewusst umzugehen.
Ganz herzliche Grüße,
Isabel!
Tausend Dank!:-)
Liebes Team von ecodemy,
gibt es Studien darüber ob beim regelmäßigen Verzehr von Stevia auf die Blase. Habe ständig Blasenentzündungen und habe schon gehört, das manche Süßstoffe zu Blasenkrebs führen können.
Muss ich mir jetzt Sorgen machen ?
Vielen Dank vorab!
Hallo liebe Heike,
nachteilige Wirkungen von den üblicherweise gering konsumierten Mengen Stevia (sowie der Steviapflanze) sind uns aus wissenschaftlicher Sicht nicht bekannt. Auf Basis des aktuellen Kenntnisstandes hätten die Steviaglykoside keine kanzerogene (oder teratogene oder mutagene) Wirkung (Abbas Momtazi-Borojeni et al., 2017). Wie du richtig sagst gibt es Untersuchungen (i.d.R. aus Tierversuchen), in denen bestimmte Süßstoffe (Aspartam z. B.) ein kanzerogenes Potenzial zeigten. Mehr zum Thema Süßstoffe und Zuckeraustauschstoffe findest du in unserem dazugehörigen Magazinartikel.
Der Konsum von Süßstoffen sollte wegen dem nicht eindeutigen Wissensstand (Wirkung auf den Menschen) generell spärlich gehalten werden bzw. ist es empfehlenswert, lieber auf die natürliche Süße zurückzugreifen. In erster Linie ist das frisches Obst bzw. können auch kleinere Mengen an naturbelasseneren Süßungsmitteln, wie Trockenfrüchte, Ahornsirup & Co verzehrt werden.
Herzliche Grüße,
Isabel!
Vielen Dank, das beruhigt mich jetzt. 🙂