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Vitamin A ist allgemein nicht als potenziell kritischer Nährstoff bei veganer Ernährung bekannt. Dennoch könnte es sein, dass eine ausreichende Versorgung bei veganer Ernährung für manche Personen schwerer zu erreichen ist als für andere.
Warum das so ist und wie du eine gute Versorgung bei einer pflanzenbasierten Ernährung erreichen kannst, erfährst du in diesem Artikel.
Wusstest du, dass…
es ca. 50 Carotinoide gibt, die zu den Provitamin-A-Verbindungen zählen?
Vitamin A: Allgemeines
Vitamin A gehört zu den fettlöslichen Vitaminen. Das heißt, für die Verdauung sind Fette (und Gallensäuren) notwendig. Es gibt verschiedene Vitamin-A-Verbindungen, die unterschiedliche Funktionen im Körper übernehmen.
Über 95 % des Vitamin A im Körper werden in der Leber vor allem als Retinylpalmitat oder -stearat (Retinylester) gespeichert und von dort bei Bedarf ins Blut abgegeben. Diese Speicherfähigkeit bewirkt zum einen, dass die Speicher für 1–2 Jahre ausreichen – vorausgesetzt sie waren gut gefüllt – zum anderen aber auch, dass eine Überversorgung möglich ist. Denn anders als die wasserlöslichen Vitamine wird das übermäßige Vitamin A nicht über die Nieren und den Urin ausgeschieden.
Der Körper kann auf zwei Wege an Vitamin A gelangen:
- über die direkte Aufnahme von vorgeformtem Vitamin A (Retinol in Form von Retinylestern) in Lebensmitteln tierischen Ursprungs
- über die endogene (körpereigene) Umwandlung aus Carotinoiden in Pflanzen. Auch Produkte tierischen Ursprungs enthalten Carotinoide. Bekommen die Tiere carotinoidreiches Futter, akkumulieren die Stoffe im Gewebe (z. B. Milch, Käse, Butter, Eigelb).
Obwohl Vitamin A selbst nicht in pflanzlichen Lebensmittel enthalten ist, kann es aus den Carotinoiden im Körper zu Vitamin A umgewandelt werden. Carotinoide gelten daher als Vorstufen für Vitamin A und werden als Pro-Vitamine bezeichnet. Daher ist eine ausreichende Versorgung theoretisch ohne die direkte Aufnahme von Vitamin A möglich. Allerdings gibt es weitere Faktoren, welche die Umwandlung beeinflussen und damit, inwieweit Vitamin A seine Funktionen im Körper übernehmen kann (Westphal und Böhm, 2015).
Funktionen von Vitamin A
Vitamin A ist im Körper an vielen wichtigen Funktionen beteiligt. Dazu gehören:
- Beteiligung am Sehvorgang
- Unterstützung der Zellteilung
- Beteiligung am Wachstumsprozess
- Reproduktionsfunktion
- Unterstützung der Immunfunktion
- Beteiligung an der Embryonalentwicklung
(Heseker und Stahl, 2010).
Als Carotinoid kennst du bestimmt Beta-Carotin. Daneben gibt es aber noch viele weitere, z. B. Alpha-Carotin oder Beta-Cryptoxanthin. Doch nicht alle Carotinoide haben Provitamin-A-Funktion. Lycopen und Lutein, die dir vielleicht als farbgebender Inhaltsstoff in den Tomaten bekannt sind, gehören dazu. Das heißt aber nicht, dass sie „nutzlos“ sind. Im Gegenteil: Sie übernehmen als sekundäre Pflanzenstoffe wichtige antioxidative Funktionen im Körper. Das heißt, sie verhindern die Bildung von potenziell schädlichen Sauerstoffadikalen (ROS) und verhindern damit beispielsweise oxidative Schäden an der DNA. Hochdosiertes Beta-Carotin, das über Nahrungsergänzungsmittel aufgenommen wurde und unter hohem Sauerstoffpartialdruck (z. B. in der Lunge) sowie unter starkem oxidativen Stress wurden aber auch pro-oxidative Eigenschaften beobachtet.
Beta-Carotin übernimmt u. a. folgende Funktionen:
- stimulierende Wirkung auf das Immunsystem
- Einfluss auf Zell-Differenzierung, intrazelluläre Signalwege, Apoptose
- wird in der Lebensmittelindustrie als Farbstoff genutzt (E160a) (in Butter, Margarine, Speiseeis, Desserts, als Vitaminzusatz) ohne Höchstmengenschränkung
- mögliche positive Wirkungen auf Erkrankungsrisiken (manche Krebsarten, Diabetes mellitus Typ 2, Atherosklerose; entzündliche Erkrankungen wie Rheuma und Asthma)
- UV-Schutz bei 15–180 mg/d über mindestens 10 Wochen eingenommen (inkl. Lycopin) (nicht vergleichbar mit Sonnenschutzcreme!)
(Westphal und Böhm, 2015; transGen-Datenbank).
Es gibt zudem Hinweise, dass Vitamin A und Beta-Carotin die Absorption von Eisen erhöhen können, indem sie die hemmende Wirkung durch Phytate und Tannine reduzieren könnten (Layrisse et al., 2000). Das wäre ein interessanter Aspekt für Veganer, denn sie nehmen häufig viele dieser Hemmstoffe auf, was sich beispielsweise negativ auf die Bioverfügbarkeit von Eisen oder Zink auswirken kann und somit das Risiko für eine unzureichende Versorgung erhöht.
Allerdings wird diese Wirkung nicht in allen Untersuchungen bestätigt und es ist unklar, ob dies auch die Aufnahme von dreiwertigem Nicht-Häm-Eisen aus Pflanzen betrifft. Denn in den Studien aßen die Probanden mit Eisenfumarat angereicherte Mahlzeiten. Dabei handelt es sich um zweiwertiges Eisen, welches durch Beta-Carotin wahrscheinlich an der Oxidation zu dreiwertigem gehindert und somit besser verfügbar wurde. Auch das Verhältnis von Eisen und Beta-Carotin in den Mahlzeiten spielte eine Rolle, was man im Ernährungsalltag schwer kontrollieren kann.
Du siehst, eine ausreichende Versorgung mit Vitamin A ist wichtig. Doch wie kannst du deine Versorgung mit Vitamin A vegan sicherstellen?
Versorgung mit Vitamin A vegan
Bei der Betrachtung der Carotinoide als Vorstufe von Vitamin A gibt es grob gesehen zwei Aspekte, die es zu beachten gilt:
- die Bioverfügbarkeit der Carotinoide
- die Umwandlungs-Effizienz der Carotinoide zur aktiven Vitamin-A-Form.
Bioverfügbarkeit
Vitamin A hat in Kombination mit Fett eine Bioverfügbarkeit von 70 bis 90 %, die von Beta-Carotin liegt zwischen 5 % und 65 % (EFSA, 2019). Das ist zum einen relativ gering und zeigt zum anderen die zweite Schwierigkeit: Die große Schwankungsbreite. Wie hoch die Bioverfügbarkeit der Carotinoide ist, hängt u. a. ab von
- der Lebensmittelmatrix
- der Zubereitungsweise
- weiteren Bestandteilen der Mahlzeit
- den anderen in der Mahlzeit enthaltenen Carotinoiden
- dem Alter
- dem Gesundheitszustand
- genetischen Faktoren.
In einer in vitro-Untersuchung hatte das Beta-Carotin aus rohen Karotten beispielsweise nur eine Bioverfügbarkeit von 3 %, gekocht lag sie bei 27 % und mit Fett waren es 39 % (Hedrén et al., 2002). Weitere Tipps bekommst du später im Artikel.
Sind die Carotinoide im Darm aufgenommen worden, so kommt der zweite Aspekt zum Tragen: Hier wird das Provitamin A zu Retinol umgewandelt. Doch wie viel Vitamin A aus den Carotinoiden entsteht, ist von Person zu Person unterschiedlich. Deine Gene spielen dabei die entscheidende Rolle. Dazu erhältst du im Folgenden interessante Hintergrundinformationen.
So beeinflusst die Genetik die Umwandlung von Beta-Carotin zu Vitamin A
Nach der Absorption in die Enterozyten der intestinalen Mukosa (Zellen in der Dünndarmschleimhaut) wird das Provitamin A durch Enzyme zu Vitamin A umgewandelt. Dafür verantwortlich sind nach aktuellem Wissensstand zwei Enzyme: Die Beta-Carotin Oxygenase 1 (BCMO1) und die Beta-Carotin-Dioxygenase 2 (BCDO2). Ersteres ist das bekannteste und wahrscheinlich wichtigste Enzym bei diesem Vorgang.
Doch wie aktiv dieses Enzym ist, ist zwischen den Personen sehr unterschiedlich ausgeprägt. In Untersuchungen wurden 27–45 % der Personen als sogenannte „poor responders“ eingeordnet. Bei ihnen ist die Umwandlungsrate verringert. Doch warum ist das so?
Das Gen, welches das Enzym BCMO1 kodiert (und damit aktiviert), kann unterschiedlich aufgebaut sein. Diese Variationen in den Nukleotiden (also einzelne Basenpaare der DNA) werden in der Forschung als „Single Nucelotid Polymorphism“ (SNPs) bzw. auf Deutsch „Einzelnukleotid-Polymorphismen“ bezeichnet. Diese SNPs wirken sich auf die Enzymaktivitäten aus. SNPs, de auf dem BCMO1-Gen liegen, konnten in Untersuchungen die Umwandlungsrate um 32–69 % reduzieren, solche, die außerhalb des Gens liegen, um 48-59 %. Sie tragen Bezeichnungen wie rs12934922, rs7501331, rs6420424, rs11645428 und rs6564851 (Leung et al., 2009; Lietz et al., 2012a; Lietz et al., 2012b).
Nicht nur die Umwandlung von Beta-Carotin zu Vitamin A ist genetisch bedingt variabel, auch für die Gene, die sich auf die Umwandlung von Lutein und Zeaxanthin auswirken, sind SNPs bekannt. In der Verbreitung der SNPs gibt es Unterschiede zwischen ethnischen Gruppen. In Europa kann Untersuchungen zufolge bis zur Hälfte der Bevölkerung davon betroffen sein (Leung et al., 2009). Wer Träger von einem oder mehreren Polymorphismen ist, kann demnach nur wenig Vitamin A aus Carotinoiden bilden. Bei veganer Ernährung, wenn also gar kein vorgeformtes Vitamin A aufgenommen wird, könnte dies eine ausreichende Versorgung stark erschweren.
Aufgrund der vielfältigen Funktionen, welche Vitamin A im Körper übernimmt, kann eine Unterversorgung negative Folgen mit sich bringen.
Vitamin A Mangel
Eine vorübergehende Unterversorgung führt nicht sofort zu Mangelsymptomen, denn die Leberspeicher reichen eine Weile. Erst nach etwa sechs Monaten ist mit ersten Symptomen zu rechnen. Zu den Vitamin-A-Mangel-Symptomen gehören:
- gestörtes Sehvermögen
- Nachtblindheit
- Erblindung
- Haut- und Schleimhautveränderungen
- Wachstumsstillstand
- Beeinträchtigung des Geruchs- und Geschmackssinns
- Störung der Reproduktionsfunktion
- Verdauungs- und Absorptionsstörungen
- erhöhte Neigung zu Infekten.
Doch heißt das, dass du sicherheitshalber supplementieren solltest? Das ist nur bedingt zu empfehlen. Denn: Wie bei allen fettlöslichen Nährstoffen ist eine Hypervitaminose (Überversorgung) möglich und die kann gefährliche Folgen haben.
Überversorgung mit Vitamin-A
Das Tolerable Upper Intake Level (UL) für Vitamin A liegt für Erwachsene bei 3 mg RAE pro Tag, postmenopausale Frauen sollten den Empfehlungen zufolge nicht mehr als 1,5 µg RAE täglich aufnehmen. Das heißt, wird diese Menge jeden Tag ein Leben lang aufgenommen, sind schädliche Wirkungen auf die Gesundheit unwahrscheinlich (SCF und NDA, 2018; EFSA, 2006). Eine Hypervitaminose durch die Aufnahme von Vitamin A über Lebensmittel ist sehr unwahrscheinlich und kann höchstens bei regelmäßig hohem Leberkonsum auftreten. Bei Schwangerschaftswunsch und im ersten Schwangerschaftsdrittel wird empfohlen, sicherheitshalber auf den Verzehr von Leber und Vitamin-A-Nahrungsergänzungsmittel zu verzichten, da es zu Fehlbildungen beim Embryo kommen könnte (Biesalski et al., 2020).
Bei einer akuten zu hohen Aufnahme kann es zu
- Übelkeit
- Erbrechen
- Kopfschmerzen
- Stehstörungen
- Juckreiz
kommen.
Die Folgen einer chronischen Überversorgung sind unspezifische wie
- schuppende Haut
- Haarausfall
- Müdigkeit
- Knochen-, Gelenk- und Muskelschmerzen.
- Milz- und Leberschwellung sowie Leberzirrhose nach längerer Zeit
(Heseker und Stahl, 2010).
Übrigens: Eine Überversorgung mit Vitamin A bei veganer Ernährung durch Beta-Carotin ist nicht möglich, denn im Körper wird die Umwandlung herunterreguliert, wenn ausreichend Vitamin A zur Verfügung steht. Eventuell hast du schon mal eine Gelbfärbung der Haut beobachtet, wenn du viel Möhren, Kürbis und Süßkartoffel gegessen hast. Das sieht zwar vielleicht erst mal etwas komisch aus, ist aber kein Grund zur Sorge. Denn gesundheitsgefährlich ist dieses Phänomen, welches fachsprachlich als „Carotenodermie“ bezeichnet wird, nicht. Es spiegelt lediglich die hohe Aufnahme wider (Biesalski et al., 2017).
Von einer hohen Aufnahme von Beta-Carotin über Nahrungsergänzungsmittel wird jedoch abgeraten. Denn es gibt Hinweise, dass vor allem bei starken Rauchern das Risiko für Lungenkrebs erhöht ist. Die EFSA erachtet die Aufnahme von bis zu 15 mg Beta-Carotin aus Nahrungsergänzungsmitteln und Lebensmittelzusatzstoffen als sicher (EFSA, 2012). Beobachtungsstudien zeigen zudem einen möglichen Zusammenhang zwischen einer hohen Vitamin-A-Aufnahme (nicht aber von Beta-Carotin) und einem erhöhten Risiko für Hüftfrakturen (Knapik und Hoedebecke, 2021; Charkos et al., 2020).
Du siehst also, weder eine Unter- noch eine Überversorgung ist gut. Aber woher weiß man denn nun, ob man ausreichend mit Vitamin A versorgt ist bei veganer Ernährung?
Überprüfung der Versorgung
Leider ist die Bestimmung des Versorgungsstatus mit Vitamin A nicht so einfach. Denn der Retinolwert im Blut ist dafür aufgrund der körpereigenen Regulationsmechanismen nicht gut geeignet. Wenn die Spiegel erniedrigt sind, ist der Mangel bereits stark ausgeprägt (Biesalski et al., 2017). Außerdem können die Plasmakonzentrationen durch weitere Faktoren, wie Infektionen beeinflusst sein und erhöhte Retinolkonzentrationen zeigen nicht unbedingt eine Überversorgung an, sondern können auch auf Nierenfunktionsstörungen hinweisen (Heseker und Stahl, 2010).
Eine Leberbiopsie stellt tatsächlich die zuverlässigste Methode dar, um die Versorgung zu überprüfen. Doch das ist nicht praxisnah. Eine funktionale und relativ zuverlässige Methode stellt der sogenannte „Relative dose-response (RDR)-Test“ dar. Dabei wird Retinyl-Palmitat oral verabreicht und dann die Veränderung im Serum-Retinol beobachtet. Veränderungen ab 20 % gelten als Indikator für einen Mangel. Allerdings ist auch diese Methode sehr aufwendig. Als mögliche einfachere Alternativen werden der modifizierte RDR, bei welchem 3,4-Didehydroretinylacetat verabreicht wird und der Retinol binding protein (RBP)-RDR-Test sowie weitere Methoden vorgeschlagen (Tanumihardjo, 2012; Fujita et al., 2009).
Im Gegensatz dazu ist es relativ einfach, die Versorgungslage mit Beta-Carotin zu überprüfen. Denn hier stellen die Plasmaspiegel einen zuverlässigen Parameter dar. Allerdings gibt es keine definierten Werte für einen Mangel, die beste präventive Wirkungen treten vermutlich bei 0,5 µmol/l ein, ein Defizit könnte bei unter 0,3 µmol/l vorliegen. Hohe Nüchternkonzentrationen könnten auf eine verminderte Umwandlung hinweisen (Biesalski et al., 2017).
Auch wenn es dir nicht möglich ist, deine Vitamin-A-Versorgung direkt zu messen, kannst du dir einen Überblick verschaffen, ob du ausreichend Carotinoide aufnimmst, um (theoretisch) eine ausreichende Vitamin-A-Versorgung zu ermöglichen.
Bedarf und Zufuhrempfehlungen
Zunächst kannst du überprüfen, wie viele Carotinoide du über die Nahrung aufnimmst und diese Menge mit den aktuellen Referenzwerten zur Nährstoffzufuhr abgleichen. Dafür kannst du Nährstofftabellen, Softwareprogramme oder unsere Nährstoffdatenbank nutzen, in welchen die Carotinoid-Gehalte angegeben sind.
Die D-A-CH-Referenzwerte für Vitamin A liegen in Form einer „empfohlenen Zufuhr“ vor. Für Erwachsene beträgt sie 850 µg RAE für Männer und 700 µg RAE für Frauen. Schwangere und Stillende haben einen höheren Bedarf (800 bzw. 1300 µg RAE) (DGE, 2020b).
Für was steht das „RAE“? Es ist die Abkürzung für „Retinolaktivitätsäquivalent“ und die Verwendung berücksichtigt die jeweiligen biologischen Aktivitäten der verschiedenen Vitamin-A-Formen. Damit soll der unterschiedlichen Pro-Vitamin-A-Wirkung und Verwertbarkeit der Carotinoide Rechnung getragen werden. Auch die Wechselwirkungen mit anderen Nahrungsmittelinhaltsstoffen sowie die Verfügbarkeit aus den Lebensmitteln sind berücksichtigt. Demnach gilt folgendes:
1 µg RAE = 1 µg Retinol (die Wirkform)
1 µg RAE = 12 µg Beta-Carotin
1 µg RAE = 24 µg andere Provitamin-A-Carotinoide.
Daran siehst du, dass im Vergleich zum vorgeformten Vitamin A zwölf mal so viel Beta-Carotin aufgenommen werden muss, um die gleiche Wirksamkeit zu erreichen. Allerdings gelten diese Umwandlungsraten und abgeleiteten Empfehlungen für eine Mischkost. Ob bei einer rein pflanzlichen Ernährung höhere Mengen notwendig sind, ist unklar. Wer genetisch bedingt eine eingeschränkte Umwandlungseffizienz aufweist, wird mit diesen durchschnittlichen Empfehlungen vielleicht nicht ausreichend versorgt. Wichtig ist außerdem, dass die Menge und Verdauung von Fett sichergestellt ist.
Es könnte also schwieriger sein, eine ausreichende Versorgung Vitamin A vegan sicherzustellen, vor allem bei entsprechender genetischer Disposition. Doch woher weiß man nun, ob man genetisch bedingt nur wenig des Beta-Carotins zu Vitamin A umwandeln kann? Gerade bei veganer Ernährung wäre das eine wichtige Information.
Dafür kann man eine genetische Untersuchung nutzen. Aber hier ist Vorsicht geboten: Nur wenige kommerziell angebotene „Gentests“ bieten zuverlässige Informationen dazu. Das ist zum Beispiel durch „Genotyping tests“ möglich, welche anhand von Speichelproben Informationen über vorhandene Genvarianten liefern. Wenn du solch eine Untersuchung vornehmen möchtest, informiere dich ausgiebig über die Testmethoden und ob überhaupt auf relevante genetische Variationen untersucht wird. Unabhängig davon tust du gut daran, Vitamin A bei veganer Ernährung im Blick zu behalten.
Tipps zur Versorgung mit Vitamin A vegan
Deine Genetik kannst du (aktuell) nicht verändern. Doch du kannst deine Versorgung mit Vitamin A bei veganer Ernährung grob gesagt durch vier Arten von Maßnahmen verbessern:
- Lebensmittel mit hohem Gehalt an Carotinoiden wählen.
- Die Bioverfügbarkeit erhöhende Maßnahmen integrieren.
- Die Bioverfügbarkeit hemmende Faktoren reduzieren.
- Vitamin A supplementieren.
Vegane Lebensmittel zur Vitamin A Versorgung
Das vorgeformte Vitamin A ist vor allem in Lebensmitteln tierischen Ursprungs wie Butter, Leber, Ei und Käse enthalten. Beispielhafte RAE-Gehalte kannst du Tabelle 1 entnehmen.
Tabelle 1: Vitamin A aus Lebensmitteln tierischen Ursprungs (BLS)
Nahrungsmittel | Retinoläquivalent pro 100 g in µg | Vitamin A (Retinol) pro 100 g in µg |
Rinderleber | 17900 | 17900 |
Butter | 653 | 590 |
Emmentaler | 291 | 271 |
Hühnerei | 278 | 276 |
Rinderhackfleisch | 17 | 17 |
Bei einer rein pflanzlichen Ernährung solltest du darauf achten, Lebensmittel mit hohem RAE-Gehalt zu integrieren. Eine Übersicht mit guten veganen Quellen findest du in Tabelle 2.
Tabelle 2: Vegane Lebensmittel zur Vitamin-A-Versorgung (BLS)
Nahrungsmittel | Retinoläquivalent pro 100 g in µg | Beta-Carotin in µg |
Karotte | 1637 | 9820 |
Süßkartoffel | 1314 | 7887 |
Grünkohl | 862 | 5169 |
Mango | 194 | 1163 |
Tomaten | 99 | 593 |
Kürbis | 97 | 583 |
Paprika | 88 | 528 |
Die Mengen und Zusammensetzungen der Carotinoide sind u. a. abhängig von den Anbaubedingungen, dem Reifegrad bei der Ernte, der Verarbeitung und Lagerung. Da zudem die Bioverfügbarkeit sehr stark durch die Zubereitung beeinflusst wird, ist die Orientierung an solchen Tabellen nur bedingt hilfreich. Mehr dazu erfährst du nachher noch (Westphal und Böhm, 2015; Biesalski et al., 2017).
Die Gehalte in deinen Lebensmitteln kannst du beeinflussen:
- Zerkleinere und erhitze sie erst kurz vor dem Verzehr.
- Erhitze sie nicht zu stark und lange (< 100 °C).
- Achte darauf, sie kühl und lichtgeschützt zu lagern.
- Lagere sie nicht zu lange.
- Beim Entsaften von Obst können organische Säuren freiwerden, welche den Abbau beschleunigen können.
(Westphal und Böhm, 2015).
Integriere carotenoidreiche Lebensmittel regelmäßig in deinen Speiseplan. Damit profitierst du von der verbesserten Vitamin-A-Versorgung und den Wirkungen der sekundären Pflanzenstoffe. Mit welchen veganen Lebensmitteln man innerhalb eines Tages den RAE-Bedarf decken kann, hat die DGE anhand von zwei Beispielen aufgeführt (DGE, 2020a):
Tabelle 3: Vitamin A Bedarf vegan decken (Beispiel 1)
Menge | Lebensmittel | µg RAE |
150 g | Süßkartoffel (gegart) | 935 |
50 g | Aprikose | 59 |
50 g | Feldsalat | 138 |
12 g | Rapsöl | 33 |
Summe vegane Ernährung 1 | 1.165 |
Tabelle 4: Vitamin A Bedarf vegan decken (Beispiel 2).
Menge | Lebensmittel | µg RAE |
150 g | Karotte (gegart) | 1.175 |
150 g | Kürbis (gegart) | 73 |
12 g | Rapsöl | 33 |
Summe vegane Ernährung 2 | 1.281 |
Das sieht doch eigentlich nicht schwierig aus, oder?
Aber: Die verminderte Umwandlungseffizienz vieler Personen ist dabei wahrscheinlich nicht ausreichend berücksichtigt. Daher ist nicht klar, ob diese Mengen für jeden ausreichen, der sich vegan ernährt. Um das Risiko für einen Vitamin-A-Mangel zu reduzieren, kannst du die Bioverfügbarkeit der aufgenommenen Carotinoide verbessern.
Bioverfügbarkeit erhöhen
Wie hoch die Bioverfügbarkeit der Carotinoide in Lebensmitteln ist, hängt u. a. ab von der Lebensmittelmatrix, also den weiteren Lebensmittelbestandteilen, weiteren Carotinoiden in der Mahlzeit, Fettgehalt und -art sowie dem Alter der Aufnehmenden.
Die Aufnahme der Carotinoide im Gastrointestinaltrakt kannst du verbessern, indem du
- Beta-Carotin-haltige Lebensmittel mit Fetten kombinierst: Eine Verbesserung wird wahrscheinlich bei 2,4 bis 5,0 g erreicht (DGE, 2020a). Das kann die BCMO1-Aktivität erhöhen und es kommt zur Sekretion von Gallensalzen, welche für die Emulgierung und damit Resorption notwendig sind. Wahrscheinlich muss im Rahmen einer ausgewogenen Ernährung die Aufnahme nicht zwingend gleichzeitig erfolgen, es scheint ausreichend zu sein, wenn sie mit wenigen Stunden Abstand, z. B. zur nächsten Mahlzeit, erfolgt (Ribaya-Mercado, 2002).
- die Lebensmittel zerkleinerst (klein schneiden, pürieren, intensiv kauen). Dadurch wird die zelluläre Matrix aufgeschlossen, die Bindung an Protein gelöst und das Carotin aus den intrazellulären Organellen freigegeben (Westphal und Böhm, 2015).
- die Lebensmittel schonend garst. Auch dadurch wird die zelluläre Matrix aufgeschlossen. Zu hohes Erhitzen solltest du aber vermeiden, dann kommt es zu Zubereitungsverlusten (Westphal und Böhm, 2015).
Das sind die bekanntesten und am besten belegten Maßnahmen, mit denen du die zur Bioverfügbarkeit von Carotinoiden verbessern kannst. Es gibt zudem aus in vitro-Untersuchungen (also im Labor an Zellen) Hinweise, dass Calcium die Aufnahme um bis zu 100 % erhöhen könnte. Im Menschen wurden jedoch auch gegenteilige Effekte beobachtet. Die wahrscheinlich nötigen Calciummengen können in der Regel nur über Supplemente aufgenommen werden, hier wurde Calciumcarbonat verwendet. Wahrscheinlich ist die Wirkung u. a. abhängig von der Calciumart und -menge, der Art der Carotinoide sowie der Lebensmittelmatrix.
Ähnliches gilt für Eisen und Zink: In Untersuchungen konnte 20 mg Eisenfumarat bzw. Zinksulfat den Vitamin-A-Status verbessern. Doch auch diesbezüglich können aktuell keine eindeutigen Erkenntnisse für die Praxis abgeleitet werden. Denn es gibt ebenso Untersuchungen, in welchen hemmende Effekte durch diese Nährstoffe beobachtet wurden (Corte-Real und Bohn, 2018).
Aufnahmehemmende Faktoren reduzieren
Die Aufnahme von Beta-Carotinoiden könnte durch (hohe Mengen) von Eisen, Zink, Calcium und Magnesium reduziert werden. Das zeigte sich in unterschiedlichen Untersuchungen. Die verwendeten Mengen nehmen Menschen jedoch im Alltag nicht auf, bei Calcium und Magnesium könnten sie durch eine hochdosierte Supplementation erreicht werden. Du könntest sicherheitshalber die Aufnahme von diesen Supplementen von einer carotinoidhaltigen Mahlzeit trennen. Ein möglicher Grund für ihre hemmende Wirkung ist, dass diese divalenten Metallionen freie Fettsäuren und Gallensalze binden können, was die Aufnahme von Beta-Carotin hemmen könnte (Corte-Real und Bohn, 2018).
Weiterhin reduzieren Ballaststoffe die Aufnahme, welche bei einer veganen Ernährung oft in großen Mengen aufgenommen werden. Da die carotinoidhaltigen Lebensmitteln meist gleichzeitig ballaststoffreich sind, lässt sich das zum einen nicht vermeiden und gleicht sich zum anderen wieder aus. Allerdings kannst du darauf achten, nicht übermäßig viele Ballaststoffe aufzunehmen und vor allem die Menge an isolierten Ballaststoffen (Guarkern-, Johannisbrotkernmehl, Xanthan etc.) einzuschränken. Das wirkt sich nicht nur positiv auf die Aufnahme von Beta-Carotin aus, sondern auch auf die Verfügbarkeit anderer Nährstoffe (Westphal und Böhm, 2015).
Umsetzung in der Praxis
Ein paar beispielhafte Rezepte aus unserem Magazin, mit denen du deine Versorgung mit Vitamin A vegan verbessern kannst:
- mit Amaranth gefüllte Paprika in Tomatensoße aus dem Ofen
- Kürbis-Süßkartoffel-Suppe
- Kürbis-Curry
- Gemüse-Quiche
- Süßkartoffel-Mango-Suppe.
Vitamin A supplementieren
Eine weitere Möglichkeit, um das Risiko für eine unzureichende Vitamin-A-Versorgung bei veganer Ernährung zu reduzieren, ist die Aufnahme von vorgeformtem veganen Vitamin A über Nahrungsergänzungsmittel. Damit wird der Umwandlungsschritt umgangen und somit spielen mögliche Gen-Polymorphismen keine Rolle. Dazu eignen sich Produkte mit Retinylpalmitat oder Retinylacetat.
Da die Aufnahme von vorgeformtem Vitamin A laut der Nationalen Verzehrsstudie II bei Vielkonsumenten sehr nah am UL liegt, dürfen in Deutschland Lebensmittel nicht mit Vitamin A angereichert werden (Ausnahme Margarine oder Mischfetterzeugnisse) und das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) empfiehlt eine Tagesverzehrsmenge inklusive Sicherheitsfaktor von 0,2 mg pro Tag. Diese Höchstdosis soll demnach bei Konsumenten mit der höchsten Aufnahme eine Überversorgung verhindern – bei veganer Ernährung ist sie weniger relevant (BfR, 2021).
Das Linus Pauling Institut der Oregon State University empfiehlt eine Dosis von höchstens 750 μg (2500 IU) Vitamin A bei täglicher langfristiger Supplementierung (Linus Pauling Institute, 2021). Diese Menge entspricht also ungefähr der Aufnahmeempfehlung für Vitamin A der DGE. Da Veganer kein vorgeformtes Vitamin A über die Ernährung aufnehmen und diese Dosierung weit entfernt vom UL liegt, kann sie als angemessen für Veganer eingestuft werden. Ob sie ausreichend ist, kann man nur durch eine Überprüfung des Versorgungsstatus sicherstellen.
Achte bei der Wahl eines Produktes darauf, dass es sich um eine synthetisch hergestellte Vitamin-A-Form handelt, die ohne tierische Bestandteile hergestellt wurde. Ein Supplement mit Fettzusatz könnte etwas die Aufnahme unterstützen, wenn die Mahlzeit nicht ausreichend Fett enthält.
Fazit: Vitamin A bei veganer Ernährung
Vitamin A wird in der Regel nicht zu den potenziell kritischen Nährstoffen bei veganer Ernährung gezählt. Denn auch wenn es selbst nicht in pflanzlichen Lebensmitteln vorkommt, ist eine Umwandlung aus Carotinoiden möglich.
Aber: Die Carotinoide weisen zum einen eine geringe Bioverfügbarkeit auf, zum anderen ist die Umwandlungsrate sehr variabel und je nach Genetik kann sie stark limitiert sein. Dies kann eine ausreichende Vitamin-A-Versorgung allein durch die Aufnahme von Carotinoiden erschweren. Aufgrund der nur bedingten Möglichkeiten, eine unzureichende Versorgung festzustellen bzw. herauszufinden, ob man eine genetische Prädisposition zur reduzierten Umwandlung hat, können gegebenenfalls niedrig dosierte Nahrungsergänzungsmittel mit vorgeformtem veganen Vitamin A erwogen werden. Sprich eine Einnahme aber am besten immer mit deinem Arzt ab, da u. a. Interaktionen mit Medikamenten möglich sind. Zudem sollten präventiv keine hochdosierten Supplemente eingenommen werden, um eine Überdosierung mit gesundheitsschädlichen Folgen zu verhindern.
Allerdings beruhen die Erkenntnisse zur reduzierten Umwandlung und die daraus abgeleitete Vermutung, dass manche Veganer ein hohes Risiko für eine unzureichende Vitamin-A-Aufnahme haben, nicht auf eindeutig gesicherten Kenntnissen. Die Relevanz der genetischen Polymorphismen für den (veganen) Ernährungsalltag ist nicht klar. Ob Veganer ein hohes Risiko für gesundheitliche Beeinträchtigungen durch eine unzureichende Vitamin-A-Versorgung haben, ist aktuell nicht geklärt. Es ist aber ein spannendes Thema, welches man als Veganer im Blick behalten kann.
Unsere Empfehlung: Halte deine Beta-Carotin-Aufnahme über die Nahrung hoch und achte auf Maßnahmen, um die Bioverfügbarkeit zu erhöhen. Ergänzend kann ein moderat-dosiertes veganes Vitamin-A-Supplement, z. B. über ein Multinährstoffpräparat, eingesetzt werden.
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