Vegane Ersatzprodukte: Veggy-Schnitzel, Sojawürstchen und Seitan-Burger lassen das vegane Herz höher schlagen, denn selbst der ehemalige Fleischverfechter muss durch die heutzutage angepriesenen Fleischimitate geschmacklich auf nichts mehr verzichten. Vielleicht zählst du zu den Personen, die sich mit dem Jahreswechsel für eine pflanzenbetonte oder gänzlich vegane Ernährung entschieden haben. Mag es aus gesundheitlichen, ethischen oder umweltorientierten Gründe sein. Nun wirst du im Supermarkt mit der enormen Vielfalt an veganen Artikelm überflutet und fragst dich: Was soll daran noch natürlich und gesund sein? Nicht selten schreckt einen schon der Blick auf die Zutatenliste vom Verzehr ab.
Vegane Ersatzprodukte – ein Trend für mehr Bewusstsein oder industrielle Augenwischerei? Wir sind diesen Fragen nachgegangen und wollen dir unter anderem aus ernährungsphysiologischer Sicht Antworten darauf geben.
Ersatz für Fleisch & Co: worum handelt es sich?
Das Interesse an veganer Ernährung steigt konstant und dabei geht es um deutlich mehr als einen scheinbar flüchtigen Modetrend. Denn die Konsequenzen einer tierproduktfreien Kost auf den Alltag sind tiefgreifend. In Deutschland liegt die Zahl der Veganer bei ca. 1,5 % der Gesamtbevölkerung, das heißt bei ca. 1,2 Mio. Menschen (Hopp et al., 2017).
Die Industrie hat durch dieses Interesse nicht lange auf sich warten lassen und den aufkommenden Nischenmarkt schnellen Schrittes gefüllt. Du entscheidest dich für den Verzicht auf Fleisch, Fisch, Käse, Milch, Joghurt, Eier und fragst dich nun, was du künftig essen sollst? Der Supermarkt kennt die Antwort, denn mittlerweile finden wir vegane Ersatzprodukte nicht mehr ausschließlich im Reformhaus oder Bioladen. Das Angebot zieht jedoch nicht nur die Aufmerksamkeit von Veganern auf sich. Auch Vegetarier und teilweise Mischköstler machen sich mit den pflanzenbasierten Fleischalternativen vertraut. Der Markt an „vegan“-gekennzeichneten Produkten ist im Jahr 2016 um 9 % gewachsen, sie machten 13% aller neuen Markteinführungen aus (Schaak et al., 2015; Mintel, 2017).
Das mag nicht zuletzt an der öffentlichen Stellungnahme der WHO bzw. auch der DGE liegen, in welchen eine wahrscheinliche Korrelation zwischen dem Verzehr von rotem Fleisch und der Tumorentstehung im Dick- und Mastdarm aufgezeigt wurde (DGE, 2009; IARC, 2015). Wenn es um den Umweltschutz geht, schneidet Käse in der Klimabilanz übrigens noch schlechter ab als Fleisch (Meinert und Stolt, 2012).
Das altbewährte und für die meisten bekannte „Fleisch der Vegetarier“ ist Tofu: ein relativ naturbelassenes Produkt, das den fleischlosen Speiseplan mit den hochwertigen Aminosäuren der Sojabohne definitiv bereichert. Bei dem Begriff Soja werden einige von euch bestimmt hellhörig, mag es an einer Allergie, der gentechnischen Produktion oder der mäßigen Nachhaltigkeit liegen. Ist Soja nun tatsächlich das Non-Plus-Ultra für Veganer?
Ist Soja die Lösung?
Die Hülsenfrucht ist ein beliebter Rohstoff für die Herstellung tierischer Ersatzprodukte, nicht zuletzt wegen ihres hohen Proteingehalts bzw. dem hochwertigen Aminosäurespektrum. Selbstverständlich stehen hinter dem hohen Produktions- und Verkaufsangebot auch ökonomische Vorteile; schließlich nimmt die Sojabohne die weltweit größte Ackerbaufläche unter den Ölsamenplanzen ein und ist das beliebteste Tierfuttermittel in der Landwirtschaft (Meinert und Stollt, 2012).
Allerdings hat jede Medaille zwei Seiten: durch den hohen Eiweißgehalt kann das Sojaprotein in unserem Körper ein potenuieller Erreger für eine Allergie sein. Einigen sagt aber auch einfach der Geschmack von Sojaprodukten nicht zu, beispielsweise der Sojadrink im Kaffee. Andere stellen den Nachhaltigkeitsaspekt sowie die gentechnische Veränderung von Soja in Frage und lehnen solche Produkte deshalb ab. Beim Kauf von Sojaprodukten wird empfohlen, auf die Herkunft des Sojas zu achten. Die ökologisch verheerenden Folgen durch den Sojaanbau werden aber deutlich mehr durch die Futtermittelproduktion, nicht durch die Tofu- und Sojadrink-Herstellung, ausgelöst.
Selbstverständlich ist Soja nicht die einzige und für jeden Verbraucher beste Alternative. Mittlerweile steht uns aber auch schon eine Bandbreite für vegane Ersatzprodukte auf Basis von Getreidesorten oder Nüssen zur Verfügung: sei es Reis, Hafer, Dinkel, Mandel, Haselnuss oder Cashew – für jeden Geschmack und deine individuelle Verträglichkeit findet sich das Richtige.
Vegane Ersatzprodukte: Inhaltsstoffe
Die pflanzlichen Fleischimitate werden meist auf Basis von Soja oder Lupine hergestellt bzw. als Seitan (Weizeneiweiß) verkauft. Vegane Käsealternativen stammen entweder aus der Verarbeitung von Nüssen oder sind in Form von Käseaufschnitt eine Mischung aus Kartoffelstärke, pflanzlichen Ölen und diversen Zusatzstoffen. Beim Milch- und Joghurtersatz findest du die bereits genannte breite Palette basierend auf Getreide-, Nusssorten oder Hülsenfrüchten. Das vegane „Ei“ lässt sich problemlos aus in Wasser eingeweichten Chia- bzw. Flohsamenschalen oder auch in Form von Bananen- bzw. Apfelmus selbst herstellen. In der Regel findest du auch zusätzliche Zusatzstoffe, wie Aromen, Geschmacksverstärker und Konservierungsmittel in stärker verarbeiteten Produkten.
Ernährungsphysiologische Bewertung
Bei veganen Ersatzprodukten teilen sich die Meinungen; darüber lässt sich streiten. Doch Wissenschaftler des IFANE (Institut für alternative und nachhaltige Ernährung) haben sich dieser Thematik angenommen und in einer Studie 80 fleischlose Ersatzprodukte und 27 Fleisch- bzw. Wurstalternativen im Hinblick auf ihren ernährungsphysiologischen Wert analysiert. Dabei wurden Parameter wie der Protein- und Energiegehalt, das Fettsäurespektrum, der Salzgehalt, usw. unter die Lupe genommen.
Im direkten Vergleich schnitten die untersuchten Veggy-Alternativen in mehreren Kriterien besser ab als ihre fleischhaltigen Gegenstücke. Nicht nur, dass wir im veganen Produkt keinerlei Cholesterin, einen tierischen Fettbegleitstoff, finden. Sie enthalten kaum die ungünstigen gesättigten Fettsäuren, sind im Durchschnitt reicher an Protein und auch die Umwelt wird bei der Herstellung der veganen Produkte bei Weitem mehr entlastet. Das heißt, man benötigt deutlich weniger Ressourcen bei der Produktion, beispielsweise Wasser und Anbaufläche. Sie enthalten weniger Pestizidrückstände, Hormone und Antibiotika, die im tierischen Körper akkumulieren und letzten Endes im Fleischprodukt zu finden sind. Somit bringen vegane Ersatzprodukte als scheinbar chemische Fleischimitate eine Handvoll Vorteile mit sich; zumindest im Vergleich zu verarbeiteten Fleischprodukten (Huber und Keller, 2017).
Bio vs. konventionell
In dieser Studie wurde nicht nur zwischen veganen, vegetarischen und fleischhaltigen Waren unterschieden, auch das Kriterium von biologischer versus konventioneller Herstellung war entscheidend. Dabei kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis: Bio-Produkte enthalten in der Regel keine bzw. kaum Zusatzstoffe und Geschmacksverstärker und häufiger mehr gesättigte Fettsäuren und höhere Salzgehalte als die konventionellen Produkte. Die Zusammensetzung der Ersatzprodukte variiert jedoch stark.
Aspekte der Ethik und Umwelt
Auch wenn vegane Ersatzprodukte nicht die Grundlage deiner Ernährung sein sollten, liefern sie nicht nur aus ernährungswissenschaftlicher Sicht mehr Vorteile als Fleisch und Wurst. Wenn du dich aus ethischen oder ökologischen Gründen für den Veganismus entschieden hast, setzt du mit dem Sojaschnitzel selbstverständlich auch bei diesen Aspekten auf die richtigen Karten. Sowohl die Problematik der Tierrechte als auch das globale Problem der Umweltschäden und Klimaauswirkungen wird positiv beeinflusst, wenn wir uns für die pflanzliche Alternative auf dem Teller entscheiden.
Vegane Ersatzprodukte: gesund oder ungesund?
Die genannten Vorteile mögen auf den ersten Blick sehr vielversprechend klingen. Aber aufgepasst: vegane Ersatzprodukte stehen in keinem Vergleich zu vollwertigen, pflanzlichen Lebensmitteln. Die Studie des IFANE hat natürlich auch mögliche Nachteile der Fleischimitate beleuchtet, worunter besonders der hohe Salzgehalt fällt. Wir finden zwar kein Cholesterin und kaum gesättigte Fettsäuren in den Erzeugnissen, aber das Fettsäurespektrum lässt trotzdem zu wünschen übrig. Denn in vielen dieser Produkte werden pflanzliche Öle mit einem hohen Gehalt an Omega-6-Fettsäuren verwendet, was das Verhältnis zu den in der veganen Ernährung ohnehin oft zu kurz kommenden und so wichtigen Omega-3-Fettsäuren stark erhöht das Produkt und somit gesundheitlich abwertet.
Wie kann man nun die Qualität eines Produktes erkennen? Mit einem genaueren Blick auf die Zutatenliste und die Nährwerttabelle. Du wirst mit Sicherheit auch merken, dass sich das tägliche Veggy-Fleisch an deinem Geldbeutel bemerkbar macht, denn preiswert sind die Produkte in der Regel nicht.
Wie lassen sich vegane Ersatzprodukte nun letztlich beurteilen? Vor allem durch die ökologischen und ethischen Pluspunkte sollten sie definitiv den verarbeiteten Fleischwaren vorgezogen werden. Der Vorteil: sogar Mischköstler müssen geschmacklich auf nichts verzichten und haben eine vertretbare Alternative zum Fleisch. Gerade für den Umstieg auf vegane Ernährung sind vegane Ersatzprodukte sinnvoll einzustufen. Auf lange Sicht sollte in jedem Fall eine vollwertige Ernährung auf Basis von unverarbeitetem Gemüse, Getreide, Obst, Hülsenfrüchten und Nüssen bevorzugt werden. Trotzdem muss nicht komplett auf das Seitanschnitzel oder den Veggy-Burger verzichtet werden. Denn dazu gibt es mit Sicherheit den ein oder anderen Anlass, wie beispielsweise eine Geburtstagsparty oder das Essen gehen mit deinem nicht-veganen Bekanntenkreis. Wer möchte Mischköstlern nicht zeigen, dass man auch als Veganer herzhafte Speisen ohne Gefühl des Verzichts genießen darf?
Fazit: vegane Ersatzprodukte und ihr Nutzen
Die Anzahl an Veganern in Deutschland steigt – mit ihr auch zeitgleich das Angebot an pflanzlichen Fleischimitaten. Ob Burger, Schnitzel, Würstchen oder Aufschnitt – Soja, Seitan & Co machen’s möglich. Beim Gedanken an veganes Fleisch mögen sich viele fragen, wofür das denn überhaupt nötig sei und ob solche Produkte noch einen Hauch an gesunden Inhaltsstoffen mit sich bringen?
Tatsächlich schneiden vegane Ersatzprodukte einer wissenschaftlichen Untersuchung nach in mehreren Aspekten besser ab als die damit verglichenen Fleischwaren. Kein Cholesterin, kaum gesättigte Fettsäuren und vor allem die umweltfreundlichere und ethisch vertretbare Produktion sind die wesentlichen Vorteile. Für einen leichteren Umstieg auf vegane Ernährung, um geschmackliche Vorlieben von Fleischliebhabern und soziale Gegebenheiten zu erfüllen, eignen sich vegane Ersatzprodukte optimal. Sie sollten allerdings nur in Maßen konsumiert werden, denn für eine ausgewogene und gesunde Ernährung fehlen ihnen oft wichtige Inhaltsstoffe.
Der Inhalt dieses Artikels kann und soll eine individuelle Vegane Ernährungsberatung nicht ersetzen. Im Verzeichnis für Vegane Ernährungsberatung findest du, in deiner Nähe vor Ort oder online, fachkundige Unterstützung.
Danke für den ausführlichen Bericht! Vermisst habe ich allerdings die Erwähnung der vielen Fleischalternativen aus Biozutaten wie die Produkte von Wheaty, Alberts usw. Außerdem isst man diese Alternativen nicht ausschließlich, sondern mit frischem Gemüse/Salat und Beilagen, womit der Einwand der fehlenden Vollwertigkeit hinfällig ist.
Hallo, liebe Eva-Maria,
vielen Dank für dein Feedback zu unserem Artikel!
Wir haben das Thema eher umfassend umgriffen und sind absichtlich nicht auf konkrete Produkte eingegangen. Die Vorteile der biologisch hergestellten Fleischalternativen wurden erwähnt und sind definitiv hervorzuheben – das zeigt auch die Studie des IFANE. Ja, in der Regel werden diese Produkte nicht separat verzehrt. Wenn man jedoch (Weiß-)Brot mit veganem Käse und der veganen Wurst verzehrt (als klassisches „Abendbrot“), ist die Mahlzeit wiederum weit von der Vollwertigkeit entfernt.
Ganz generell, wie auch aus dem Artikel hervorgeht, haben vegane Ersatzprodukte ihre absolute Berechtigung, darauf kann zurückgegriffen werden (vorausgesetzt die Ernährung wird generell vollwertig gestaltet) und vor allem für den Umstieg in eine vegane Ernährung können sie Abhilfe schaffen. 🙂
Ganz Liebe Grüße & alles Gute,
Isabel!
Vielen Dank für den Artikel!
Meine Schwester lebt vegan, damit kochen wir zuhause im Moment viel mit Ersatzprodukten (wie z. B. veganer Crème Fraiche in Saucen). Mir waren diese Produkte bisher sehr suspekt, auch, weil ich hier das transformatorische Potential für die Landwirtschaft vermisse, da es immer noch Produkte aus industrieller Landwirtschaft (bzw aus einem System, von dem wohl doch letztlich dieselben profitieren, die von allen anderen Lebensmittelprodukten profitieren) sind. Ich persönlich hoffe auf eine Entwicklung zu mehr Kleinbauerntum und vielen Arbeitskräften in der Landwirtschaft (SoLaWis etc.), was mit deutlich reduziertem Fleisch- und Milchproduktkonsum einhergehen würde, nicht aber mit völligem Verzicht, da Tiere auf Kleinbauernbetrieben einen ganz anderen Stellenwert und Nutzen haben als in industriellen Fleischproduktionsbetrieben (ich will das nicht „Höfe“ nennen). Dennoch sehe ich natürlich, dass vegane Produkte aus dem Supermarkt immer noch umwelttechnisch (und wie ich hier lese auch gesundheitstechnisch) eine bessere Alternative sind als die herkömmlichen Fleisch- und Milchprodukte. Damit sehe ich heute Mittag beim Kochen auch keinen Grund mehr, meine Sauce nicht mit einem Ersatzprodukt zu verfeinern. Vielen Dank dafür!
Liebe Anne,
ganz herzlichen Dank für deinen wertvollen Kommentar und das Teilen deiner persönlichen Erfahrungen.
Wie du sagst und wie im Artikel erwähnt wird, steht der Konsum von veganen Ersatzprodukten nicht nur mit (gesundheitlichen) Nachteilen in Verbindung. Im Vergleich zur Herstellung tierischer Produkte können die veganen Alternativen den ein oder anderen vorteilhaften Aspekt aufweisen.
Herzliche Grüße,
Isabel!