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Vegan glutenfrei leben mit Genuss und Nährstoffsicherheit.
Brot, Brötchen, Nudeln, Kuchen, Kekse – wer liebt sie nicht? Sie gehören für viele zum Alltag dazu. Doch was, wenn man glutenfrei und vegan leben möchte? Plötzlich erscheint die Welt der Mehlwaren in einem anderen Licht. Die gewohnten Lieblingsstücke fallen weg, und die Alternativen sind oft nicht ganz das, was man gewohnt ist – weniger Auswahl, teurer und manchmal auch einfach nicht so lecker.
Doch vegan glutenfrei leben ist möglich. Erfahre, was Gluten eigentlich ist, welche Lebensmittel es enthalten, wie man glutenfreie Optionen erkennt und vor allem, wie die Herausforderung gemeistert werden kann, glutenfrei und vegan zu genießen. Mit den richtigen Tipps und Tricks wird die vegane glutenfreie Ernährung abwechslungsreich, gesund und vor allem lecker!
Gluten: Wichtiger Klebstoff
Der Begriff „Gluten“ kommt aus dem Lateinischen und bedeutet „Leim“ oder „Kleber“. Das hat jedoch nichts mit dem Tapetenkleister zu tun. Vielmehr verdeutlicht die Bezeichnung die physiologischen Eigenschaften, welche wichtig für das perfekte Gebäck sind. Gluten ist für die Backfähigkeit des Teiges bedeutsam und verleiht ihm eine klebrigzähe, elastische Konsistenz, die dazu führt, dass er später „aufgeht“, seine Form erhält und fertiges Brot, Brötchen oder Kuchen eine lockere Konsistenz bekommen.
Was viele nicht wissen: Gluten ist ein Oberbegriff für zwei spezifische Proteinfraktionen in Getreidearten, die als Backgetreide verwendet werden. Es setzt sich zusammen aus den sogenannten Prolaminen und Glutelinen. Wie hoch der jeweilige Anteil ist, unterscheidet sich sowohl zwischen den verschiedenen Getreidearten als auch zwischen den verschiedenen Sorten, also zum Beispiel zwischen Roggen und Weizen, aber auch zwischen den einzelnen unterschiedlichen Weizensorten; zudem ist eine Variation des Gehalts innerhalb einer Sorte möglich, zum Beispiel je nach Anbaugebiet (Scherf und Köhler, 2016).
Nicht nur Brot enthält Gluten
Oft verbindet man mit Gluten Brot, Kuchen und anderes Gebäck, die aus Getreide bestehen. Teilweise besteht auch die Annahme, dass nur Weizen glutenhaltig sei. Doch zu den glutenhaltigen Getreidesorten gehören:
- Weizen
- Roggen
- Gerste
- Dinkel (eine Weizenart)
- Kamut
- Grünkern
- Triticale
- Emmer
- Einkorn
- Hafer.
Interessant: Hafer enthält zwar Gluten, aber wenig Prolamin, welches zudem anders zusammengesetzt ist als bei den anderen Getreidesorten. Da Prolamine für die Immunreaktion bei Zöliakiepatienten verantwortlich sind, könnten Haferflocken für sie weniger problematisch sein und eine gute Nährstoffquelle darstellen (Kamel et al., 2022). Allerdings spielt insbesondere bei Haferflocken die Kontamination mit anderen glutenhaltigen Getreidesorten eine Rolle, weshalb sie oft doch mehr Prolamin enthalten – mehr dazu später.
Tauchen die genannten Getreidesorten in der Zutatenliste auf, ist das entsprechende Produkt bei glutenfreier Ernährung tabu. Sie sind nicht nur in Backwaren enthalten, sondern unter anderem in:
- panierten Speisen
- Seitan
- Pflanzendrinks-, –joghurt, beispielsweise auf Dinkelbasis oder mit Zusätzen
- mariniertem, gewürztem, paniertem Tofu und Tempeh
- Schokolade, Eis mit Keksen
- Gewürzen und gewürzten Produkten
- Fleischersatzprodukten
- Sojasoße
- Getreidekaffee
- Bier
- Limonaden
- als Bindemittel in Saucen, Suppen, Cremes
- als Trägerstoff beispielsweise für Aromaverbindungen
- als Trennmittel oder bei der Herstellung von Medikamenten und Dragees.
Das Gute: Die glutenhaltigen Getreidesorten werden in der Zutatenliste aufgeführt und glutenhaltiges Getreide unterliegt der Allergenkennzeichnungspflicht im europäischen Raum, es muss also auf der Verpackung gekennzeichnet und bei loser Ware darauf hingewiesen werden.
Nicht erkennbar sind jedoch Kontaminationen mit glutenhaltigem Getreide. Diese betreffen vor allem Hafer und Buchweizen, welche durch Herstellung, Lagerung und Transport mit diesem in Berührung kommen können und dann mehr oder weniger große Mengen Gluten enthalten. Um sicherzugehen, dass kein Gluten enthalten ist, muss man auf als „glutenfrei“ bezeichnete Produkte zurückgreifen, die meist auch mit der durchgestrichenen Ähre gekennzeichnet sind (Abbildung 1). Sie enthalten maximal 20 mg Gluten pro Kilogramm. Produkte, die mit „sehr geringer Glutengehalt“ bezeichnet werden, enthalten unter 100 mg Gluten pro Kilogramm.
Abbildung 1: Das Symbol der durchgestrichenen Ähre für glutenfreie Lebensmittel (drschaer.com.)
Vegane glutenfreie Lebensmittel
Ist es schwieriger vegan glutenfrei zu leben als mit Mischkost? Das lässt sich pauschal nicht beantworten. Auf der einen Seite wächst die Zahl an verarbeiteten glutenfreien Produkten und es gibt immer mehr glutenfreie Süßigkeiten, Snacks und Co., was die Umsetzung der glutenfreien Ernährung einfacher machen kann. Jedoch enthalten sie häufig Bestandteile tierischen Ursprungs. Auf der anderen Seite bietet die vegane Lebensmittelpalette eine große Auswahl an glutenfreien Lebensmitteln, die gesundheitsförderliche Bestandteile wie Mikronährstoffe, Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe enthalten.
Gut als glutenfrei identifizierbar sind die unverarbeiteten Lebensmittel oder solche, denen keine weiteren Zutaten zugesetzt sind. Dabei können Veganer aus den folgenden Lebensmittelgruppen wählen:
- Obst, Beeren
- Gemüse, Salat
- Hülsenfrüchte
- Nüsse und Samen
- Getreide (Reis, Mais, Hirse)
- Pseudogetreide (Amaranth, Quinoa)
- Kartoffeln.
Daraus weiterverarbeitete Produkte, die – wenn keine weiteren Zutaten zugegeben wurden – glutenfrei sind, zeigt Tabelle 1.
Tabelle 1: Beispielhafte gering verarbeitete vegane glutenfreie Lebensmittel.
Lebensmittelgruppe | beispielhafte oft glutenfreie verarbeitete Lebensmittel |
Obst | Püree, Mus, Mark Trockenfrüchte (unbemehlt) Marmelade |
Gemüse | Pürree, dehydriertes/getrocknetes Gemüse |
Hülsenfrüchte | Nudeln Naturtofu Soja-, Erbsenschnetzel (TVP) Tempeh, natur Pflanzendrink, -joghurt ohne Zusätze |
Nüsse und Samen | Mus, Öle, Mehle |
Getreide | Reiswaffeln, -nudeln, -mehl Maiswaffeln, -stärke, -nudeln, -mehl, Popcorn Hirsebällchen, -mehl Haferflocken, -mehl (glutenfrei) |
Pseudogetreide | Amaranth-, Quinoa-, Buchweizenmehl/-flocken, gepufft |
Bei den stärker verarbeiteten Lebensmitteln muss der Blick auf die Zutatenliste etwas länger ausfallen. Veganer Essig, Schokolade, Gummibärchen, Senf und Ketchup sowie Süßungsmittel sind oft glutenfrei. Aber auch hier können in Zusatzstoffen glutenhaltige Bestandteile enthalten sein.
Einige Backwaren sind vegan und glutenfrei. Sie basieren beispielsweise auf Reis-, Hirse- oder Maismehl. Wer schon mal versucht hat, mit diesen Mehlen zu backen und lediglich das herkömmliche Mehl ersetzt hat, wird wahrscheinlich ziemlich unzufrieden mit dem Ergebnis gewesen sein. Denn hier fehlt der zusammenhaltende Kleber. Glutenfreie Rezepte setzen daher auf Bindemittel wie Xanthan, Sojamehl, Mais-, Kartoffel- oder Tapiokastärke, Flohsamenschalen, Leinsamen oder Guarkernmehl.
Vegan glutenfrei leben: die Nährstoffhürden
Verarbeitete glutenfreie Produkte weichen oft in ihrer Nährstoffzusammensetzung von den glutenhaltigen Pendants ab. Allerdings wächst mit der Anzahl der glutenfreien Produkte auch die Vielfalt an Zusammensetzungen, was zu Unterschieden in den Nährstoffgehalten führt. Untersuchungen zeigen, dass Personen, die sich glutenfrei ernähren, häufig weniger B-Vitamine, wie Vitamin B12 und Folat, Zink, Magnesium und Eisen sowie Calcium aufnehmen (Araya et al., 2020; Fry et al., 2018; Jones, 2017; Lebwohl et al., 2017; Martin et al., 2013; Newberry et al., 2017; 2013; Reilly, 2016; Theethira et al., 2014; Vici et al., 2016). Das kann zu Nährstoffmängeln führen. Geringere Gehalte an Ballaststoffen erhöhen das Risiko für diverse Erkrankungen, wie Fettstoffwechselstörungen (Felber et al., 2022; Reese et al., 2018; Welstead et al., 2015). Außerdem gibt es Hinweise, dass eine glutenfreie Ernährung die Darmmikrobiota negativ beeinflussen könnte (Caio et al., 2020).
Zunehmen und Abnehmen mit glutenfreier veganer Ernährung
Durch die Ernährungsumstellung kann sich – wie immer, wenn die Lebensmittelauswahl verändert wird – die Kalorienzufuhr unbewusst verändern: Wer vermehrt zu stärker verarbeiteten glutenfreien Ersatzprodukten greift, kann dadurch weniger Ballaststoffe und mehr Fette aufnehmen. Das kann das Sättigungsgefühl verringern und (infolgedessen) gegebenenfalls die Kalorienaufnahme erhöhen und schließlich zu einem Anstieg des Körpergewichts führen. Andererseits kann auch die Zufuhr an stark verarbeiteten Getreideprodukten abnehmen, der Gemüse- und Hülsenfruchtkonsum steigen und somit die Kalorienzufuhr reduziert werden, was zu einem Körpergewichtsverlust führen kann. Behalte daher die Entwicklung des Körpergewichts im Blick behalten und nutze beispielsweise ein Ernährungstagebuch, um entsprechende gegenteilige Anpassungen zu treffen, die eine bedarfsgerechte Nährstoff- und Energieaufnahme sicherstellen. Unsere Tipps zum veganen Abnehmen können dir dabei helfen. Um zunehmen, können die Tipps umgekehrt werden.
Werden Lebensmittelgruppen, wie in diesem Fall Getreide, vom Speiseplan gestrichen, müssen die darin enthaltenen Nährstoffe über andere Lebensmittel aufgenommen werden. Das kann mit folgenden Tipps gelingen.
Tipps für die vegane und glutenfreie Ernährung
- Ein Blick auf die Zutatenliste lässt erkennen, ob eher nährstoffreiche oder -arme Bestandteile genutzt werden.
- Einige vegane glutenfreie Produkte sind sehr kalorienreich und dabei ballaststoffarm. Dies kann zu einer ungewünschten Gewichtszunahme führen. Achte also darauf, auch ballaststoff- und proteinreiche Lebensmittel zu integrieren, die beispielsweise auf Hülsenfrüchten basieren.
- Wenn du nun vermehrt Hülsenfrüchte isst, auch in Form von Nudeln oder Mehl, bedenke, dass die enthaltenen Ballaststoffe zu Verdauungsbeschwerden führen können. Steigere die Menge am besten langsam.
- Wer viele unverarbeitete/gering verarbeitete Lebensmittel isst, kann Probleme haben, ausreichend Kalorien aufzunehmen. Dann sollten vermehrt Getreidesorten, sowie Back- und Teigwaren daraus, Soja/-produkte und andere Hülsenfrüchte auf dem Speiseplan stehen – ebenso Nüsse, Samen, Kerne auf dem Speiseplan stehen.
- Alle Lebensmittelgruppen sollten in ihrer Vielfalt integriert werden, sofern sie vertragen werden.
- Pseudogetreide stellt eine wertvolle Alternative zu glutenhaltigem Getreide dar: Quinoa, Amaranth und Co können öfter auf dem Teller landen.
- Wie oft auch bei anderen veganen Produkten variieren die glutenfreien Lebensmittel in Geschmack und Textur. Neues ausprobieren kann helfen, etwas Passendes zu finden.
- Backe dein Brot und Co selbst, um Geld zu sparen.
- Greife vor allem zu Beginn beim veganen und glutenfreien Backen und Kochen auf speziell darauf ausgelegte Rezepte zurück.
- Angereicherte vegane glutenfreie Produkte können es erleichtern, den Nährstoffbedarf zu decken.
- Wer länger unterwegs ist, profitiert von mitgebrachtem Essen.
- Im Restaurant hilft freundliches Nachfragen, ob die Speisen glutenfrei sind. Die dort arbeitenden Personen müssen Auskunft geben können und sind bestimmt gern dazu bereit.
- Social Media-Gruppen, glutenfreie vegane Accounts und Rezeptseiten bieten Inspiration für die eigene vegane glutenfreie Küche.
- Die regelmäßige Überprüfung der Nährstoffversorgung durch aussagekräftige Blutwerte und allgemeine Gesundheitschecks beim Arzt können frühzeitig mögliche Gesundheitsbeschwerden aufzeigen.
- Eine fundierte Vegane Ernährungsberatung kann eine hilfreiche Begleitung sein.
Die besten veganen glutenfreien Rezepte
Glutenfreie Rezeptentwicklung erfordert einiges an Wissen und Erfahrung. Die haben unsere Rezeptentwickler! In unserem Magazin findest du einige köstliche Rezepte, die ohne Gluten auskommen, aber viel Geschmack liefern, beispielsweise:
Zucchininudeln mit Lupinenbolognese
Pikante Hirse – kalter oder warmer Genuss
Chia-Vanille-Pudding auf fruchtigem Beerenspiegel
Vegan glutenfrei leben ist möglich
Eine streng glutenfreie vegane Ernährung bringt viele Herausforderungen mit sich. Aufgrund der Risiken wie Nährstoffmängeln, sozialen Einschränkungen, Schwermetallbelastungen und möglicherweise erhöhtem Erkrankungsrisiko sollte sie nur unter fachlicher Anleitung umgesetzt werden (Bulka et al., 2017; Pfeiffer und Kohlenberg-Müller, 2015; Raehsler et al., 2018; Shah et al., 2014; Araya et al., 2020; Cohen et al., 2019).
Für die Umsetzung ist es wichtig, eine Vielzahl an veganen, glutenfreien Lebensmitteln zu integrieren und dabei insbesondere auf eher gering verarbeitete oder verarbeitete mit höheren Gehalten an Mikronährstoffen, Ballaststoffen und Protein zurückzugreifen, welche glutenfrei und nährstoffreich sind. Zutaten wie Pseudogetreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und Samen sowie Gemüse und Obst sind wichtiger Bestandteil einer veganen glutenfreien Ernährung.
Mit etwas Zeit und fachkundiger Begleitung kann die Umstellung gelingen und das bekannte sonntägliche Weizenbrötchen wird durch neue Geschmackserfahrungen ersetzt. Mit den richtigen Informationen und ein wenig Kreativität steht eine schmackhafte und gesunde Ernährungsweise offen.
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