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Kann Muskelaufbau mit veganen Proteinquellen funktionieren? Wenn du als leidenschaftlicher Kraftsportler mit einer pflanzenbasierten Ernährung liebäugelst, stellst du dir wahrscheinlich genau diese Frage. Denn der veganen Ernährung wird im Kraftsport oft mit Misstrauen begegnet, vegane Proteinquellen gelten als „minderwertig“. Doch was bedeutet das überhaupt? Musst du dir wirklich Sorgen um deinen veganen Muskelaufbau machen?
Wir zeigen dir, welche veganen Proteinquellen deinen Muskelaufbau optimal unterstützen.
Warum sind proteinreiche Lebensmittel für den Muskelaufbau wichtig?
Muskeln bestehen aus Protein, daher liegt die Schlussfolgerung nahe, dass proteinreiche Lebensmittel den Muskelaufbau fördern. Fakt ist: Proteinreiche Lebensmittel stimulieren die Muskelproteinbiosynthese. Warum das wichtig ist?
Zunächst etwas Hintergrundwissen: Den ganzen Tag über wechseln sich Muskelauf- und -abbau ab – abhängig davon, wann Protein über die Ernährung aufgenommen wird (Abbildung 1).
Jede Proteinzufuhr stimuliert die Muskelproteinbiosynthese. Dabei spielt es keine Rolle, ob das Protein aus veganen Quellen stammt oder aus Lebensmitteln tierischen Ursprungs. Nach einiger Zeit nimmt die Muskelproteinsynthese ab und der Muskelproteinabbau zu, bis letzterer schließlich überwiegt. Keine Panik: Das hört sich dramatischer an, als es ist und bedeutet nicht, dass du gleich Muskeln verlierst. Wer Muskeln aufbauen möchte, muss nur sicherstellen, dass am Ende des Tages die Netto-Muskelproteinbiosynthese größer ist als der -abbau und somit eine positive Stickstoffbilanz vorliegt, welche für den Muskelaufbau notwendig ist (Abbildung 2).
Wichtig zu wissen: Da Gewebe aufgebaut werden soll, ist es in der Regel (aber nicht immer) notwendig, in einem Kalorienüberschuss zu essen, also mehr Energie aufzunehmen als zu verbrauchen. Wie groß du den Überschuss wählst, ist u. a. abhängig von Trainingsstatus, Körperfettanteil und Zeitrahmen.
Ist diese Grundlage gegeben, führt die Stimulierung der Muskelproteinbiosynthese zum Muskelaufbau. Sie wird maßgeblich durch folgende zwei Faktoren beeinflusst: Krafttraining und Proteinaufnahme. Kommt beides zusammen, so kann die Muskelproteinbiosynthese maximal stimuliert werden. Wer Krafttraining betreibt und Muskeln aufbauen möchte, sollte also darauf achten, regelmäßig proteinreiche Lebensmittel in seinen Speiseplan zu integrieren.
Wie viel Protein ist notwendig für den veganen Muskelaufbau?
Offizielle Institutionen sehen für den Muskelaufbau im Rahmen einer hyperkalorischen Ernährung (also im Kalorienüberschuss) etwa 1,4–2,0 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht als notwendig an, wobei aus der aktuellen Literatur sicherheitshalber 2,2 g pro Kilogramm Körpergewicht empfohlen werden können. Im Rahmen einer stark energiereduzierten Diät könnten zum Muskelerhalt und für bessere Sättigung bis zu 3 g Vorteile bringen (Ribeiro et al., 2019). Da diese Mengen aber in der Regel unter mischköstlicher Ernährung ermittelt wurden, stellt sich die Frage, wie viel Protein Veganer für den Muskelaufbau benötigen. Betrachtet man vegane Proteinquellen, wird deutlich: Vermutlich sollte bei veganer Ernährung die Proteinzufuhr höher angesetzt sein. Das liegt an den besonderen Eigenschaften pflanzlicher Proteinquellen.
- Pflanzliche Lebensmittel haben im Durchschnitt einen insgesamt geringeren Gehalt an den essenziellen Aminosäuren. Diese müssen in ausreichender Menge über die Ernährung zugeführt werden, damit Protein im Körper aufgebaut werden kann.
- Pflanzliche Proteinquellen haben oft eine „ungünstigere“ Aminosäurenzusammensetzung, denn sie sind arm an einer essenziellen Aminosäure, der limitierenden Aminosäure. Dies senkt die Proteinqualität, oft beschrieben mit der Biologischen Wertigkeit. Getreide ist meist arm an Lysin, Hülsenfrüchte an Methionin. Die Aminosäuren müssen in der Ernährung aber im passenden Verhältnis und ausreichender Menge vorliegen, um im Körper zur Proteinsynthese genutzt werden zu können.
- Insbesondere die essenzielle Aminosäure Leucin kommt in pflanzlichen Proteinquellen meist in geringen Mengen vor. Leucin spielt eine besondere Rolle für das Muskelwachstum. Sie muss wahrscheinlich innerhalb einer Mahlzeit in einer Menge von 3 g aufgenommen werden, um die Muskelproteinsynthese zu optimieren. Diese Dosis wird auch als „Leucinschwelle“ bezeichnet (Ribeiro et al., 2019; Gorissen et al., 2018).
- Pflanzen enthalten oft antinutritive Stoffe (z. B. Phytate und Oxalate), welche die Proteinaufnahme hemmen können.
- Starre Zellwände in veganen Proteinquellen erschweren die Zugänglichkeit für Enzyme und damit die Verwertbarkeit der Proteine (Sá et al., 2019).
Aus diesen Gründen ist es für Veganer besonders wichtig, auf proteinreiche Lebensmittel zu setzen. So erhöhst du die Wahrscheinlichkeit, dass alle essenziellen Aminosäuren in ausreichender Menge in den Aminosäurepool gelangen und von dort für die Muskelproteinbiosynthese genutzt werden. Wie gelingt das?
Proteinreiche vegane Ernährung für den Muskelaufbau
Durch folgende ernährungsbezogene Maßnahmen kannst du mit veganen proteinreichen Lebensmitteln den Muskelaufbau optimieren:
- Erhöhe die Zufuhr proteinreicher veganer Lebensmittel auf mindestens etwa 2 g Protein pro Kilogramm Körpergewicht.
- Kombiniere verschiedene Proteinquellen, um das Aminosäuremuster zu verbessern; Gute Kombinationen siehst du in Abbildung 3. Diese müssen nicht unbedingt in einer Mahlzeit aufgenommen werden, wichtig ist die Aufnahme über den Tag.
- Supplementiere gegebenenfalls mit Leucin oder anderen essenziellen Aminosäuren, die nicht ausreichend über die Nahrung aufgenommen werden können.
- Nutze Zubereitungsmethoden, um die Gehalte an antinutritiven Stoffen zu reduzieren, z. B. Erhitzen, Einweichen oder Keimen.
Proteinreiche vegane Lebensmittel
Du kannst es dir denken: Vegane Proteinquellen, die sich besonders gut für den Muskelaufbau eignen, sind folgende
- vegane Lebensmittel mit hohem Proteingehalt
- proteinreiche vegane Lebensmittel mit hohem Leucingehalt
- proteinreiche vegane Lebensmittel mit gutem Aminosäuren-Verhältnis.
Allgemein proteinreiche vegane Lebensmittel sind vor allem:
- Tofu
- Tempeh
- Seitan
- Linsen und Bohnen
- Erbsen
- Quinoa und Amaranth
- Nüsse und Samen.
Konkrete Beispiele mit Angabe der Proteingehalte kannst du Abbildung 4 entnehmen.
Manche davon, wie z. B. Nüsse und Samen können aufgrund ihres hohen Kaloriengehaltes in eher geringerem Umfang zur täglichen Proteinaufnahme beitragen, andere wie Tofu enthalten einen hohen Proteinanteil bei verhältnismäßig geringem Kohlenhydrat- und Fettgehalt und sind damit besonders gute vegane Proteinquellen.
Proteinreiche vegane Lebensmittel mit hohem Leucingehalt sind beispielsweise (BLS):
- Sojabohnen, roh (2,7 g/100 g)
- getrocknete Erbsen, roh (2,3 g/100 g)
- weiße Bohnen, roh (2,3 g/100 g)
- Kidneybohnen, roh (2,0 g/100 g)
- Mais, roh (1,2 g/100 g)
- Hirse, roh(1,2 g/100 g).
Zu den proteinreichen veganen Lebensmittel mit gutem Aminosäurenprofil gehören:
- Sojabohnen
- Amaranth
- Hanfsamen
- Lupine
- und daraus hergestellte Produkte
Diese weisen ein (fast) vollständiges Aminosäureprofil auf, d. h. sie liefern alle essenziellen Aminosäuren in gutem Verhältnis. Nimmst du diese auf, so musst du die Kombination mit anderen veganen Proteinquellen weniger bedenken.
Ein Proteinpulver kann all diese Eigenschaften erfüllen: Es enthält bestenfalls mehrere vegane Proteinquellen, wenig antinutritive Stoffe, hat einen hohen Proteinanteil und es ist eine einfache Möglichkeit, deine Proteinaufnahme zu erhöhen.
Ist Soja eine gute vegane Proteinquelle für den Muskelaufbau?
„Vegan? Dann muss ich ja ständig Soja essen und verweibliche! Das ist nichts für Kraftsportler.“ Vielleicht bist du dieser Aussage auch schon begegnet und sie hat dich verunsichert. Es gilt schon fast als Tatsache, dass Soja den Östrogenspiegel von Männern erhöht, ihnen Brüste wachsen, sie unfruchtbar werden und es den Muskelaufbau beeinträchtigt.
Doch schaut man sich die aktuelle Studienlage im Ganzen an, so wird dies nicht bestätigt: Ein Zusammenhang zwischen Sojakonsum und einer (langfristigen) Veränderung des Östrogen- und Testosteronspiegels war nicht ersichtlich. Auch die Fortpflanzungsfähigkeit und Muskelhypertrophie ist den Untersuchungen zufolge nicht beeinträchtigt (Reed et al., 2021; Beaton et al., 2010; Haun et al., 2018). Vielmehr gibt es Hinweise, dass Sojakonsum das Risiko für Prostatakrebs bei Männern reduzieren könnte (Applegate et al., 2018). Auch für gesunde Frauen sind die enthaltenen Phytoöstrogene nicht gefährlich, Sojakonsum erhöht nach aktueller Studienlage nicht das Brustkrebsrisiko. Vielmehr könnten die enthaltenen Isoflavone sogar protektiv wirken. Die Risikominderung könnte zudem u. a. kardiometabolische Erkrankungen, postmenopausale Beschwerden und Osteoporose betreffen (Rizzo und Baroni, 2018; Li et al., 2019).
Hinzu kommt, dass Soja ein gutes Aminosäurenprofil hat, in Form von Tofu oder Sojaschnetzeln eine der wenigen veganen Proteinquellen ist, die recht wenig Kohlenhydrate und Fett enthalten und sehr vielseitig einsetzbar ist. Natürlich ist es dennoch empfehlenswert, unterschiedliche vegane Proteinquellen zu nutzen und Soja nicht im Übermaße zu konsumieren. Die Angst vor der Verweiblichung oder gesundheitlichen Beeinträchtigungen ist aber unbegründet und es wäre schade, ein solch gutes Lebensmittel auszuschließen.
Übrigens: Auch aus Sorge um den Regenwald musst du Soja nicht verteufeln. Dieser fällt vor allem dem Fleischkonsum zum Opfer, denn das dort angebaute Soja wird zu über 90 % zur Tierfutterherstellung verwendet. Das für den menschlichen Verzehr angebaute Soja nimmt nur einen geringen Teil ein, der Großteil wird in Europa und vermehrt in Deutschland angebaut.
Was Sportler bei veganen Proteinquellen beachten sollten
Sportler können auf Probleme stoßen, wenn sie versuchen, ihre Proteinaufnahme primär über Linsen, Bohnen und Co zu decken. Denn Hülsenfrüchte enthalten gleichzeitig viele Ballaststoffe. Wer einen hohen Kalorienbedarf hat und primär Vollkornprodukte als Kohlenhydratquelle nutzt, stößt dann auf Probleme:
- die Sättigung setzt schnell ein und es kann schwer sein, genug Kalorien aufzunehmen
- es kann zu Verdauungsproblemen kommen
- das Training wird durch Völlegefühl und Verdauungsarbeit beeinträchtigt.
Mit folgenden Tipps erhöhst du die Verträglichkeit veganer Proteinquellen:
- Setze bei den Kohlenhydratquellen weniger auf Vollkornprodukte – einfache Kohlenhydrate füllen auch schneller deine Glykogenspeicher.
- Schränke den gleichzeitigen Konsum weiterer blähender Lebensmittel (z. B. Zwiebeln, Kohl, Knoblauch) ein.
- Weiche Hülsenfrüchte vor dem Kochen ein.
- Entferne nach dem Kochen die Hülsen.
- Gieße das Abtropfwasser weg und spüle die Hülsenfrüchte gut ab.
- Gib‘ beim Kochvorgang Kreuzkümmel und Fenchel hinzu.
- Erbsen werden teilweise besser vertragen als Linsen oder Bohnen.
- Nutze ergänzend Proteinpulver.
- Verzehre die Hülsenfrüchte und andere ballaststoffreiche Lebensmittel nicht kurz vor dem Training.
Wie du vegane Proteinquellen in deinen Speiseplan integrierst
Wer versucht, Reis und Hähnchen eins zu eins mit Quinoa und Linsen zu ersetzen, wird schnell feststellen, dass so der Umstieg auf eine vegane Ernährung nicht gelingt. Denn das Nährstoffprofil von Linsen unterscheidet sich stark von dem des Fleisches. Hier ist zunächst etwas mehr Aufwand nötig. Doch wer einmal eine Routine hat, der wird schnell merken, dass eine proteinreiche vegane Ernährung gut im Alltag umzusetzen ist.
In Tabelle 1 siehst du eine beispielhafte Zusammenstellung veganer Proteinquellen, welche dir bei etwa 2000 kcal über 130 g Protein liefern. Diese kannst du in Menge und Lebensmittelauswahl an deinen Bedarf anpassen und ergänzen.
Lebensmittel | Proteingehalt [g] | Energiegehalt [kcal] |
100 g Haferflocken | 13 | 355 |
20 g Erbsenprotein | 15 | 75 |
20 g Reisprotein | 15 | 75 |
150 g Linsen | 20 | 530 |
120 g Quinoa | 14 | 425 |
500 g Brokkoli | 20 | 140 |
100 g Graubrot | 7 | 225 |
200 g Tofu | 30 | 240 |
Summe | 134 | 2065 |
Tabelle 1: Beispielhafte Auflistung von pflanzlichen Lebensmitteln zur Deckung des Proteinbedarfs.
Übrigens: In unserem Magazin findest du viele proteinreiche Rezepte – leckere Anregungen für deine nächste Muskelmahlzeit.
Weitere Faktoren zur Integration von proteinreichen Lebensmitteln
Um deinen Muskelaufbau zu optimieren, steht an erster Stelle die dafür notwendige Proteinaufnahme. Ebenso relevant ist die ausreichende Zufuhr der essenziellen Aminosäuren. Wenn jedoch die Proteinaufnahme insgesamt ausreichend ist und aus unterschiedlichen Proteinquellen erfolgt, geschieht dies meist automatisch.
Sind diese beiden Faktoren sichergestellt, kann es vorteilhaft sein, die Proteinaufnahme gleichmäßig über den Tag und die Mahlzeiten zu verteilen, die Zeit zwischen Proteinaufnahme und Training nicht zu lange werden zu lassen und eine proteinreiche vegane Mahlzeit vor dem Schlafengehen einzunehmen. Das kann beispielsweise durch vier Mahlzeiten im Abstand von etwa vier Stunden umgesetzt werden (Trommelen et al., 2019).
ABER: In der Praxis hat die Umsetzbarkeit Priorität. Wenn du aufgrund von beruflichen oder privaten Verpflichtungen nicht in diesen Zeiträumen essen kannst, bedeutet dies nicht, dass du dich von deinen muskulären Zielen verabschieden musst. Diese Methoden könnten einen kleinen Unterschied machen, wenn alles andere optimiert ist. Führen sie jedoch zu Stress, ist genau dies wiederum kontraproduktiv.
Fazit
Vegan Muskeln aufbauen geht nicht? Mit der gezielten Auswahl proteinreicher Lebensmittel schon! Für den Muskelaufbau muss die Muskelproteinbiosynthese stimuliert werden – und das geht auch über vegane Proteinquellen. Wenn du regelmäßig unterschiedliche proteinreiche Lebensmittel in deinen Speiseplan integrierst sowie auf Zubereitungsmethoden und Lebensmittelkombinationen achtest, kannst du die für den Muskelaufbau ausreichende Menge an Protein sowie essenziellen Aminosäuren aufnehmen. Damit steht deinem veganen Muskelaufbau nichts im Weg. Denn „Muckis“ gehen auch tierfreundlich!
christin mueller meint
hallo 🙂 die grafiken finde ich super!..die kann ich mir dann an meinen kühlschrank hängen um das wichtigste möglichst oft vor augen zu haben 🙂
einen angenehmen abend wünsche ich
christin müller
Isabel Bernhauser meint
Liebe Christin,
herzlichen Dank für dein schönes Feedback. Das freut uns sehr zu hören.
Viel Freude und herzliche Grüße,
Isabel!