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Hat das neue Superfood Acai Wirkung in unschlagbarem Ausmaß? Schlägt die lilafarbene Exotin die Qualitäten der heimischen Blaubeere? Kalorien, Vitamine und Ökobilanz – wer hat die Nase vorne?
Sie versprechen uns in Sachen Nährstoffe wahre Wunder, stehen besonders bei gesundheitsbewussten Menschen hoch im Kurs und erobern Bioläden und Supermärkte. Je fremdartiger und exotischer der Name, desto attraktiver wirken sie auf den Verbraucher. Natürliche Lebensmittel mit außergewöhnlich vielen Vitalstoffen, Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen. Die Rede ist von sogenannten Superfoods. Ob Goji, Chia, Moringa, Acerola, Quinoa oder die aktuell sehr beliebte Acai-Beere: Wirkung auf Gesundheit und Wohlbefinden sind garantiert, so lauten jedenfalls die vollmundigen Werbeversprechen. Vor allem in unseren Breiten erfreuen sich diese Produkte wachsender Beliebtheit. Jeder vierte Deutsche gibt an, sein Essen mit Superfoods anzureichern (Feichtinger, 2017). Doch ist dieser Hype berechtigt? Die spannende Frage, besonders wenn du Veganer bist, ist: helfen diese Superfoods, deinen Bedarf an den potenziell kritischen Nährstoffen abzudecken? Oder bist du vielleicht sogar mit einer regionalen Alternative besser beraten?
Nehmen wir die aus Südamerika stammende Acai-Beere genauer unter die Lupe. Angeblich ein tolles Anti-Aging-Mittel, soll sie außerdem schlank machen und vor Krebs schützen. Mit ihrem dunklem Lila ist sie ein wahrer Eye-Catcher und lässt besonders Smoothies auch optisch punkten. Feld und Garten vor der eigenen Haustür, sowie der regionale Handel, haben im Bereich der Beeren aber auch einiges zu bieten. Erdbeeren, Himbeeren, Blaubeeren, Brombeeren, Johannisbeeren: nährstoffreich, bunt und im wahrsten Sinne des Wortes zum Greifen nah. Dürfen sich unsere heimischen rot-blauen Früchte nicht auch als „Superfoods“ bezeichnen?
Was sind Superfoods?
Bei der Suche nach einer einheitlichen Definition des Wortes „Superfood“ wirst du wahrscheinlich nicht direkt fündig. Es handelt sich dabei eher um einen Marketingbegriff als eine gesetzlich definierte Lebensmittelkategorie.
Das Oxford English Dictionary hat sich folgendermaßen an eine mögliche Begriffsdefinition getraut: „Superfood ist ein nährstoffreiches Lebensmittel, das für Gesundheit und Wohlbefinden besonders förderlich erachtet wird.“ Das Europäische Informationszentrum für Lebensmittel (EUFIC) bezeichnet Lebensmittel, insbesondere Obst und Gemüse als Superfood, die aufgrund ihres Nährstoffgehaltes einen höheren gesundheitlichen Nutzen als andere Lebensmittel haben (Feichtinger, 2017).
Gesundheitlicher Nutzen
Superfoods zeichnen sich also tatsächlich durch ihre außerordentlichen Nährwerte aus. Sie sind reich an Vitaminen, an Mineralstoffen, Spurenelementen, Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen. Die beiden letzten ernährungsphysiologisch hochwertige Stoffgruppen deuten schon darauf hin, dass es sich bei diesen besonderen Produkten vorrangig um pflanzliche Lebensmittel handelt.
Zurück zur aus dem Süden Amerikas stammenden Acai-Beere, der übrigens auch in Form von Acai Pulver Wirkung zugesprochen wird. Diese Beere wird als antioxidatives Wunder angesehen, hergeleitet aus ihrem angeblich exorbitant hohen Gehalt an sekundären Pflanzenstoffen. Darunter fallen Anthocyane beziehungsweise Polyphenole. Ähnliches wird der asiatischen Goji-Beere nachgesagt. Ein weiteres Beispiel sind die exotischen Chia-Samen, die sich durch ihren besonders hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren, einem als kritisch bekannten Nährstoff bei veganer Ernährung, auszeichnen und daher besonders für Veganer interessant sind. Allerdings ist auch hier nicht alles Gold, was glänzt: die angepriesenen Inhaltsstoffe vieler neuartiger „Superfoods“ unterliegen oftmals einer schlechten Datenlage. Die vorgenommenen Nährwertanalysen weichen von unterschiedlichen Anbietern nicht selten stark voneinander ab und sind kommerzieller, interessensgesteuerter Natur (Clausen, 2015).
Herkunft
Die für uns als „Superfood“ bezeichneten Kraftpakete stammen meist ursprünglich aus Übersee, aus tropischen und sub-tropischen Gebieten. Durch den Kauf dieser Produkte entfernst du dich leider auch von der Empfehlung der Vollwerternährung, auf regionale und saisonale Lebensmittel zurückzugreifen (Koerber et al.,2012). Diese wird nicht nur aufgrund der ernährungsqualitativen Wertigkeit von frischen Lebensmittel ausgegeben – denn je reifer geerntet und frischer verzehrt, desto höher der Nährwertgehalt. Mit dieser Empfehlung wird aber vor allem auf die ökologischen Aspekte geachtet. Die anfallenden Transportwege, das benötigte Verpackungsmaterial und der teilweise höhere Verarbeitungsaufwand von importierten Produkten hinterlässt massive Spuren in der CO2-Bilanz.
Im Hinblick auf unsere heutige Kandidatin stellt sich nun die Frage: hat Acai Wirkung – bezogen auf ihr antioxidatives Potential – die eine heimische Beere aus unserem Garten nicht liefern kann? Schauen wir uns zunächst an, was der lilafarbene Popstar tatsächlich zu bieten hat.
Exotische Superfoods: Acai-Beere
Die Acai-Beere wird auch „Palmbeere“ genannt und ist die Frucht der Palme Euterpe oleracea, wie sie in der Fachsprache von Botanikern bezeichnet wird. Die Palme wächst in Brasiliens Regenwälder, wird bis zu 30 m hoch und trägt pro Stamm 3-6 kg Früchte. Die Beere besteht zu 80% aus einem ungenießbaren Kern und zu 20 % aus Fruchtanteil, der einen nussig-erdigen oder auch schokoladigen Geschmack sowie eine cremig-ölige Textur besitzt.
Von den Einheimischen wird sie in flüssiger Form als Saft geschätzt, während du die Acai-Beere in den Läden hierzulande oft in Pulverform, in Smoothies oder Joghurts verarbeitet, beziehungsweise als Nahrungsergänzungspräparat zu kaufen bekommst (Goerg, 2017).
Das Nährstoffspektrum
Anhand der bereits beschriebenen cremig-öligen Textur lässt sich schon darauf schließen, dass die Frucht einen relativ hohen Fettanteil besitzt. Genauer gesagt sind es 50 % der Energiemasse oder zirka 250 kcal/100g des essbaren Fruchtanteils. Allerdings enthält die Acai ein recht hochwertiges Fettsäurespektrum, da die ungesättigten Fettsäuren mit 73,9 % einen dominanten Anteil einnehmen. In erster Linie findest du darin die einfach ungesättigte Ölsäure (56,2 %), gefolgt von der gesättigten Palmitinsäure (24,1 %) sowie dem Omega-6-Vertreter Linolsäure (12,5 %).
Mit einem Blick auf das Mikronährstoffspektrum sind es vor allem Vitamin A, Vitamin E (ADA, 2009) und die Mineralstoffe Eisen und Kalzium, die mit ihrem Anteil in der Beere hervorstechen (Clausen, 2015; Goerg, 2017). Zusätzlich interessant ist der hohe Ballaststoffanteil.
Acai: Wirkung als Antioxidans
Ihre tiefviolette Farbe verdankt unsere Kandidatin ihren antioxidativ wirkenden sekundären Pflanzenstoffen; dabei sprechen wir von der Gruppe der Polyphenole, welche die Farbstoffe Flavonoide und Anthocyane miteinschließt. Aber auch Phenolsäuren und ein geringer Anteil an Lignanen (Phytööstrogene) sind in der Acai-Beere zu finden.
Dass die Acai Wirkung als starkes Antioxidans aufweise und somit vor degenerativen Erkrankungen schützen kann, wird weltweit angenommen. Einer Untersuchung zufolge scheint diese Wirkung allerdings überbewertet zu werden. Seeram et al.(2008) konnten zeigen, dass der Saft des Granatapfels, der Concord-Traube, der Blaubeere sowie der Schwarzkirsche ein höheres antioxidatives Potenzial haben als der Saft der Acai-Beere. Laut dieser Analyse habe der Acai-Saft eine vergleichbare antioxidative Wirkung wie ein Cranberry- oder Schwarzkirschsaft. Der Phenolanteil der Acai-Beere liegt auch deutlich unter jenem der Blaubeere.
Heimische Superfoods: unsere Blaubeere
Lassen wir nun unseren heimischen Star die Bühne betreten und beleuchten, was diese leckere blaue Kugel zu bieten hat. Die in Deutschland beheimatete Blaubeere zählt zur Familie der Heidekrautgewächse, auch Ericaceae genannt. Ein regionales Superfood, das im reif gepflückten Zustand seinen höchsten Anteil an Nährstoffen und sekundären Pflanzenstoffen besitzt. Die Haupterntezeit der bei uns angebauten Kulturheidelbeere beginnt im Juli und streckt sich bis zu 12 Wochen.
Das Nährstoffspektrum
Im Gegensatz zur exotischen Acai-Beere hat unsere Blaubeere keinen nennenswerten Fettanteil und ist in frischer Form deshalb mit 37 kcal/100g sehr arm an Energie. An Vitalstoffen bietet sie einen hohen Gehalt an Vitamin C und Vitamin E sowie der Gruppe der B-Vitamine. Eisen und Mangan sind die zwei Mineralstoffe, die in dieser Beere vergleichsweise stark vertreten sind.
Der hohe Gehalt an Pektin macht einen wertvollen Anteil an Ballaststoffen in der blauen Beere aus. Außerdem finden wir in unserem „heimischen Superfood“ reichlich Gerbstoffe, welche als Antidiarrhoikum bei Durchfall wirken (Enders, 2015).
Blaubeere: antioxidatives Potenzial
Mit einem Gehalt von bis zu 500 mg Anthocyane pro 100 g Lebensmittel können sich die Blaubeeren im Vergleich zu anderen Beerenfrüchten sehen lassen. Vor allem Waldheidelbeeren nehmen Spitzenstellung hinsichtlich ihres antioxidativen Potenzials ein (Béliveau et Gingras, 2007).
Acai vs. Blaubeere: Nährwerte im Vergleich
In der Gegenüberstellung zwischen der exotischen und der heimischen Beerenvariante lässt sich auf einen Blick erkennen, dass die Blaubeeren kalorienbezogen deutlich unter dem Energiegehalt der Acai liegt. Dies lässt sich ganz einfach erklären, indem du einen Blick auf den unterschiedlichen Fettgehalt der zwei Früchte wirfst. Trotz des hohen Fettanteils der Acai weist die Exotin ein ernährungsphysiologisch qualitatives Spektrum an Fettsäuren auf. Die Blaubeere glänzt mit ihrem Vitamin C-Gehalt, wogegen die Acai-Beere in ihrer Kalziumbilanz deutlich besser abschneidet.
Tabelle 1: Vergleich von ausgewählten Inhaltsstoffen der Açai-Beere (gefriergetrocknet) mit Blaubeeren (Konzentrat bzw. gefriergetrocknet) pro 100g Lebensmittel (Schauss et al.,2006; Lorey, 2009; BLS; Haytowitz et Bhagwat, 2010) GAE: Gallussäure-Äquivalente; ORAC (TE): Oxygen Radical Absorbance Capacity (Trolox-Equivalent)
Açai-Beere (gefriergetrocknet) |
Blaubeere (Konzentrat) |
|
---|---|---|
Energie (kcal) | 534 | 274 |
Protein (g) | 4,4 | 4,9 |
Fett (g) | 32,5 | 4,3 |
gesättigte Fettsäuren (g) | 8,1 | 0,3 |
einfach ungesättigte Fettsäuren (g) | 18,3 | 0,5 |
mehrfach ungesättigte Fettsäuren (g) | 6,1 | 2,7 |
Vitamine | ||
Vitamin A (ß-Carotin) (mg) | 0,3 | 0,3 |
Vitamin E (mg) | 24 | 25,8 |
Vitamin C (mg) | < 0,1 | 118,9 |
Mineralstoffe/ Spurenelemente | ||
Kalzium (mg) | 260 | 93 |
Eisen (mg) | 4,4 | 6,3 |
Mangan (mg) | k.A. | 36,9 |
Açai-Beere (gefriergetrocknet) |
Blaubeere (gefriergetrocknet) |
|
GAE (mg/g) | 13,9 | 33 |
Açai-Beere (gefriergetrocknet) |
Blaubeere (roh) |
|
ORAC (TE) | 102.700 | 4669 |
Die Frage, ob die antioxidativen Acai-Wirkungen jene der heimischen Blaubeere übertreffen, haben wir im direkten Vergleich entsprechender Parameter analysiert:
Der Phenolanteil, das heißt der vorrangig antioxidativ wirkende sekundäre Pflanzenstoff, lässt sich anhand der sogenannten Gallussäure-Äquivalente (GAE) erheben. Während die Blaubeere satte 33 mg/g aufweist, liegt der Wert bei der Acai-Beere lediglich bei 13,9 mg/g.
Mit einem Blick auf den laborchemisch erhobenen ORAC-Wert (Oxygen Radical Absorbance Capacity) hat die Acai-Beere die Nase unübertrefflich weit vorne, zumal sie als das Lebensmittel mit dem höchsten ORAC-Wert weltweit bekannt ist. Wenn wir uns die Methode der ORAC-Bestimmung etwas genauer ansehen, besagt diese, wie viele freie Radikale pro Gramm Lebensmittel (Frucht) neutralisiert werden können. Die Messung erfolgt im Reagenzglas und ist genau genommen nicht auf die biochemisch ablaufenden Prozesse im menschlichen Körper übertragbar. Die Bioverfügbarkeit dieser antioxidativen Substanzen sowie die Wechselwirkungen im organischen Milieu sind uns nämlich nicht bekannt. Somit kann der ORAC-Wert streng genommen keine Aussagen zur gesundheitlichen Bedeutung im Menschen treffen (Lorey, 2009).
Zusammenfassung: Blaubeere versus Acai-Beere
Der mediale Hype um die nährstoffreichen Superfoods aus aller Welt läuft auf Hochtouren und hat große Anziehungskraft auf die entsprechenden Zielgruppen: gesundheitsbewusste und vegan-affine Menschen. Ihre Namen klingen attraktiv, ihre farbenfrohe optische Erscheinung lädt zum Kauf ein und sie versprechen vor allem in Sachen Nährstoffe so einiges. Bei diesem Qualitätsreichtum und der momentanen Beliebtheit hinterfragt man zunächst nicht, ob die Produkte aus der tropischen Ferne wirklich so essenziell sind, wie uns suggeriert wird.
Exotische Acai-Beere oder regionale Blaubeeren? Kalorien findest du deutlich weniger in der heimischen Fruchtvariante, ebenso kaum Fett. In ausgewählten Mikronährstoffen konkurrieren die zwei Beeren miteinander, wobei die Acai-Beere reicher an Kalzium ist und die Blaubeere mehr Vitamin C zu bieten hat.
Wer gewinnt in Sachen antioxidatives Potenzial: Blaubeere oder Acai? Wirkung hinsichtlich ihrer sekundären Pflanzenstoffe haben beide auf unseren Körper, allerdings wird die antioxidative Kapazität der Acai-Beere überbewertet, da heimische Früchte, wie Trauben, Beeren und Schwarzkirschen, vergleichbare oder sogar höhere Schutzwirkungen besitzen und unsere Blaubeere einen deutlich höheren Gehalt an der antioxidativen Gallussäure besitzt. Wenn dir unser Ökosystem Erde am Herzen liegt, ist die in deinem Garten wachsende Beerenfrucht definitiv die bessere Wahl.
Der Inhalt dieses Artikels kann und soll eine individuelle Vegane Ernährungsberatung nicht ersetzen. Im Verzeichnis für Vegane Ernährungsberatung findest du, in deiner Nähe vor Ort oder online, fachkundige Unterstützung.
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