Inhaltsverzeichnis
Agavendicksaft: ungesund oder hochwertiger Zuckerersatz?
Die als „vegane Honig“ bezeichnete pflanzliche Süße hat in den vergangenen Jahren einen immer schlechteren Ruf bekommen. Wegen des hohen Fruktose-Gehaltes werden dem Agavendicksaft ungesunde Eigenschaften nachgesagt. Aber was steckt tatsächlich hinter diesen Behauptungen?
Wusstest du schon …
…dass aus der Agave nicht nur Sirup gewonnen wird, sondern damit auch Steroidhormone und Tequila hergestellt werden (Wallner, 1998)?
Zuckeralternative Agavendicksaft
Die in Mittelamerika beziehungsweise genauer gesagt Mexiko wachsende Agave (Agave tequilana) ist eine Kaktuspflanze, die in unseren Breiten als Zierpflanze verwendet wird. Sie liefert die Grundsubstanz zur Herstellung von Tequila, wobei der Agavenzucker weiter zu Alkohol verarbeitet wird (USDA, 2008).
Der Dicksaft ist sehr neutral im Eigengeschmack, weshalb er sich zum Süßen diverser, auch herzhafter Gerichte sowie Getränke eignet (Conrad, 2016). Seine Süßkraft ist deutlich höher als die von ähnlichen Zuckeralternativen. Auch im Vergleich zum weißen Kristallzucker erhältst du mit dem Dicksaft eine 1,4-fach höhere Süße. Seine hygroskopische Eigenschaft wird in der Lebensmitteltechnologie äußerst geschätzt, denn dadurch verleiht er den Produkten die erwünschte, länger anhaltende „Frische“.
Zur Herstellung des Agavendicksaftes werden die Blattansätze der Kakteen angeschnitten, woraus der Agavensaft gewonnen beziehungsweise aufgefangen wird. Das anschließende Kochen reduziert den Wassergehalt, woraus man den eingedickten Sirup erhält. Der Definition nach handelt es sich auch vielmehr um einen Agavensirup als um einen Dicksaft, denn letzterer wird ohne thermische Behandlung kalt hergestellt.
Vergleichbar zur Alternative Ahornsirup gibt es helle Sorten mit mildem Geschmack, aber auch dunklere Sorten, die dem Agavendicksaft ein deutlich herberes Aroma verleihen (USDA, 2008).
Agavendicksaft: Vor- und Nachteile auf einen Blick
Im Vergleich zu manch anderer exotischen Zuckeralternative ist die mexikanische Süße relativ preiswert. Sie weist einen vergleichsweise niedrigen glykämischen Index auf, was bedeutet, dass dein Blutzuckerspiegel nach Verzehr des Dicksaftes nur geringfügig ansteigt. Auch sein unscheinbarer Eigengeschmack bringt den Vorzug mit sich, dass er vielseitig verwendbar ist.
Auf den ersten Blick mag man nicht denken, dass Agavendicksaft ungesund ist, wie so oft behauptet wird. Mit einem genaueren Auge auf die Kohlenhydratzusammensetzung fällt der gewaltig hohe Anteil an Fruktose auf, wobei es sich um einen Einfachzucker handelt, der von Wissenschaftlern in ein sehr dunkles Licht gerückt wurde. Aber neben dem gesundheitlichen Aspekt spielt auch der umweltbelastende Faktor eine Rolle, denn schließlich muss er aus Übersee importiert werden (Peterson, 2013).
Agavendicksaft: Fruktose & Co
Dass Agavendicksaft Fruktose in unschlagbaren Mengen enthält, ist uns nun bekannt. Aber von welchen Konzentrationen sprechen wir eigentlich und wie kalorienreich ist der süße Mexikaner?
Mit knapp über 300 kcal/100 g ist der Dicksaft etwas kalorienärmer als andere Zuckersorten, aber eine Spur kalorienreicher als der kanadische Ahornsirup (USDA, 2008; BLS).
Aber nun kommen wir zum interessanten Teil, dem Spektrum an Kohlenhydraten. Mindestens 70 % Fruktose, manche Anbieter sprechen sogar von 90 %, machen den Hauptbestandteil der Süße aus. Die Glukose dagegen ist durchschnittlich mit überschaubaren 24–26 % im Dicksaft vertreten. Somit kommen wir auf ein Fruktose-Glukose-Ratio von circa 7:3 bis zu 9:1. Das bedeutet auch, dass dieses Verhältnis höher ist als jenes von dem ebenfalls verrufenen Maissirup, auch unter HFCS (High Fructose Corn Syrup) bekannt. Die Fruktose im Agavendicksaft liegt in Form des Polymers Inulin vor, das heißt einer Verkettung mehrerer Fruchtzuckermoleküle. Genau deshalb wird der mexikanische Dicksaft industriell kaum zum Süßen verwendet, schließlich müssten die Zuckerketten vorab enzymatisch voneinander getrennt werden (White, 2009).
Tabelle 1: Energiewert und Kohlenhydratespektrum von 100 g Agavendicksaft (USDA, 2008)
Agavendicksaft | |
---|---|
Energie (kcal) | 309 |
Kohlenhydrate (g) | 75 |
Zucker gesamt (g) | 73 |
Glukose (%) | 24-26 |
Fruktose (%) | 70-75 |
Ist Agavendicksaft ungesund?
Aber warum genau macht die Fruktose den Agavendicksaft ungesund? Oder bringt die Süße im Vergleich zum Haushaltszucker doch noch wertvolle Eigenschaften mit sich?
Der Vorteil von Fruktose ist, dass sie im Gegensatz zur Glukose insulinunabhängig verstoffwechselt wird, weshalb der Zucker lange Zeit Diabetikern empfohlen wurde. Deshalb hat er auch einen sehr niedrigen glykämischen Index; damit wird der Anstieg des Blutglukosespiegels definiert.
Agavendicksaft: Fruktose als gesundheitliche Gefahr?
Nichtsdestotrotz, der Fruchtzucker ist nach und nach zum zentralen Untersuchungsobjekt von Ernährungswissenschaftlern geworden. Unter ihnen genießt das Zuckermolekül einen eher schlechten Ruf, denn die Forscher weisen auf eine Vielzahl an negativen Effekten der Fruktose auf unsere Gesundheit hin.
Im Gegensatz zum natürlich vorkommenden Fruchtzuckergehalt in Obst erhöhe der Konsum konzentrierter Fruktose aus verarbeiteten Produkten und vor allem gesüßten Getränken maßgeblich das Risiko für diverse Erkrankungen. Der Einfachzucker wird nach Absorption im Darm unmittelbar und zielgerichtet in die Leber transportiert und dort metabolisiert. Dabei werde die körpereigene Purin-Synthese indiziert, was bei großen Mengen an Fruktose zu Hyperurikämie und Gicht führen kann (Choi et al., 2010; Jamnik et al., 2016). Kohlenhydrate werden, sofern nicht mehr für die Energieversorgung benötigt, zu Fettmolekülen umgewandelt, gespeichert und beeinflussen auch die Blutfettwerte ungünstig. Der epidemische Anstieg von Übergewicht beziehungsweise Adipositas und dem metabolischen Syndrom wird laut Epidemiologen mit dem hohen Konsum fruktosehaltiger Produkte, vor allem fruktosereichen Getränken in den USA, assoziiert. Ebenso mit der nicht alkoholischen Fettleber (NAFLD) (Bantle, 2009; BfR, 2009; Rizkalla, 2010; Horst et Serlie, 2017).
Eine Menge von 30 g Fruktose pro Tag gilt als unbedenklich, was beispielsweise 3-4 Äpfeln entspricht (Toeller et al., 2005; BLS). Da es wünschenswert ist, den überwiegenden Anteil des Zuckers aus 2 Portionen Obst am Tag zu decken, sind Süßungsmittel nur sparsam empfehlenswert. Beim Genuss von Agavendicksaft raten wir zu nicht deutlich mehr als 1 EL täglich, was circa 10 g Sirup beziehungsweise 7 g Fruktose entspricht.
Übrigens macht die weniger starke Verarbeitung im Herstellungsprozess den Dicksaft naturbelassener als den herkömmlichen Haushaltszucker, aber nicht deutlich nährstoffreicher.
Agavendicksaft: Alternative in der Küche
Ähnlich wie der Ahorn- oder Reissirup kann auch der Agavendicksaft zum Verfeinern deiner kalten ebenso wie warmen Speisen eingesetzt werden. Aufgrund der höheren Süßkraft wirst du davon jedoch geringere Mengen benötigen. Wegen seiner guten Gelierfähigkeit eignet sich die flüssige Süße hervorragend zur Herstellung von Fruchtaufstrichen; bei der Lagerung solltest du aber wegen der begrenzten Haltbarkeit achtsam sein. Beim Backen kannst du die Zuckermenge herkömmlicher Rezepte um etwa ein Viertel reduzieren und auch in der Flüssigkeitsmenge ein wenig einsparen (Conrad, 2016).
Fazit: Ist der „vegane Honigersatz“ Agavendicksaft ungesund? Wie bei allen Süßungsmitteln auch, spielt die sparsame Verwendung eine entscheidende Rolle. Da Agavendicksaft fruktosereich ist, raten wir zu äußerst mäßigem Verzehr, was sich durch seine besonders hohe Süßkraft auch gut bewerkstelligen lässt. Nichtsdestotrotz sind frische Früchte den konzentrierten Süßvariationen in jedem Fall vorzuziehen.
Der Inhalt dieses Artikels kann und soll eine individuelle Vegane Ernährungsberatung nicht ersetzen. Im Verzeichnis für Vegane Ernährungsberatung findest du, in deiner Nähe vor Ort oder online, fachkundige Unterstützung.
Schreibe einen Kommentar