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Vegane Ernährung bei Reizdarm: So kann sie helfen.
Das Bauchgefühl kann im wahrsten Sinne des Wortes das gesamte Wohlbefinden und die Lebensqualität beeinflussen. Ein dauerhaft gereizter Darm ist eine große Belastung für betroffene Personen. Wir geben dir Tipps, die den Bauch bei veganer Ernährung beruhigen können.
Das Reizdarmsyndrom: Krankheitsbild unklarer Ursache
Angst, das Haus zu verlassen, Sorge vor Mahlzeiten sowie unvorhersehbare Schmerzen, Durchfall und Übelkeit gehören für die schätzungsweise 7 % der Menschen mit Reizdarmsyndrom (RDS) oft zum Alltag. Aufgrund uneinheitlicher Definitionen, Diagnosekriterien und Studienmethoden ist die genaue Prävalenz jedoch nicht bekannt (Bundesministerium für Gesundheit, 2020; Poschwatta-Rupp, 2022a; Layer et al., 2021).
Zu den möglichen Folgen gehören soziale Ausgrenzung, Nährstoffmängel, eventuell Essstörungen und eine stark eingeschränkte Lebensqualität – fast immer geht das Reizdarmsyndrom mit großer Verzweiflung einher. Betroffene Personen wünschen sich sehnlichst, die Ursache herauszufinden und ihre Beschwerden zu lindern.
Ursachen und Auslöser
Doch eben gerade die Ursachen des Reizdarmsyndroms (RDS) sind zum aktuellen Zeitpunkt nicht vollständig geklärt. Bei der Entstehung spielen biologische, psychologische und soziale Aspekte eine Rolle. In Abbildung 1 siehst du Faktoren, die bei der Entstehung von chronisch entzündlichen Darmerkrankungen, zu denen auch das Reizdarmsyndrom gehört, eine Rolle spielen. Sie können dazu führen, dass die Schmerzempfindlichkeit erhöht und die Darmfunktion gestört ist, was wiederum die Symptome verstärken kann.
Häufige Symptome und Beschwerden
Zu den Problemen, unter denen betroffene Menschen leiden, gehören:
- chronische Bauchschmerzen
- veränderte Stuhlgewohnheiten wie Durchfall und/oder Verstopfung
- Flatulenzen und Meteorismus
Als Ursache kommt einiges infrage: von Nahrungsmittelunverträglichkeiten, chronisch entzündlichen Darmerkrankungen bis zu Infektionen und vielem mehr. Und ebendiese Vielfalt möglicher Symptome macht eine eindeutige Diagnose und Behandlung schwierig (Krammer et al., 2022). Je nach Subtyp können Obstipation oder Durchfall vorrangig sein oder beide im Wechsel vorkommen. Auch weitere Beschwerden wie das chronische Müdigkeitssyndrom (Fatigue) oder psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen können auftreten (Layer et al., 2021; Poschwatta-Rupp, 2022a). Eine zuverlässige Diagnose ist aufgrund der unspezifischen Symptome entscheidend, um sicherzustellen, dass keine anderen zugrundeliegenden Erkrankungen übersehen werden.
Diagnose anhand von drei Kriterien
Was die Diagnose zusätzlich erschwert: Es gibt keine spezifischen Tests auf das RDS. Deswegen haben betroffene Personen oft eine jahrelange Odyssee an Arztbesuchen hinter sich. Für die Diagnose müssen nach der aktuellen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS) und der Deutschen Gesellschaft für Neurogastroenterologie und Motilität (DGNM) folgende drei Kriterien zutreffen (nach Layer et al., 2021):
- Die Darmbeschwerden halten über einen Zeitraum von mehr als drei Monaten an oder sind rezidivierend und gehen in der Regel mit Stuhlveränderungen wie Durchfall oder Verstopfung einher.
- Die Lebensqualität der betroffenen Person wird durch die Beschwerden in einem wesentlichen Umfang beeinträchtigt.
- Mögliche andere Ursachen, die diese Darmbeschwerden erklären würden, wurden ausgeschlossen (Differenzialdiagnostik).
Dies wird über eine gründliche Anamnese und eine gezielte Ausschlussdiagnostik ermittelt (Krammer, 2022; Pfeiffer, 2021). Auf die Diagnose Reizdarmsyndrom folgt oft eine Erleichterung. Endlich haben die Beschwerden einen Namen! Doch dann folgt die Frage: Wie geht es nun weiter, um die Lebensqualität wieder zu erhöhen?
Beschwerden durch Ernährung lindern
Da sowohl die Ursachen als auch die Beschwerden sehr individuell sind, muss auch die Behandlung auf den betroffenen Menschen abgestimmt erfolgen. Sie umfasst folgende Faktoren:
- Medikation (symptomatisch wirkende Arzneimittel)
- Mikrobiom (wie Probiotikum)
- Ernährung (wie Low-FODMAP-Diät)
- Psyche (wie Stressmanagement)
Eine enge Arzt-Patienten-Beziehung sowie ein gesundheitsfördernder Lebensstil mit bewusster Ernährung, Bewegung und Stressbewältigung spielen eine entscheidende Rolle.
Der Einfluss der Ernährung auf die Entstehung und den Verlauf des RDS ist umstritten, daher gibt es keine allgemeinen Empfehlungen (Poschwatta-Rupp, 2022b). Viele betroffene Personen stellen jedoch fest, dass bestimmte Lebensmittel ihre Magen-Darm-Beschwerden auslösen oder verstärken können. Andererseits können manche Nahrungsmittel auch helfen, die Symptome zu lindern (Layer et al., 2021; Shaikh et al., 2023).
Häufig beobachtet werden Beschwerden nach dem Verzehr von (Galica et al., 2022; Layer et al., 2021):
- Alkohol
- Fett
- Hülsenfrüchten
- Kohlenhydraten
- Getreideprodukten
- Salicylaten
- Zwiebeln
- scharfem und fettigem Essen
Allerdings sollen betroffene Personen die Lebensmittelauswahl nicht unnötig stark einschränken. Denn das kann zu Nährstoffmängeln führen, was wiederum die Symptome verstärken kann – ein Teufelskreis (Radziszewska et al., 2023). Um herauszufinden, welche Lebensmittel Beschwerden auslösen, sind Ernährungs- und Symptomtagebuch hilfreich. Lässt sich ein Zusammenhang zwischen den Beschwerden und bestimmten Lebensmitteln ableiten, kann es helfen, diese gezielt zu reduzieren oder zu meiden.
Die Low-FODMAP-Ernährung
Eine Ernährungsform, die teilweise bei einem Reizdarmsyndroms empfohlen wird, ist die sogenannte Low-FODMAP-Diät. Sie wird aber auch kontrovers diskutiert (Poschwatta-Rupp, 2022b). Bei dieser Diät werden fermentierbare Mehrfach-, Zweifach- und Einfachzucker sowie Zuckeralkohole vermieden oder reduziert. Denn sie können im Verdauungstrakt zu Gärungen führen und die Beschwerden verstärken.
Zu den Lebensmittel mit hohem FODMAP-Gehalt zählen unter anderem Brokkoli, Aubergine, Zwiebeln, Äpfel, Weizen, Pistazien. Vielleicht denkst du jetzt: „Diese Lebensmittel gelten doch gemeinhin als gesund?“ Und es stimmt, sie enthalten gesundheitsförderliche Inhaltsstoffe und es wird empfohlen, sie im Rahmen einer gesunden Ernährung regelmäßig in größeren Mengen zu essen – vorausgesetzt, sie werden auch gut vertragen. Diese Lebensmittel können positiv auf die Darmmikrobiota und die Darmgesundheit wirken. Daher besteht die Gefahr, dass eine Low-FODMAP-Diät negative Auswirkungen auf das Mikrobiom hat. Aus diesem Grund sollte eine FODMAP-arme Ernährung nur dann in Betracht gezogen werden, wenn sie tatsächlich zur Linderung der Symptome beiträgt. Sie stellt keine Dauerernährung dar, sondern ist lediglich für eine begrenzte Zeit gedacht.
Vegane Ernährung mit Reizdarm
Eine vegane Ernährung kann so gestaltet werden, dass sie Personen mit Reizdarmsyndrom zur Linderung ihrer Beschwerden verhilft. Dafür verantwortlich sind vor allem die reichlich vorhandenen Ballaststoffe, wobei vor allem die löslichen Ballaststoffe, etwa aus Leinsamen und Flohsamenschalen, oft eine Besserung bewirken. Wichtig ist es, ausreichend zu trinken und die Menge der Ballaststoffe langsam zu steigern. Wie viel vertragen wird, ist individuell und es kann etwas dauern bis sich der Verdauungstrakt daran gewöhnt hat (Layer et al., 2021).
Auch eine FODMAP-arme Ernährung kann vegan umgesetzt werden. Mehr Informationen dazu findest du in unserem Artikel „FODMAP und vegane Ernährung“.
Probiotika bei veganer Ernährung mit Reizdarm
Probiotika sind lebende Mikroorganismen, die ab einer bestimmten Menge die intestinale Mikrobiota beeinflussen und sich dadurch positiv auf den gesamten Organismus auswirken können. In der aktuellen Leitlinie zur Behandlung des Reizdarmsyndroms werden bestimmte Probiotika als Teil der Therapie empfohlen (Tabelle 1) (Layer et al. 2021).
Tabelle 1: Beispiele für probiotische Stämme, die bei Patienten mit RDS positiv getestet wurden* (nach Layer et al., 2021).
Probiotischer Stamm |
Bifidobacterium infantis 35 624
Bifidobacterium longum NCC3001 Bifidobacterium animalis DN173010 Bifidobacterium bifidum MIMBb75 Lactobacillus plantarum 299v (DSM 9843) Lactobacillus brevis KB290 Lactobacillus acidophilus NCFM Lactobacillus gasseri CP2305 Lactobacillus reuteri (DSM 17938) Lactobacillus casei Shirota Bacillus. coagulans MTCC 5856 Escherichia coli (DSM 17252) Saccharomyces cerevisiae |
* Die Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. |
Einzelne Studien zeigen durch die Einnahme eine signifikante Verbesserung einzelner Symptome des Reizdarmsyndroms. Ausgewählte Probiotika können mit Ballaststoffen synergistisch wirken, sie zeigen zusammen eine stärkere Wirkung. Wichtig ist, dass die Mikroorganismen in ausreichender Menge im Produkt vorliegen und lebend im Darm ankommen. Sie wirken jedoch nicht bei jedem gleich (Layer et al., 2021).
Fermentierte Lebensmittel wie nicht-pasteurisiertes Sauerkraut oder Kombucha sowie präbiotisch wirksame wie Kartoffeln, Zwiebeln und Chicorée können in ähnlicher Weise positiv auf das Darmmikrobiom wirken und somit rein über die Ernährung eine Besserung der Symptome unterstützen.
Ernährung bei Reizdarm: Eine individuelle Angelegenheit
Es gibt also keine Diät, die garantiert gegen Reizdarm hilft. Was Beschwerden auslöst und lindert, variiert von Person zu Person. Große Relevanz hat die Zusammenarbeit mit einer ausgebildeten Ernährungsfachkraft, die ein individuelles Vorgehen anleitet und begleitet. Wichtig zu beachten ist auch, dass die Ernährung nur einen Baustein der Behandlung des RDS darstellt. Medikamente, Stressreduktion und Bewegung sind ebenso Stellschrauben, die im Zusammenspiel eine deutliche Besserung der Beschwerden bewirken können. Auch psychotherapeutische Verfahren verbessern in Untersuchungen deutliche den Behandlungserfolg.
Der hohe Ballaststoffgehalt einer veganen Ernährung kann bei Reizdarm hilfreich sein, dabei muss jedoch die Verträglichkeit des Einzelnen beachtet werden und die Lebensmittelauswahl so gestaltet sein, dass Nährstoffmängel vermieden werden.
Mit der richtigen Herangehensweise und einer ausgewogenen veganen Ernährung kann man das Reizdarmsyndrom effektiv managen und die Lebensqualität deutlich verbessern.
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