Inhaltsverzeichnis
Vegane Ernährung für Mutter und Kind ist verantwortungslos!
Ist das so? Sind vegane Eltern nicht vielmehr diejenigen, die sich besonders mit ihrer Ernährung und die der Kleinen auseinandersetzen? Unsere Antworten auf die 6 Top-Fragen rund um vegane Ernährung für Mutter und Kind nehmen Gegnern den Wind aus den Segeln.
Auf welche Nährstoffe muss ich als vegane Mutter besonders achten?
Als (werdene) vegane Mutter ist es wichtig, dass du weiterhin Vitamin B12 über Nahrungsergänzungsmittel und ein mit DHA angereichertes Pflanzenöl zu dir nimmst. Wie auch vor der Schwangerschaft kann es – vor allem in den Wintermonaten – sinnvoll sein, ein Vitamin D-Supplement einzunehmen.
Zudem sehen die Empfehlungen der DGE in Schwangerschaft und Stillzeit eine Supplementation mit Jod und/oder die Verwendung von jodiertem Speisesalz oder Nori-Algen mit entsprechenden Jodgehalten vor. Denn als Schwangere benötigst du mehr Jod als sonst und in der Stillzeit steigt dein Bedarf noch weiter an (DGEinfo, 2011). Auch auf Calcium, Zink, Vitamin B2 und B6 sowie Eisen (bei Letzterem verdoppelt sich der Bedarf in der Schwangerschaft!) und Folat sollte besonderes Augenmerk gelegt werden. Daher empfiehlt die DGE eine Folsäure-Supplementierung – die möglichst schon vor der Schwangerschaft beginnen sollte (mehr dazu weiter unten im Artikel).
Wenn du dein Kind nicht stillst, sondern Säuglingsanfangsnahrung nutzt, wird es bereits darüber mit Vitamin B12 versorgt. Dann ist ein zusätzliches Supplement erst mit Beginn der Beikost notwendig.
Mit dem Ende des Vollstillens und der Einführung der Beikost, die zwischen dem 5. und 7. Monat empfohlen wird, solltest du auf ausreichend Protein, Calcium, Eisen, Jod, Zink und Omega-3-Fettsäuren in der Kost achten (DGEinfo, 2011). Zu dieser Zeit solltest du weiterhin Vitamin B12 und Vitamin D supplementieren, ebenso die Omega-3-Fettsäuren DHA und EPA in Form eines angereicherten Pflanzenöls, das du unter die Beikost mischen kannst.
Benötige ich als vegane Mutter ein Folsäure-Supplement?
Die DGE empfiehlt Frauen mit Kinderwunsch mindestens vier Wochen vor der Schwangerschaft sowie bis zum Ende des ersten Drittels der Schwangerschaft die Einnahme eines Folsäure-Supplements, um Neuralrohrdefekten beim Kind vorzubeugen. In der Stillzeit ist ein Supplement dann nicht mehr zwingend erforderlich, da der Verschluss des Neuralrohrs dann abgeschlossen ist (DGEinfo, 2018). Da Veganer davon oft viel über die Nahrung aufnehmen und es Hinweise gibt, dass eine übermäßige Dosierung eines (synthetischen) Folsäure-Supplements zu gesundheitlich negativen Folgen für Mutter und Kind führen könnte, solltest du die Supplementation mit dem zuständigen Arzt besprechen (Davey et al., 2003; Majchrzak et al., 2006; Valera-Gran et al., 2017; Mason und Tang, 2017).
Das gilt übrigens für die Einnahme aller Nahrungsergänzungsmittel: Greife darauf nur bei einem nachgewiesenen Mangel zurück, eine prophylaktische Einnahme ist nicht ratsam.
Wie wirkt sich die Ernährung der Mutter auf die Zusammensetzung der Muttermilch aus?
Wenn du stillst, versorgst du dein Kind über die Muttermilch mit den für seine Entwicklung wichtigen Nährstoffe. Die Makronährstoff-Zusammensetzung der Muttermilch kannst du Tabelle 1 entnehmen.
Tabelle1: Durchschnittliche Nährwertgehalte der Muttermilch (Ballard und Marrow, 2013)
Durchschnittliche Nährwerte pro 100 mL: | |
Energie | 272-293 kJ/65-70 kcal |
Fett
davon gesättigte Fettsäuren davon einfach ungesättigte Fettsäuren davon mehrfach ungesättigte Fettsäuren |
3,2-3,6 g
1,5 g 1,3 g 0,49 g |
Kohlenhydrate
davon Laktose |
7,7-8,8 g
6,7-7,8 g |
Protein | 0,9-1,2 g |
Die in ihrer Zusammensetzung einzigartigen Inhaltstoffe der Muttermilch umfassen
- Makronährstoffe (Kohlenhydrate, Protein, Fette)
- Mikronährstoffe (Vitamine und Mineralstoffe)
- Hormone und Wachstumsfaktoren
- Immunglobuline (Abwehrstoffe)
- Zytokine (Botenstoffe mit unterschiedlicher Wirkung)
- Enzyme (Stoffwechselkatalysatoren)
- eine hohe Diversität an Prä- und Probiotika
Deine Ernährung bestimmt die Qualität und Quantität deiner Milch mit, doch nicht bei allen Nährstoffen ist eindeutig geklärt, wie sich deine Nährstoffaufnahme auf die Gehalte in der Milch auswirkt (Sebastiani et al., 2019). Zudem gibt es Hinweise, dass die Zusammensetzung der Makronährstoffe in der Milch nicht nur von der Nährstoffaufnahme der Mutter, sondern auch von weiteren Faktoren abhängig ist: ihrem BMI, ihrer Körperzusammensetzung, der Proteinaufnahme, dem Wiedereintritt der Menstruation nach der Schwangerschaft, der Stillfrequenz, der Zahl der bisherigen Geburten und der Milchmenge (Sebastiani et al., 2019; Ballard und Morrow, 2013).
Bezüglich der Nährstoffgehalte variiert insbesondere die Fettsäurezusammensetzung je nach Fettsäurenaufnahme der Mutter. Vor allem die Gehalte an wasserlöslichen Vitaminen können vom Versorgungsstatus der Mutter beeinflusst werden, darunter die B-Vitamine (B12!) und Vitamin C. Auch deine Jod-, Cholin- und Selenaufnahme bestimmt die jeweiligen Gehalte in der Milch. Daher ist eine regelmäßige und ausreichende Zufuhr dieser Nährstoffe sowohl für dich als auch für den Säugling sehr wichtig. Dagegen scheint z. B. der Gehalt an Folat in der Milch unabhängig von deinem Versorgungsstatus zu sein, eine Supplementation mit der synthetischen Folsäure kann jedoch den Folatgehalt in der Milch erhöhen (Allen und Hampel, 2019).
Dabei ist wichtig zu wissen, dass sich die Zusammensetzung der Milch während der Laktation verändert und sich an die sich verändernden Bedürfnisse des Kindes anpasst. Ebenfalls interessant ist, dass der Geschmack der Muttermilch je nach Lebensmittelauswahl der Mutter variiert, was eventuelle Auswirkungen auf spätere Geschmacksvorlieben und die Lebensmittelauswahl des Kindes haben kann (Beauchamp und Menella, 2009).
Was sind die besten pflanzlichen Alternativen zur Muttermilch?
Wenn du dein Kind nicht stillen kannst oder möchtest, benötigt es spezielle Säuglingsanfangsnahrung. Diese ist – im Gegensatz zu herkömmlicher Milch bzw. Milchalternativen – speziell auf die Bedürfnisse des Kindes angepasst und ähnelt in ihrer Nährstoffzusammensetzung stark der Muttermilch. Daher wird davon abgeraten, Säuglingsnahrung selbst herzustellen. Die derzeit beste pflanzliche Alternative zu Muttermilch ist Soja-Säuglingsanfangsnahrung, sofern keine Allergie gegen die Hülsenfrucht vorliegt. Denn sie scheint Studien zufolge dem tierischen Pendant in nichts nachzustehen (Vandenplas et al., 2014). In Frankreich gibt es auch Säuglingsanfangsnahrung auf Mandel- und Reisbasis, wobei die Variante auf Reisbasis potenziell erhöhte Arsengehalten aufweisen könnte (Ljung et al., 2011).
Wie finde ich die beste industriell hergestellte Beikost?
Selbst zubereitete Beikost ist zwar in jedem Fall dem industriellen Produkt vorzuziehen, weil du die Zutaten und Frische der Lebensmittel selbst bestimmen kannst. Dennoch gibt es immer Situationen, in denen sich die Gläschen als hilfreich erwiesen haben. Beim Einkauf kannst du dich an Rezepten für selbst zubereitete Breie orientieren und die Zutaten vergleichen. Achte darauf, dass keine geschmacksgebenden Zutaten wie Gewürze, Nüsse, Schokolade, Kakao oder Aromen enthalten sind und weder Salz noch Zucker zugesetzt wurden. Die im Handel erhältlichen Produkte sind häufig fettärmer als von der DGE empfohlen. Wenn das der Fall ist, kannst du sie mit Raps-, Lein-, oder DHA-angereichertem Pflanzenöl aufwerten.
Da rein pflanzliche Breie mit z. B. Hülsenfrüchten nur selten zu finden sind, kannst du einfache Gemüsebreie mit diesen selbst anreichern, wenn du sie vorbereitet ebenfalls auf Lager hast.
Kann sich mein Kind mit einer veganen Ernährung gesund entwickeln?
Zur langfristigen Entwicklung vegan ernährter Kinder gibt es leider kaum aussagekräftige, aktuelle Studien. Die vorliegenden zeigen verschiedene Ergebnisse, was aber auch auf das unterschiedliche Studiendesign (Stillende vs. Nicht-Stillende, Entwicklungsländer, Makrobiotik) zurückzuführen ist. Oft sind die Studien aus einer Zeit, in der das Wissen über die Umsetzung einer nährstoffreichen, bedarfsdeckenden veganen Ernährung noch viel geringer war. Heute kennt fast jeder die Bedeutung einer Vitamin B12-Supplementation und die Verfügbarkeit sowohl von Informationen als auch Produkten ist viel höher als früher.
Insgesamt zeigt sich aber, dass Kinder von veganen Müttern bei der Geburt etwas kleiner und leichter sind als die von Mischköstlern, sie liegen jedoch im Normbereich und es gibt keine Belege, dass negative Folgen aufgrund der pflanzlichen Ernährung unvermeidbar sind (Sanders, 1988; Ferrara et al., 2019; Piccoli et al., 2015; Sebastiani et al., 2019). Mit zunehmendem Wissen über die bedarfsdeckende Umsetzung einer veganen Ernährung spricht vieles dafür, dass sich die Kinder gesund entwickeln können. Wissenschaftler kommen zu dem Fazit, dass eine gut geplante vegane Ernährung für alle Lebensphasen geeignet ist (Mangels und Messina, 2001). Eine gut geplante vegane Ernährung in Verbindung mit regelmäßiger Kontrolle des Versorgungsstatus sowie Substitution von Vitamin B12 und gegebenenfalls weiteren Nährstoffen kann eine ausreichende Versorgung ermöglichen. Das kann nicht nur eine normale Entwicklung von Föten, Säuglingen und Kindern ermöglichen, sondern ist sogar mit einigen möglichen gesundheitlichen Vorteilen für das Kind verbunden, wie der Schutz vor bestimmten Erkrankungen.
In der veganen Schwangerschaft und Stillzeit können speziell darauf ausgerichtete Nahrungsergänzungsmittel die Deckung des (erhöhten) Nährstoffbedarfs erleichtern. Diese sollten in Abhängigkeit von der Gestaltung der Ernährung und unter Betrachtung der Gesundheitsparameter ausgewählt werden.
Der Inhalt dieses Artikels kann und soll eine individuelle Vegane Ernährungsberatung nicht ersetzen. Im Verzeichnis für Vegane Ernährungsberatung findest du, in deiner Nähe vor Ort oder online, fachkundige Unterstützung.
Angela meint
Liebe Barbara,
Die aktuelle Empfehlung der WHO ist es 6 Monate voll zu stillen und dann erst Beikost anzubieten. Sofern alle Reifezeichen erfüllt sind..
LG Angela
Barbara Beil meint
Liebe Angela,
der Hinweis im Artikel bezieht sich auf die Stellungnahme der DGE „Update Säuglingsernährung“. Wie beschrieben wird dort der Beginn der Beikosteinführung zwischen dem 5. und 7. Monat empfohlen, sie kann also auch erst im 6. Monat erfolgen. Die Empfehlung der WHO ist zwar ziemlich konkret, eine genaue Grenze zu ziehen ist jedoch nicht möglich bzw. sinnvoll. Zudem handelt es sich bei dem Standpunkt der WHO um eine internationale Empfehlung, die wahrscheinlich noch weitere Faktoren miteinbezieht (z. B. die Entwicklungsländer betreffend).
Der Zeitpunkt hängt letztlich (wie du sagst) u. a. von der Entwicklung des Kindes, seiner Neugier und den Voraussetzungen im Umfeld ab.
Liebe Grüße
Barbara
Mira Saar meint
Liebe Barbara,
mich würde interessieren, ob es sinnvoll ist, Cholin zu supplementieren. Es gibt dazu ja recht widersprüchliche Studien, ob ein „Cholinmangel“ besteht, wenn die Mutter unter 450 mg pro Tag zu sich nimmt. In manchen Studien ist dann von der Gefahr für die Entwicklung des Fötus die Rede, ähnlich wie beim Folat. Diese 450 mg mit einer veganen Ernährung zu erreichen, ist bei einer veganen Ernährung recht schwierig (ich habe mal meine Ernährung einen Tag mit Chronometer dokumentiert. Alle Nährstoffe sind top, nur Cholin erreiche ich nur zu 50%).
Danke schonmal für deine fachkundige Einschätzung!
Liebe Grüsse
Mira
Barbara Beil meint
„Liebe Mira,
kennst du schon unseren Cholin-Artikel?
In Schwangerschaft und Stillzeit ist der Cholin-Bedarf erhöht, da es über die Plazenta bzw. Muttermilch an das Un-bzw. Neugeborene weitergegeben wird.
Es gibt Hinweise aus Untersuchungen, dass eine (teilweise bis zu 1 g/d) Cholin-Supplementation während der Schwangerschaft positive Folgen auf die kognitive Entwicklung des Nachwuchs haben könnte bzw. dass sich ein Mangel negativ auswirken könnte. Ist die Folat-Aufnahme ausreichend, ist das Risiko für einen Cholinmangel weniger groß. Eindeutige Aussagen lassen sich aus der aktuellen Studienlage nicht ableiten (Beluska-Turkan et al., 2019).
Da negative Wirkungen bei normalen Supplementationsmengen nicht zu erwarten sind, spricht generell nichts gegen eine Supplementation, die aber dennoch mit dem Arzt abgesprochen werden sollte.
Bei der Auswertung deiner Ernährung in Bezug auf die Cholin-Aufnahme solltest du bedenken, dass die Cholin-Gehalte der meisten Lebensmittel nicht bekannt sind und sehr wahrscheinlich nicht in der Datenbank von Cronometer hinterlegt sind, so dass deine tatsächliche Aufnahme wahrscheinlich nicht erfasst wird.
Ich hoffe, dies hilft dir weiter.
Liebe Grüße,
Barbara
Beate Prader meint
Liebe Barbara, wie sieht es mit Oxalsäure während einer Schwangerschaft aus? Ist diese besonders zu meiden (sprich oxalreiche Lebensmittel), gibt es dazu Zahlen? Liebe Grüße Beate
Barbara Beil meint
Liebe Beate,
ein kompletter Verzicht auf oxalsäurehaltige bzw. -reiche Lebensmittel während der Schwangerschaft ist nicht notwendig.
Oxalsäure kann Mineralstoffe binden und daher ihre Absorption im menschlichen Verdauungstrakt hemmen. Das spielt insbesondere in der veganen Ernährung eine bedeutende Rolle, da diese Nährstoffe ohnehin als potenziell kritisch gelten. Da zudem der Eisenbedarf während einer Schwangerschaft deutlich ansteigt, sollte hier besonders auf die resorptionshemmenden und -fördernden Faktoren geachtet werden und oxalatreiche Lebensmittel sollten regelmäßig mit oxalatarmen Produkten abgewechselt werden. Hohe Mengen Sauerampfer (etwa 500 g) oer Rhabarberblätter können Vergiftungserscheinungen auslösen.
Den Oxalsäuregehalt in Lebensmitteln kannst du jedoch auch durch bestimmte Zubereitungsmethoden (Wässern und Kochen) reduzieren.
Mehr zum Thema Oxalsäure kannst du z. B. diesem Artikel aus der Ernährungs Umschau entnehmen.
Liebe Grüße,
Barbara