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Ohne Nussmus – ohne dich? Warum du bei einer Nussallergie nicht darauf verzichten musst – und viele praktische Tipps für die vegane Ernährung mit (Erd-)Nussallergie.
Wusstest du schon, dass …
… Erdnüsse botanisch gesehen keine Nüsse, sondern Hülsenfrüchte sind?
Du bist nicht allein: Nussallergien sind keine Seltenheit
Nüsse sind für 90 % der durch Lebensmittel verursachten Allergien verantwortlich (Weinberger und Sicherer, 2018). Damit gehören sie zu den 14 Hauptallergenen, die auf der Zutatenliste hervorgehoben und bei loser Ware sowie in Restaurant und Café nach europäischem Recht gekennzeichnet werden müssen.
Dass so viele Allergiker betroffen sind, liegt an den unterschiedlichen Nusssorten und damit den vielen unterschiedlichen Allergenen. Das ist eine gute Nachricht. Denn die meisten Nussallergiker reagieren nicht auf alle, sondern nur auf einzelne Sorten.
Herausforderungen für Veganer mit Nussallergie
Vegan leben und gleichzeitig eine Nussallergie bewältigen: Eine Herausforderung, die sich mit dem entsprechenden Know-how durchaus meistern lässt. Wichtig zu bedenken ist, dass Nüsse in vielen pflanzlichen Lebensmitteln enthalten sind, was oft erst bei einem genauen Blick auf die Zutatenlisten auffällt.
Sie werden unter anderem weiterverarbeitet zu Soßen, Mus, Mehl, Cremes, Ölen, Flocken, Pasten und Mark. Das von vielen Veganern und gesundheitsbewussten Menschen geliebte Nussmus ist damit potenziell gefährlich für Allergiker. Ob auf dem Porridge, als Zutat in selbstgemachten Riegeln, Gebäck, Soßen, Dressings oder einfach pur vom Löffel – Fans dieser cremigen und nährstoffreichen Köstlichkeit möchten natürlich ungern darauf verzichten.
Auch wer kein Nussmus mag oder nicht so gern Nüsse knabbert, muss bei einer Allergie im Ernährungsalltag aufmerksam sein. Worin sich Nüsse verbergen können, zeigt Tabelle 1.
Tabelle 1: Nahrungsmittel, die für Personen mit Nussallergie problematisch sein können.
Nahrungsmittel, die Nüsse bzw. Spuren von Nüssen enthalten können: | |
Backwaren, wie Brot, Brötchen, Gebäck etc. und Fertigbackmischungen | |
Pflanzendrinks, pflanzliche Joghurt- und Käsealternativen | |
Fertiggerichte (wie z. B. Getreidebratlinge oder Obst- und Gemüsefertiggerichte) | |
Kartoffelprodukte | |
Müslimischungen, Müsliriegel | |
Brotaufstriche, Erdnussbutter, Schokocreme | |
kalt gepresstes Öl aus Nüssen, Margarine mit Nussbestandteilen | |
Würzmittel und Gewürze (Curry) | |
Süßwaren, Schokolade, Riegel, Marzipan | |
Kräcker, Salzgebäck | |
Desserts, Pudding, Eis | |
bestimmte Getränke, z. B. Likör | |
aromatisierter Kaffee | |
Soßen, Pestos (mit Nüssen) | |
Instantgetränke (kaltlösliche Pulver), Kakaogetränkepulver, Kakaogetränke | |
* Die Tabelle/Auflistung erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. |
Da nicht alle Produkte in diesen Kategorien Nüsse oder genau die Nusssorte enthalten, gegen die eine Unverträglichkeit vorliegt, ist es wichtig, immer die Zutatenliste sorgfältig zu prüfen.
Rösten, kochen, frittieren – Abhilfe bei Nussallergie?
Wichtig zu wissen: Teilweise wirkt sich die Verarbeitung auf die Allergenität von Erdnüssen und Nüssen aus. Wer eine starke Allergie hat, sollte hier jedoch auf keinen Fall auf eigene Faust experimentieren. Zeigt sich nur ein leichtes Kribbeln oder Kratzen nach dem Verzehr von Haselnüssen im Hals, könnte sich ein Versuch mit gerösteten Nüssen lohnen. Je nach auslösendem Protein können diese besser verträglich sein.
Bei Erdnüssen hingegen kann das Rösten das Allergiepotenzial erhöhen. Das gilt auch für Homogenisieren und Emulgieren, wie es häufig bei Erdnussbutter durchgeführt wird. Sind die Hülsenfrüchte frittiert oder gekocht, können sie hingegen besser verträglich sein.
Zurück zum Nussmus. Wie bereits erwähnt, gibt es nicht DIE Nussallergie. Selbst wenn eine oder mehrere Sorten eine Reaktion auslösen, werden von den meisten Menschen mit Nussallergie bestimmte Sorte vertragen. Denn sogenannte Kreuzreaktionen (mehr dazu weiter unten) zwischen Erdnüssen und Nüssen sind selten. So ist vielleicht das Erdnussmus tabu, doch Mandelmus könnte vertragen werden. Einen regelrechten Hype erfährt gerade das Pistazienmus, welches mit seiner grünen Farbe Speisen nicht nur geschmacklich und im Hinblick auf die Nährstoffe, sondern auch optisch aufwertet. Eine weitere Alternative ist Tahin – vorausgesetzt, Sesam wird vertragen. Das aus den kleinen Samen gewonnene Mus ist auch eine gute Kalziumquelle.
Apropos Kalzium: Wer auf mehrere Nusssorten allergisch ist und daher auf deren Verzehr verzichten muss, erhält auch nicht die darin enthaltenen Nährstoffe. Wie lässt sich der Nährstoffbedarf bei einer veganen Ernährung und Nussallergie dennoch decken?
Wichtige Nährstoffe aufnehmen: Nüsse haben kein Nährstoffmonopol
Allen Nüssen gemeinsam ist ihr hoher Fettanteil. Eine gewisse Menge an Protein ist ebenfalls enthalten. Erwähnenswert ist außerdem der Gehalt an Ballaststoffen und sekundären Pflanzenstoffen. Was also, wenn man allergisch auf die ein oder andere Nuss reagiert?
Bei jeder Ernährungsform ist es empfehlenswert, regelmäßig verschiedene Nusssorten in die Ernährung zu integrieren. Denn jede weist ihr ganz individuelles Nährstoffprofil auf. Das betrifft vor allem die Zusammensetzung der Fettsäuren, Aminosäuren und Mineralstoffe. Die wichtigste Maßnahme bei Vorliegen einer Nussallergie ist daher, alle Nusssorten zu nutzen, gegen die keine Sensibilität vorliegt und die somit vertragen werden.
Doch auch wer gegen mehrere Nusssorten allergisch ist, muss keine Angst vor Nährstoffmängeln haben. Denn reich an mehrfach ungesättigten Fettsäuren sind unter anderem
- Ölsaaten (Leinsamen, Chia-Samen, Sesam, Sonnenblumenkerne, Kürbiskerne, Hanfsamen),
- pflanzliche Öle (Lein-, Raps-, Olivenöl),
- Avocado,
- Oliven.
Protein liefern unter anderem
- Hülsenfrüchte (Soja, Linsen, Bohnen etc.) und
- daraus hergestellte Erzeugnisse (Tofu, Tempeh etc.),
- Pseudo- und Vollkorngetreide (Quinoa, Amaranth).
Die aufgelisteten Lebensmittel liefern gleichzeitig Ballaststoffe und sekundäre Pflanzenstoffe, die auch in Obst und Gemüse enthalten sind – in der Regel sind diese wichtigen Stoffe bei pflanzenbasierter Ernährung also kein Problem.
Der Weg zur gesicherten Diagnose: Test, don’t guess
Unnötigerweise auf das geliebte Nussmus zu verzichten, wäre ziemlich ärgerlich, oder? Sowohl aus geschmacklicher, nährstofftechnischer als auch praktischer Hinsicht ist es wichtig, nicht einfach einzelne Lebensmittel vom Speiseplan zu streichen. Umso wichtiger ist eine gesicherte Diagnose.
Symptome der Nussallergien: Von Kribbeln bis Anaphylaxie
Die Symptome einer Erdnuss- und Nussallergie machen sich kurz nach dem Verzehr bis einige Stunden später bemerkbar und betreffen
- Gastrointestinaltrakt: Bauchschmerzen, Erbrechen oder Durchfall, und
- Haut: Juckreiz, Rötung und Nesselsucht, Neurodermitisschübe
- Herz-Kreislauf-System: Herzrasen, Schweißausbrüche bis hin zu schweren anaphylaktischen Reaktionen.
- Mund- und Rachenraum: orales Allergiesyndrom (OAS): Schleimhaut im Mund- und Rachenraum kribbelt, brennt oder schwillt wenige Minuten bis Stunden nach der Aufnahme an
- Atemwege: allergischer Schnupfen, asthmatische Beschwerden
Treten die genannten Symptome in Verbindung mit bestimmten Nahrungsmitteln regelmäßig auf und konnten andere Erkrankungen als Grund ausgeschlossen werden, besteht der Verdacht auf eine Nahrungsmittelallergie. Dieser muss mittels weiterer Tests bestätigt werden. Nicht jede Beschwerde nach dem Verzehr von Nüssen bedeutet, dass eine Nussallergie vorliegt (Worm et al., 2021).
Pricktest: Mit Nadeln zur Diagnose?
Ein relativ bekannter Test zur Diagnose von (Lebensmittel-)Allergien ist der sogenannte Prick-Test. Dabei werden standardisierte Allergenlösungen auf die Innenseite des Unterarms aufgetragen und mit einer speziellen Lanzette oder Prick-Nadel oberflächlich in die Haut eingebracht. Anschließend wird beobachtet, ob es zu Symptomen kommt. Das kann durchaus unangenehm sein. Auch wenn die Stelle am Arm juckt, wo die erdnusshaltige Lösung aufgetragen wurde, heißt das nicht zwangsläufig, dass Erdnussmus gemieden werden muss. Denn nur etwa 50 % der positiven Hauttests sind mit Symptomen nach dem Lebensmittelverzehr verbunden, also „klinisch relevant“ (Worm et al., 2021).
Zur Absicherung: Elimination und Provokation
Um zu wissen, ob wirklich die (Erd-)Nuss der Übeltäter ist, wird die spezifische Nuss für etwa ein bis zwei Wochen gemieden. Kommt es in dieser Zeit zu einer Besserung oder treten keine Beschwerden auf, so liegt wahrscheinlich eine Allergie vor.
Werden die Beschwerden nicht besser, wird das potenzielle Allergen gezielt verabreicht. Dieser Vorgang sollte unter ärztlicher Aufsicht erfolgen, insbesondere wenn schwere Reaktionen erwartet werden. Dafür gibt es mehrere Möglichkeiten. Am offensichtlichsten ist es, einfach eine gewisse Menge der Nuss zu essen. Dabei kann es aber auch zu Placeboeffekten kommen: Wenn die betroffene Person eine Reaktion erwartet, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie diese auch wahrnimmt oder sie wirklich eintritt. Um das zu verhindern, können „blinde“ Provokationen durchgeführt werden. Dafür werden entsprechende Nahrungsmittel in titrierter Form verabreicht, oft mit bestimmten Steigerungen in Zeitabständen von 20 bis 30 Minuten und beobachtet, ob Beschwerden auftreten. Die Testperson (und teilweise auch der behandelnde Arzt) weiß nicht, ob und welches Lebensmittel gegeben wird. Der Test endet, wenn Reaktionen auftreten oder die vorgesehene Menge keine Symptome hervorruft (Worm et al., 2021). So kann diagnostiziert werden, ob eine (Erd-)Nussallergie vorliegt oder nicht.
Nuss ist nicht gleich Nuss – und warum sie Allergien auslösen
Wie eingangs erwähnt ist die Erdnuss botanisch gesehen eine Hülsenfrucht. Bei den botanischen Nüssen unterscheidet man:
- echte Nüsse (wie Edelkastanie, Macadamia- und Haselnuss sowie die Echte Walnuss),
- Kapselfrüchte (wie Paranüsse),
- Kerne der Steinfrüchte (wie Mandeln, Pekannuss, Kokosnuss und Pistazien).
Warum reagieren überhaupt so viele Menschen auf (Erd-)Nüsse allergisch? In Nahrungsmitteln liegen bestimmte Proteinstrukturen vor, die sogenannten Allergene. Auf manche von ihnen reagiert das menschliche Immunsystem und es kommt zur allergischen Reaktion. Jede Nusssorte hat eigene, typische Proteine. Deswegen reagiert Person A beispielsweise auf eine Struktur in Haselnüssen, Person B auf die Struktur in Mandeln und Person C auf eine andere Struktur in Haselnüssen und verträgt deswegen die geröstete Version, was bei Person A nicht der Fall ist.
Nussallergien können als primäre Allergien oder sekundäre Sensibilisierungen – auch als Kreuzallergien bekannt – vorliegen. Primäre Allergien entstehen hauptsächlich im Kindesalter. Dabei reagiert das Immunsystem auf die Proteine in der Nuss. Teilweise verschwinden diese Allergien im Laufe der ersten Lebensjahre wieder. Anders sieht das bei der Kreuzallergie aus. Sie tritt meist im Jugend- und Erwachsenenalter das erste Mal auf und bleibt in der Regel ein Leben lang bestehen. Dabei richtet sich die Reaktion nicht direkt gegen Allergenstrukturen in der Nuss, sondern eigentlich gegen solche aus Pollen aus der Luft. Wer gegen diese eine Allergie hat – teilweise ohne es zu wissen – kann eine Kreuzallergie auf Nüsse entwickeln, denn Proteinstrukturen in den Pollen ähneln denen in Nüssen und der Körper „verwechselt“ diese quasi. Deswegen sind die Symptome oft auch besonders stark in der Pollenzeit, während außerhalb weniger Probleme auftreten.
Die Top-Tipps, um deinen veganen Alltag mit (Erd-)Nussallergie zu meistern
- Beim Kauf verarbeiteter Lebensmittel sollte das Zutatenverzeichnis genau gelesen und Warnhinweise beachtet werden (im Zweifelsfall beim Hersteller nachfragen). Wichtig: Hersteller können die Zusammensetzung von Produkten ändern, es sollte also auch bei Produkten, die regelmäßig gekauft werden, immer mal wieder auf die Zutaten geschaut werden.
- Küchenhygiene ist wichtig: Saubere Back- und Kochutensilien helfen, Kontaminationen zu vermeiden.
- Auf der sicheren Seite ist, wer weitestgehend auf Fertiggerichte und hochverarbeitete Produkte verzichtet und frische, naturbelassene Lebensmittel verwendet, wie unverarbeitetes Obst und Gemüse. Auch Müslis lassen sich aus den Einzelkomponenten, wie Haferflocken, Ölsaaten etc., selbst mischen.
- Essen außer Haus birgt Gefahren: Denn überall dort, wo Nüsse verarbeitet werden, kann es auch zu Verunreinigungen anderer Speisen kommen. Es kann und sollte beim Kellner oder Koch nachfragt werden, jedoch bleibt ein Restrisiko, was insbesondere bei einer schweren Allergie problematisch sein kann.
- Auch die Kommunikation der Allergie ist wichtig. Leidet ein Kind unter einer Erdnuss- und/oder Nussallergie, sollten die betreuenden Personen informiert und aufgeklärt sein.
- Für den „nussigen“ Geschmack stellen Erdmandeln eine Alternative dar. Sie können als Flocken oder Mehl verzehrt werden.
Vegan gesund ernähren bei Nussallergie – mit Nussmus
Nahrungsmittelallergien bedeuten immer eine gewisse Einschränkung. Wichtig ist eine klare Diagnose, Aufklärung und – insbesondere bei möglichen schweren Reaktionen – eine enge ärztliche Begleitung. Zutatenlisten lesen, unterwegs nachfragen, die Angst, doch etwas „falsches“ zu essen, Verzicht auf geliebte Nahrungsmittel oder Mahlzeiten: All das kann belastend sein. Dennoch sollte man es sich nicht schwerer machen als nötig. Ein Verzicht sollte nur erfolgen, wenn er wirklich notwendig ist und nur auf die Nusssorten, die nicht vertragen werden. Die Unterstützung durch eine ausgebildete Fachkraft kann den Weg erleichtern. Sie hilft auch, schmackhafte und nährstoffreiche Alternativen zu finden und in die eigene vegane Ernährung aufzunehmen. Eine ausgewogene pflanzenbasierte Ernährung stellt eine gute Möglichkeit dar, auch bei Vorliegen einer (Erd-)Nussallergie gesund und lecker zu essen – mit Nussmus.
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