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Avocado – umweltfreundlich sieht anders aus, aber was sagt die Nährstoffbilanz?
Sie erfreut sich steigender Beliebtheit und kann als regelrechter Star im exotischen Dschungel der gehypten Lebensmittel betitelt werden. Vor allem in der vegetarisch-veganen Ernährung darf sie auf keiner elegant angerichteten Bowl mehr fehlen. Verfechter der Low Carb Ernährung, aber auch Anhänger der Vollwertkost, die teilweise als clean eating bezeichnet wird, setzen massiv auf das elegante Nährstoffwunder. Ob im Smoothie, Salat, als Dressing oder gar Dessertgrundlage – die Avocado zeichnet sich durch ihre Wandlungsfähigkeit in der Küche aus. Die Nachfrage nach der grünen Frucht hat in den vergangenen Jahren massiv zugelegt. Schließlich, so heißt es jedenfalls, hat die Avocado Nährstoffe, Ballaststoffe und insgesamt ernährungsphysiologisch einiges zu bieten.
Allerdings melden sich nun auch Ökologen zu Wort, da der Hunger nach der Avocado umwelttechnisch fatale Auswirkungen habe. Sowohl der Anbau in Monokulturen, der exorbitant hohe Wasserverbrauch als auch lange Transportwege inklusive energieaufwendiger Lagerung – die globale Lust auf die Superfrucht hinterlasse Spuren auf unserem Planeten. Doch wie steht es um die tatsächlichen Daten und Fakten: Sind Veganer mit ihrem Avocado-Konsum die größeren Umweltsünder als Fleischverzehrer? Wenn du deinen ökologischen Fußabdruck so nachhaltig wie möglich halten möchtest, fragst du dich sicherlich auch, ob es eine ökologisch vertretbare, aber nährstoffähnliche Alternative zur Avocado gibt? Antworten auf all diese Frage erhältst du in diesem Artikel, denn hier dreht sich alles um den exotischen grünen Superfrucht-Star.
Superfood Avocado
Optisch ist sie zweifellos ein Hingucker. Ihre einzigartige Nährstoffbilanz verleiht angeblich auch unserem heutigen Kandidaten den Titel Superfood. Außerdem macht sie noch ein weiterer Aspekt so unglaublich beliebt: Die Avocado hat in der Küche eine große Bandbreite an Einsatzmöglichkeiten. Als alternativer beziehungsweise vollwertiger Brotaufstrich oder als Dip in Form von Guacamole wird sie nicht nur zu mexikanischen Speisen serviert. Gesundheitsbewusste nutzen sie als Topping für Salate sowie in Smoothies. Wenn du eine Naschkatze bist, hast du vielleicht schon eine Mousse au Chocolat auf Basis des eleganten Exoten genossen. Doch es lohnt sich zu hinterfragen, ob die Avocado für deutsche Teller unersetzlich ist. Aber fangen wir von vorn an: Worum handelt es sich eigentlich bei diesem modernen Superfood?
Im botanischen Sinne ist die Avocado eine Beere, weshalb sie zu den Früchten und nicht, wie oftmals angenommen, zum Gemüse zählt. Als Synonyme werden auch die Begriffe Butter- oder Alligatorbirne genannt, da sich manche Sorten durch eine elegante Birnenform auszeichnen. Der Avocadobaum zählt übrigens zu den Lorbeergewächsen, fachlich auch als Lauraceae bezeichnet (Glogowski, 2017).
Herkunft und Sorten
Die Avocado wird überwiegend in Mexiko angebaut, wo sie schon seit 10.000 Jahren Verwendung findet. Südamerika (Chile, Peru) sowie die USA (Kalifornien) sind weitere Herkunftsländer der beliebten Frucht. Seit dem 19. Jahrhundert hat ihr Anbau auch in Afrika und Asien Einzug gefunden; ein Jahrhundert später sogar in den europäischen Breiten, vorwiegend in den Mittelmeerländern Spanien, Portugal und Griechenland.
Insgesamt sind mehr als 400 Sorten bekannt, wovon zwei üblicherweise bei uns im Supermarkt zu finden sind. Einerseits die birnenförmige Sorte Fuerte, die eine grüne Schale als charakteristisches Merkmal trägt und mexikanische Wurzeln hat. Andererseits die aus Kalifornien stammende Hass-Avocado, eine etwas rundere Variante mit schwarz-grüner Schale (Glogowski, 2017).
Die Avocado ist übrigens eine sogenannte klimakterische Frucht,das bedeutet sie kann unreif geerntet werden und im Anschluss nachreifen. Wann Avocado-Zeit ist, kann aufgrund dieser Fähigkeit sowie den klimatischen Verhältnissen der Heimatländer beantwortet werden: Der grüne Exot hat ganzjährig Saison (Kittemann, 2012).
Soweit ein kleiner Steckbrief des heutigen Kandidaten. Wie aber verhält es sich nun mit dem angeblichen Mehrwert in Sachen Nährstoffe?
Ernährungsphysiologische Bewertung
Den essbaren Anteil der Avocado macht das grüne, im reifen Zustand cremig weiche Fruchtfleisch aus. Diese streichfähige und haptisch zarte Konsistenz lässt uns schon erahnen, dass die Frucht einen nennenswerten Fettanteil besitzt. Gesunde Fette sollen es sein, dazu Vitamine, Mineralien, Spurenelemente und noch viel mehr. Ob die Avocado Nährstoffe besitzt, die uns kein heimisches Lebensmittel bieten kann, schauen wir uns nun genauer an.
Avocado: Nährstoffe
Verglichen mit anderen Obst- aber auch Gemüsesorten enthält die Avocado viel Fett und deshalb auch mehr Kilokalorien. Gleichzeitig finden sich aber auch fettlösliche Vitamine in der Frucht, nämlich Vitamin A, E und K, denen im Hinblick auf ihre Bioverfügbarkeit der relativ hohe Fettanteil sehr zu Gute kommt. Mit dem Spektrum an Fettsäuren muss sich die Avocado auch nicht verstecken, denn überwiegend enthält sie die einfach ungesättigte Ölsäure, welche nachweislich positive Effekte auf den Cholesterinspiegel aufweist.
Darüber hinaus glänzt das „Superfood“ mit einem erstaunlich hohen Kaliumgehalt. Vergleichsweise hat die Avocado mehr dieses Mineralstoffes zu bieten als die als kaliumreich bekannte Banane (367 mg/100g). Dadurch habe die Avocado blutdrucksenkende beziehungsweise -regulierende Eigenschaften (Weschenfelder et al.,2015).
An sekundären Pflanzenstoffen sind primär das Carotinoid Lutein, phenolische Komponenten beziehungsweise Flavonoide in der Frucht enthalten, welche antioxidativ wirken (Vinha et al., 2013).
Tabelle 1: Ausgewählte Inhaltsstoffe sowie das Fettsäurespektrum pro 100 g Avocado (BLS)
Avocado | |
---|---|
Energie (kcal) | 130 |
Fette (g) | 12,50 |
gesättigte Fettsäuren (g) | 2,77 |
einfach ungesättigte Fettsäuren (g) |
8,11 |
mehrfach ungesättigte Fettsäuren (g) |
1,62 |
Omega-6-Fettsäuren (g) | 1,51 |
Omega-3-Fettsäuren (g) | 0,11 |
Protein (g) | 1,37 |
Kohlenhydrate (g) | 3,55 |
Ballaststoffe (g) | 4,10 |
Vitamine | |
Vitamin A-Retinoläquivalent (µg) | 131 |
Vitamin E (µg) | 2030 |
Vitamin K (µg) | 14 |
Mineralstoffe/ Spurenelemente | |
Kalium (mg) | 550 |
Eisen (µg) | 440 |
Der Avocadokern
Die Hochwertigkeit des cremigen Fruchtfleisches ist wahrscheinlich allen bekannt. Aber hast du schon von dem als „Wundermittel“ angepriesenen Kern der Avocado gehört, welcher angeblich unter den Aspekten Inhaltsstoffe und ernährungsphysiologischem Mehrwert das leckere Fruchtfleisch übertreffen soll? Was steckt hinter dieser Aussage? Mythos oder Tatsache?
Die Forschung hat sich dieser Frage in den vergangenen Jahren angenommen und den Avocadokern, im wahrsten Sinne des Wortes, genauer unter die Lupe genommen. Neben Antioxidantien, einer guten Menge an Kalium – ähnlich dem des Fruchtfleisches – sowie Ballaststoffen, befinden sich im Kern auch Giftstoffe. Dazu zählt beispielsweise die lipophile Verbindung Persin, welche von der Pflanze zum Schutz vor Mikroorganismen gebildet wird. Auf den Menschen wirke sich die darin enthaltene Menge nicht nachweislich gefährlich aus, allerdings sind Humanstudien zum Verzehr höherer Mengen des Avocadokerns unzureichend, um eine gesicherte Aussage treffen zu können (Padilla-Camberos et al., 2013; Giffoni Leite et al., 2009).
Laborstudien zeigen, dass Extrakte des Kerns cholesterinabbauende Enzyme fördern können und protektive Effekte bei Hypertonie, Diabetes und entzündlichen Erkrankungen haben sowie antimikrobielle Eigenschaften besitzen. Die Hypothese, dass die Inhaltsstoffe des Avocadokerns beim Abnehmen helfen würden, konnten bislang nicht evidenzbasiert nachgewiesen werden (Dabas et al., 2013; Willers und Becker, 2017).
Verwendet wird der auf den ersten Blick nicht essbare Kern übrigens durch das Mahlen in getrocknetem Zustand, woraus man ein Pulver erhält. Dieses kannst du beispielsweise in dein Müsli oder deinen Smoothie mischen.
Avocado und Umwelt
Nun zur großen Frage, ob die Avocado die Umwelt zerstört und vielleicht sogar eine größere Ökosünde als der Fleischkonsum ist.
Fakt ist, dass Deutschland in den letzten Jahren einen immensen Anstieg beim Import von Avocados verzeichnet. Waren es noch 31.000 Tonnen im Jahr 2013, hat sich die Zahl 2017 bereits auf 70.000 Tonnen erhöht, im Jahr 2021 waren es 121.000 Tonnen (Statistisches Bundesamt und BMEL (2017; Statista, 2021). Aber nicht nur hierzulande wächst die Lust an dem exotischen Superfood. Dem möchte die Wirtschaft mit einem ausreichenden Angebot nachkommen, was jedoch allmählich ökologische Gefahren mit sich bringt.
Ein wesentlicher Kritikpunkt ist der hohe Bewässerungsbedarf, denn mit ca. 1.000 Liter pro Kilogramm schneidet das Superfood nicht ganz so glanzvoll ab. Außerdem werden durch die steigende Produktion hauptsächlich Monokulturen betrieben und Waldflächen gerodet (Burdick et al., 2017). Darüber hinaus dürfen die Transportwege nicht vergessen werden. Avocados kommen meist mit dem Schiff angereist, was zwar weniger Emissionen verursacht als Flugtransfer, allerdings benötigen die Früchte ausreichend Kühlung auf ihrer Reise zu uns, was wiederum einen hohen Energieaufwand bedingt.
Tabelle 2: Vergleich des durchschnittlichen Wasseraufwands unterschiedlicher Lebensmittelgruppen (water footprint network)
Wasseraufwand (l/kg) | |
---|---|
Gemüse | 322 |
stärkehaltiges Wurzelgemüse | 387 |
Obst | 962 |
Avocado | 1.100 |
Getreide | 1.644 |
Hülsenfrüchte | 4.055 |
Nüsse | 9.063 |
Fleisch (sortenabhängig) | 4.325 – 15.415 |
Im Vergleich zu anderen Obstsorten beziehungsweise vor allem zum Gemüse, wird für den Anbau von Avocados pro Kilogramm mehr Wasser benötigt. Wenn man sich den Wasserverbrauch von Getreide, Hülsenfrüchten, Nüssen und vor allem Fleisch ansieht, schneidet die Avocado in der Ökobilanz immer noch besser ab. Diese Werte müssen jedoch auch an die jeweilige Verzehrsmenge adjustiert werden: Beispielsweise verzehrt man in der Regel größere Mengen an Gemüse, Obst und Getreide verglichen mit Nüssen.
Gibt es eine vertretbare Alternative?
Mit einem Blick auf die Nährstoffgehalte der Avocado gibt es eine Reihe an heimischen sowie weniger umweltschädlichen Lebensmitteln, welche gegen den exotischen Superfrucht-Kandidaten spielend ausgetauscht werden können. Oliven(öl) und Sesam(öl) für die einfach ungesättigte Ölsäure, Nüsse sowie Ölsaaten für das Plus an Mineralien und eine Bandbreite an heimischen Obst- und Gemüsesorten für die Vitamine.
Zusammenfassung: Ist die Avocado umweltverträglich?
Sie ist zum Inbegriff einer bewussten Ernährung geworden, ökologisch allerdings fragwürdig. Dass die Avocado Nährstoffe in großem Ausmaß enthält, kann nicht bestritten werden. Oliven, Sesam, Nüsse und heimische Früchte stehen ihr aber nicht weit hinterher. Wenn man die Avocado umwelttechnisch auf den Prüfstand stellt, schneidet der beliebte Exot nicht so glanzvoll ab. Vor allem der relativ hohe Wassereinsatz und der Energieverbrauch während des Transportes lassen den ökologischen Fußabdruck beim regelmäßigen Konsum von Avocados ansteigen. Aber was bedeutet das nun für dich im Alltag?
Durch ihre vielseitigen Einsatzmöglichkeiten und die gesunden Inhaltsstoffe kann die Avocado deine Ernährung ergänzen, allerdings solltest du gleichzeitig ihre ökologischen Begleiteffekte im Hinterkopf behalten.
Der Inhalt dieses Artikels kann und soll eine individuelle Vegane Ernährungsberatung nicht ersetzen. Im Verzeichnis für Vegane Ernährungsberatung findest du, in deiner Nähe vor Ort oder online, fachkundige Unterstützung.
Katja Erdmann meint
Danke für den Artikel 🙂
Du beschreibst, was mir zum Thema heißgeliebte Avocado schon lange eben als (nur halb ökologischer) Hype durch den Kopf und die Meinung geht.
Eat local bleibt in Zweifelsfällen die Devise.
Wenn ich auch X Lieblingsrezepte mit der geliebten Frucht im Kopf habe
( 90er-bis 2010, seitdem muß ich extrem sparen), so schmeckt mir das inzwischen massenhafte Angebot
“ Avocado vorgereift“ schon lange nicht mehr.
In Rapsöl, Leinöl, Petersilie, Tomaten, Karotten, Gerstengras finden sich die gleichen wertvollen Inhalte von guten Fettsäuren über Kalium bis Vitamin K.
Vielleicht ist der Test “ was kann/könnte ich selber züchten?“ als Reminder ganz gut. Mit Sprossen kann man ja beginnen 😉
Liebe Grüße aus dem Nahverkehr!
Isabel Bernhauser meint
Hallo liebe Katja!
Dankeschön für deinen anregenden Kommentar, passend zu unserem Artikel.
Der Devise kann ich vollkommen zustimmen, zumal die Empfehlungen der Vollwertkost „regional und saisonal“ so einige Vorteile mit sich bringen. Nicht nur gesundheitlich, sondern gleichzeitig mit der Umwelt und sozialen Aspekten in Einklang sowie die (lokale) Ökonomie in Betracht gezogen. Die heimische Vielfalt an Lebensmittel bietet ein ebenbürtiges Spektrum an den für uns essentiellen Nährstoffen; vor allem, wenn wir auch der Devise „abwechslungsreich und naturbelassen“ nachgehen.
Ganz liebe Grüße,
Isabel!
Dorothea Pott-Zimmer meint
Vielen Dank für den interessanten Artikel über die Avocado!
Da ich den Geschmack und die Konsistenz der Avocado sehr gerne mag, aber häufig über die Qualität der angebotenen Avocados im Supermarkt oder Biomarkt oft enttäuscht bin, habe ich nach Alternativen gesucht. Auch der ökologische Aspekt bezüglich des Anbaus in Chile ist erschreckend!
Eine Alternative, die ich ab und zu in Anspruch nehme ist ein Kiste Avocados aus Spanien die man über die Organisation Crowdfarming beziehen kann. Die Qualität der Früchte ist super und die Bauern erzielen ihren Gewinn direkt und nicht über Zwischenhändler.
Für uns eine tolle Alternative zur Supermarktavocado!
LG Doro
Isabel Bernhauser meint
Hallo liebe Doro,
vielen Dank für dein Feedback zu unserem Artikel sowie deine persönlichen Erfahrungen mit vertretbaren Alternativen zur Avocado aus dem Supermarkt.
Neben dem „Superfood“ Avocado, das im ökologischen Sinne leider nicht die beste Wahl ist, kann man auch auf Ölsaaten, Nüsse bzw. daraus gewonnene Öle und heimische Früchte zurückgreifen.
Herzliche Grüße,
Isabel!