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Blähungen durch vegane Ernährung – Ein aufgeblasenes Problem? So löst du es.
Wusstest du schon, dass …
… Blähungen nicht gleichzusetzen sind mit „Pupsen“?
Was sind Blähungen?
Blähungen sind normal und sogar notwendig. Sie beschreiben Gasansammlungen im Darm bei gesunden Personen (Misselwitz und Wiest, 2021). Diese Gase entweichen unter anderem durch „Flatus“ – Pupsen ist also eine normale und gesunde Reaktion des Körpers. Sind die Blähungen allerdings abnormal stark, können sie das Wohlbefinden beeinträchtigen und auf Erkrankungen hinweisen. Wissenschaftlich korrekt werden übermäßige Gasansammlung als „Meteorismus“ bezeichnet. Dabei dehnen sich das Darmlumen und der Bauchraum aus, was zu Unwohlsein und einem Völlegefühl führen kann. Manchmal fühlt sich der Bauch an wie ein Ballon – das kann durch eine gestörte Wahrnehmung oder einen tatsächlich messbar erhöhten Bauchumfang verursacht sein (Zhang et al., 2023; Deutsches Ärzteblatt, 2005).
Blähungen können mit häufigem Aufstoßen, Flatulenz (dem übermäßigen „Pupsen“), Verstopfung oder Bauchschmerzen einhergehen (Deutsches Ärzteblatt, 2005). Wenn das ab und zu passiert, ist das meistens kein Grund zur Sorge. Bei häufigen und unangenehmen Beschwerden sollte jedoch ärztlich abgeklärt werden, ob eine Erkrankung die Ursache ist. Eine Ernährungsfachkraft kann ergänzend helfen, die Beschwerden zu verringern. Ein Arztbesuch ist dringend notwendig, wenn es zu Gewichtsabnahme, Blut im Stuhl oder Schmerzen im Brustkorb kommt.
Zwischen 10 und 30 % der Erwachsenenbevölkerung sind von Meteorismus betroffen (Deutsches Ärzteblatt, 2005). Vermutlich wird das Beschwerdebild aufgrund der Überschneidung mit anderen Erkrankungen wie dem Reizdarm-Syndrom unterdiagnostiziert (Pessarelli et al., 2022).
Wie entstehen Blähungen?
Die Gase im Darm resultieren zum Teil aus verschluckter Luft, die in Form von Stickstoff und Sauerstoff in den Magen gelangt. Aber auch die Neutralisation des Magensafts im Dünndarm erzeugt Gase, nämlich Kohlendioxid. Zum größten Teil entwickeln sich die Gase jedoch im Zuge des bakteriellen Abbaus von Ballaststoffen oder auch anderen Nahrungsbestandteilen im Dickdarm, die in die tieferen Darmabschnitte gelangen. So entstehen unter anderem Wasserstoff, Kohlendioxid und Methan (Rüffer et al., 2013). In Abbildung 1 sind die möglichen Ursachen für Meteorismus dargestellt.
Vegane Ernährung und Blähungen
Obwohl kaum jemand offen über persönliche Erfahrungen spricht, wird häufig verallgemeinert, eine vegane Ernährung würde zu mehr Blähungen führen. Wissenschaftlich haltbar ist diese Aussage allerdings nicht. Es gibt keine Studien, die einen Zusammenhang zwischen veganer Ernährung und gehäuftem Auftreten von Blähungen belegen. Allerdings gäbe es neben den anekdotischen Berichten vor allem von Einsteigern der veganen Ernährung ernährungsphysiologische Erklärungen für dieses Phänomen. Denn einige pflanzliche Lebensmittel weisen Eigenschaften auf, die sie schwerer verdaulich machen und eine Gasansammlung begünstigen können. Wenn man diese auf einmal in größeren Mengen isst, kann das durchaus zu vermehrten Blähungen bei veganer Ernährung führen.
Die „Übeltäter“
Ein möglicher Grund ist das höhere Nahrungsvolumen, das mit einer veganen Ernährung einhergehen kann, besonders wenn verstärkt auf unverarbeitete Lebensmittel gesetzt wird. Da diese oft eine geringere Energiedichte aufweisen, sind größere Mengen erforderlich, um den Energiebedarf zu decken. Das benötigt Platz im Magen-Darm-Trakt, der sich ausdehnt, sodass sich der Bauch voll und eventuell wie ein Ballon anfühlt.
Doch nicht nur das Nahrungsvolumen selbst, auch die Verdaulichkeit der pflanzlichen Nahrungsmittel kann zu mehr Magen-Darm-Inhalt und Gasansammlungen führen. Zu den veganen Lebensmitteln, die Blähungen verursachen können, gehören:
- Hülsenfrüchte (wie Linsen, Bohnen)
- Kreuzblütler (wie Brokkoli, Kohl)
- Vollkornprodukte
- Zuckeraustauschstoffe
Der primäre Grund ist der hohe Anteil schwer verdaulicher Bestandteile dieser Lebensmittel, die bei veganer Ernährung auch in größeren Mengen auf dem Speiseplan stehen. Untersuchungen zeigen, dass Personen, die sich vegan ernähren, oft weitaus mehr als die empfohlene tägliche Mindestmenge an Ballaststoffen zu sich nehmen (Neufingerl und Eilander, 2021).
Eine hohe Ballaststoffzufuhr ist natürlich wünschenswert, zumal in einer durchschnittlichen mischköstlichen Ernährung die Ballaststoffe regelmäßig zu kurz kommen. Allerdings ist es wichtig, nicht nach der Devise „viel hilft viel“ zu agieren, sondern die Menge schrittweise zu erhöhen und die individuelle Verträglichkeit auszuloten. Diese kann außerdem durch weitere Faktoren beeinflusst werden, wie der Lebensmittelmatrix, Stress und der Zusammensetzung der Mahlzeiten. Zudem ist es auch eine Frage der Gewohnheit. Denn die Mikroorganismen im menschlichen Darm, die für die Verwertung der Ballaststoffe zuständig sind, sind anpassungsfähig.
Eine Gruppe der unverdaulichen Bestandteile sind die sogenannten FODMAPs. Diese Abkürzung steht für „fermentierbare Oligo-, Di-, Monosaccharide und (engl. and) Polyole“ ist. Sie werden schlecht verdaut und daher rasch von Bakterien im Darm vergärt, was zu Blähungen führt. Viele pflanzliche Nahrungsmittel, darunter Artischocken, Blumenkohl, Hülsenfrüchte, Knoblauch, Äpfel, Pflaumen, Weizen, Fruchtsäfte, Bier, Cashewnüsse, Agavensirup sowie Zuckeraustauschstoffe wie Sorbit, Xylit oder Mannit sind FODMAP-reich (Gutfried, 2022). Wichtig: Eine FODMAP-freie oder -arme Ernährung sollte nicht „auf Verdacht“ aus Angst vor Blähungen umgesetzt werden, da sie starke Einschränkungen mit sich bringt und das Risiko für Nährstoffmängel sowie potenziell negative Auswirkungen auf die Darmflora erhöht (Heinrich, 2021; Layer et al., 2021; Poschwatta-Rupp, 2022). Zudem ist als Dauerernährung ohnehin nicht gedacht.
Blähungen sind auch ein Symptom von Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Denn vor allem bei Malabsorptionen werden einige Bestandteile der Nahrung nicht oder nicht vollständig im Darm aufgenommen und es kommt zu Beschwerden. Das ist kein primär veganes Problem, insbesondere da Laktose von vegan lebenden Personen nicht aufgenommen wird.
Praktische Tipps zur Vermeidung von Blähungen bei veganer Ernährung
Pauschale Empfehlungen, um übermäßige Blähungen komplett zu vermeiden, gibt es nicht, da die Auslöser von Person zu Person unterschiedlich sind. Um unangenehme, aber „normale“ Blähungen zu vermeiden, hilft es, ein Symptom- und Ernährungstagebuch zu führen und die Essgewohnheiten zu beobachten. So lassen sich individuell problematische Lebensmittel(-mengen) aufspüren.
Ein guter Anfang ist es, die aufgenommene Ballaststoffmenge zu überprüfen. Liegt sie unter den von der DGE empfohlenen 15 g pro 1000 kcal oder 30 g pro Tag, sollte die Ballaststoffmenge langsam erhöht werden. Ist sie hoch, kann eine Reduktion der Ballaststoffe Abhilfe schaffen. Bei Bedarf kann die Ballaststoffaufnahme später wieder langsam gesteigert werden.
Weitere Maßnahmen, die kurzfristig und vorbeugend genutzt werden können:
- Hülsenfrüchte einweichen und kochen
- blähende Nahrungsmittel (wie Hülsenfrüchte, Kohl, Zwiebeln, Knoblauch, Lauch) bei Bedarf meiden oder reduzieren; hier sollte die individuelle Bekömmlichkeit berücksichtigt werden
- Gewürze und Kräuter verwenden, die die Verdauung fördern (Fenchel, Kümmel, Ingwer)
- Mahlzeiten langsam und in Ruhe einnehmen
- Lebensmittel gründlich kauen
- regelmäßige Mahlzeiten
- kleinere Mahlzeiten bevorzugen
- üppige Spät- und Nachtmahlzeiten meiden
- Getränke ohne Kohlensäure wählen
- bei Bedarf auf Tee zurückgreifen (insbesondere Kräutertee)
- Zuckeraustauschstoffe vermeiden
- auf Kaugummikauen und Bonbonlutschen verzichten
- auf Trinkhalme verzichten
- schnellen, hohen Kaffeekonsum vermeiden
- Rauchen vermeiden
(Rüffer et al., 2013)
Diese Maßnahmen müssen nicht alle auf einmal und für immer umgesetzt werden. Es empfiehlt sich, mit denen, die gut umsetzbar sind, anzufangen und genau zu beobachten, was hilft.
Unsere Extra-Ernährungstipps
- Nicht-pasteurisierte fermentierte Lebensmittel (wie Sauerkraut, Kimchi, Kombucha) können die Verdauung unterstützen (Englert und Siebert, 2020).
- In Gemüse wie Chicorée, Schwarzwurzeln, Spargel, Lauch und Zwiebeln enthaltene komplexe Kohlenhydrate wie Inulin und Oligofruktose können durch Darmbakterien fermentiert werden, wodurch positiv wirkende Präbiotika, entstehen können.
- Pektin in Obst und Gemüse sowie resistente Stärke in abgekühlten gekochten Kartoffeln und Getreide können präbiotisch wirken.
- Bei manchen Personen können Präparate mit Pro-, Prä- und Postbiotika eventuell helfen, konkrete Empfehlungen können jedoch nicht gegeben werden.
- Aromatische Öle wie Pfefferminzöl können bei Blähungen helfen.
Weitere Strategien für weniger Blähungen
Regelmäßige Bewegung, Spaziergänge nach dem Essen, Atemübungen, Bauchmassagen, Stressreduktion und ausreichende Flüssigkeitszufuhr fördern nicht nur bei veganer Ernährung die Verdauung (Zhang et al., 2023). Übrigens: Auch wer keine Probleme mit Blähungen hat, profitiert von diesen Maßnahmen. Denn sie wirken sich auch positiv auf viele weitere Gesundheitsparameter aus.
Vegane Ernährung – keine heiße Luft!
Dass eine vollwertige vegane Ernährung gesund ist und gegenüber einer durchschnittlichen mischköstlichen Ernährung Vorteile mit sich bringen kann, ist längst bekannt. Einige Menschen kämpfen während der Umstellung auf eine pflanzenbasierte Kost mit Blähungen – eine Begleiterscheinung der vermehrten Aufnahme von gesundheitsförderlichen Lebensmitteln und Inhaltsstoffen. Allerdings ist ein gutes Wohlbefinden Teil optimaler Gesundheit, weshalb es wichtig ist, nicht dauerhaft aufgebläht zu sein
Um Blähungen zu vermeiden oder zu reduzieren, gilt es, die Auslöser zu finden und die Ernährung individuell auszurichten. Etwas Geduld und eine langsame Änderung der Essgewohnheiten zahlt sich immer aus. Denn eine schrittweise Erhöhung der Mengen potenziell blähender Lebensmittel wie Hülsenfrüchten, Zwiebeln und ähnlichen schwer verdaulichen Lebensmitteln kann die Verträglichkeit verbessern. Auch das Essverhalten wie Geschwindigkeit, Kauen, Ablenkung oder auch Regelmäßigkeit sollte unter die Lupe genommen werden.
Ein bedachter Umgang mit Kohlensäure, Kaugummis und Zuckeraustauschstoffen sowie Stressreduktionsmaßnahmen und Bewegung können ergänzend helfen. Diese Strategien sind kostengünstig und können bewiesenermaßen Erleichterung schaffen.
So geht dir bei der Umstellung auf vegane Ernährung nicht die Puste aus, sondern nur die Luft aus dem Bauch raus!
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