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Der Fleischverzehr in Deutschland wird heutzutage als selbstverständlich erachtet, wobei Fleisch als Nahrungsmittel noch vor wenigen Jahrzehnten nur bestimmten Gesellschaftsschichten vorbehalten und in deutlich geringeren Mengen verfügbar war. Aus der Perspektive vegetarisch und vegan lebender Personen ist es häufig schon aus ethischen Beweggründen selbstverständlich, kein Fleisch zu verzehren. In den Empfehlungen globaler Ernährungsgesellschaften finden wir allerdings noch, wenn auch in begrenztem Ausmaß, Produkte tierischen Ursprungs. Doch wie sieht es mit den gesundheitlichen und ernährungsphysiologisch relevanten Aspekten des Fleischkonsums aus, oder anders gefragt: Ist Fleisch gesund?
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Weitere InformationenDie Geschichte des Fleischkonsums
Die ersten Primaten und ältesten Vorfahren des Menschen ernährten sich wahrscheinlich hauptsächlich von Insekten. Ihre Ernährung änderte sich im Laufe der Zeit zu einer überwiegend pflanzlichen Kost: Früchte, Blüten, Nektar und Blätter standen auf dem Speiseplan, einen geringen Anteil machten weiterhin Insekten und womöglich kleine Wirbeltiere aus. Die direkten Vorfahren der Spezies Mensch, zu denen die Australopithecus-Spezies zählt, waren nicht auf eine bestimmte Ernährungsform spezialisiert: Sie ernährten sich vornehmlich von pflanzlicher Nahrung mit geringen Mengen tierischer Kost. Die Gattung Mensch (lat. Homo) entstand vor ca. 2 Mio. Jahren und fing an, erjagte Tiere mit Steinwerkzeugen zu zerlegen und später auch Feuer kontrolliert einzusetzen, wodurch sie die kalorienarme, pflanzliche Ernährung mit kalorienreichem Fleisch, Knochenmark und gekochter Nahrung, wie Speicherknollen, anreicherten.
Die menschliche Spezies (Homo sapiens) entstand vor etwa 200.000 Jahren. Vor etwa 10.000 Jahren, in der Epoche der Jungsteinzeit (Neolithikum), fand der Übergang der Jäger- und Sammlerkulturen zu Ackerbau und Viehzucht und somit zur Sesshaftigkeit statt. Dieser, als Neolithische Revolution bezeichnete, Umbruch gilt als einer der wichtigsten der Menschheitsgeschichte. Der bereits überwiegend pflanzliche Anteil der Ernährung wurde weiter erhöht, wobei gleichzeitig die Vielfalt an Wildpflanzen auf einige Nutzpflanzen mit teilweise hohem Kohlenhydratanteil eingeschränkt wurde. Gegen Ende des Neolithikums stieg der Anteil tierischer Kost durch die fortschreitende Domestikation von Tieren an. Insgesamt ermöglichte der Wandel zu Ackerbau und Viehzucht, deutlich mehr Nahrung und Energie verfügbar zu machen (Leitzmann und Keller, 2020).
War das Stück Fleisch auf dem Teller für unsere Eltern und insbesondere Großeltern noch eine Rarität und Besonderheit, so wandelte das Zeitalter der Industrialisierung sowohl die Mengen an Produkten tierischen Ursprungs als auch die Ernährungsmuster unserer Gesellschaft. Seit den 1960er Jahren ist ein stetiger, teils steiler Anstieg des Fleischkonsums in Deutschland zu beobachten, der in den 1990er Jahren sein Maximum erreichte; aktuell geht der Trend in Richtung Stagnation. Im Gegensatz dazu ging der Kartoffelverbrauch kontinuierlich zurück und ein besonders drastischer Abwärtstrend ist beim Pro-Kopf-Verbrauch von Hülsenfrüchten zu verzeichnen (von Witzke et al., 2014).
Pflanzliche Lebensmittel vs. Lebensmittel tierischen Ursprungs
Für Mischköstler gehört der regelmäßige Verzehr von Fleisch zu einer ausgewogenen Kost, was in der Regel mit der Deckung bestimmter Nährstoffe (Eisen, Zink, Vitamin B12, etc.) begründet wird. Andererseits findet man in Fleisch auch unerwünschte Inhalts- und Begleitstoffe. Aufgrund des oftmals unvorteilhaften Fettspektrums sowie der fehlenden Ballaststoffe und sekundären Pflanzenstoffe kommen die globalen Ernährungsgesellschaften zu dem Fazit, dass die Basis unserer Ernährung pflanzlich gestaltet und tierische Produkte ergänzend eingesetzt werden sollten.
Inhaltsstoffe und Physiologie
Im Hinblick auf die Makronährstoffe finden wir in Fleisch überwiegend Eiweiß, denn Kohlenhydrate spielen hier lediglich in Form von Glykogen eine untergeordnete Rolle und der Fettgehalt kann sehr unterschiedlich ausfallen, je nachdem, welcher Teil des Tieres verzehrt wird und aus welcher Zuchtform es stammt.
Hinsichtlich der biologischen Wertigkeit, welche auf Basis tierischen Proteins definiert wurde, schneidet Fleisch neben Ei- und Milcheiweiß aufgrund seines Gehaltes an allen essenziellen Aminosäuren sehr gut ab. Der hohe Proteingehalt inkludiert jedoch gleichermaßen eher unerwünschte Begleitstoffe, die sogenannten Purine; diese werden im menschlichen Organismus zur Harnsäure verstoffwechselt und von gesunden Personen über den Harn ausgeschieden. Kommt es zu einer Störung des Harnsäure-Stoffwechsels, akkumuliert diese im Körper und es kommt zu schmerzhaften Gicht-Anfällen. Die für Menschen lebensnotwendigen Aminosäuren finden sich ebenso in pflanzlichen Lebensmitteln, wobei die Sojabohne eine hohe biologische Wertigkeit aufweist. Ebenso können wir durch geschickte Kombination einzelner Nahrungsmittel die Wertigkeit der Proteine erhöhen; Hülsenfrüchte in Verbindung mit Getreide stellt ein optimales Beispiel dar.
Betrachten wir das Fettsäurespektrum, sind Lebensmittel pflanzlichen Ursprungs den tierischen in den meisten Fällen überlegen. Beim Fleisch wird das Fettsäuremuster sehr stark durch das Tierfutter beeinflusst, allerdings überwiegt der Anteil an gesättigten Fettsäuren, welche zu den für Menschen nicht lebensnotwendigen zählen. Günstigere Fettsäuren befinden sich im Fleisch von Weidetieren (Gierus et al., 2009). Ebenso enthält jedes tierische Produkt die sogenannte Arachidonsäure, ein potenzieller Entzündungsfaktor, sowie den Fettbegleitstoff Cholesterin, den unser Organismus auch eigenständig synthetisiert und dessen Zufuhr daher nicht unbedingt notwendig ist. Pflanzliche Fettquellen hingegen versorgen uns überwiegend mit einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren, wovon letztere essenziell sind. Allerdings ist auf die Bioverfügbarkeit der Omega-3-Quelle a-Linolensäure aus Pflanzen zu achten, ein wichtiger Hinweis für Veganer.
Mikronährstoffe
Auch in Sachen Mikronährstoffe ist Fleisch in der Regel den pflanzlichen Lebensmitteln nicht unbedingt überlegen. Mit Ausnahme von Vitamin B12, welches meist dem Tierfutter zugesetzt wird, gibt es für alle weiteren Nährstoffe ein pflanzliches Pendant.
Tabelle 1: Ausgewählte Mikronährstoffe aus dem Fleisch in Gegenüberstellung mit pflanzlichen Lebensmitteln (Bauer et Honikel, 2007; BLS)
Nährstoffe im Fleisch | Pflanzliche Alternativen |
---|---|
Vitamine | |
Vitamin A | ß-Carotin in Möhren, Kürbis, Paprika, Aprikosen, Mango, etc. |
Vitamin B1 (Thiamin) | Hefeflocken, Weizenkeime, Sojabohnen |
Vitamin B2 (Riboflavin) | Mandeln, (getrocknete) Pilze, Spirulina, Haselnüsse |
Vitamin B6 (Pyridoxin) | Vollkorngetreide, Nüsse, Bananen |
Mineralstoffe | |
Kalium | Grünkohl, Avocado, Bananen, Nüsse, Samen |
Magnesium | Vollkorngetreide, Haferflocken, Nüsse, grünes Gemüse |
Eisen | Linsen, Bohnen, Kakao, Kürbiskerne, Vollkorngetreide |
Zink | Sesam, Hefeflocken, Kürbis-, Sonnenblumenkerne |
Selen | Paranüsse, Linsen, Reis |
Die Bioverfügbarkeit einzelner Mineralstoffe, beispielsweise Eisen oder Zink, ist bei dem Verzehr pflanzlicher Quellen herabgesetzt. Dieser unerwünschte Effekt lässt sich jedoch durch geschickte Lebensmittelkombinationen, Abwechslung und bestimmte Zubereitungsarten, wie das Keimen oder Einweichen von Hülsenfrüchten, Getreide und Nüssen, reduzieren (Leitzmann und Keller, 2013).
Ist Fleisch gesund oder ungesund?
Der regelmäßige Verzehr pflanzlicher Lebensmittel in ihrer naturbelassenen Form, sprich Obst, Gemüse, Vollkorngetreide, Hülsenfrüchte, Nüsse und Ölsaaten, bringt gesundheitliche Vorteile mit sich. Die hohe Nährstoffdichte, der Ballaststoffgehalt sowie die sekundären Pflanzenstoffe dieser Nahrungsmittel unterstützen uns bei der Prävention von Krankheiten. Nicht umsonst plädieren große Gesundheitsorganisationen dafür, die Basis unserer Ernährung pflanzlich zu gestalten. Im Gegensatz dazu sind tierische Produkte in den ausgegebenen Empfehlungen lediglich in beschränktem Ausmaß, ergänzend zur pflanzlichen Grundlage, einzusetzen (DGE et al., 2016).
Fleisch ist aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ein Lieferant an gut verfügbaren Aminosäuren sowie essenziellen Mineralstoffen bzw. Spurenelementen und kann, je nachdem welcher Teil verzehrt wird und aus welcher Haltung das Tier stammt, mager sein bzw. ein bedingt gutes Fettsäurespektrum aufweisen; somit können moderate Mengen, d.h. laut DGE (2016) bis zu 500 g/Woche, an magerem Fleisch eines Weidetieres die Ernährung ergänzen. Eine Notwendigkeit des Fleischverzehrs besteht allerdings nicht, da die darin enthaltenen Nährstoffe, mit Ausnahme von Vitamin B12, ebenso aus pflanzlichen Quellen zu beziehen sind (Nestle, 2017).
Die Wissenschaft zeigt allerdings auch, dass der regelmäßige Verzehr von rotem und verarbeitetem Fleisch (z. B. Wurstwaren) in Zusammenhang mit dem Auftreten von Dickdarmkrebs steht (Larsson et Wolk, 2006; Aykun, 2015). Auch das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Diabetes mellitus Typ 2 wird mit zu hohem Fleischverzehr in Korrelation gesetzt, wobei insbesondere der Anteil an gesättigten Fettsäuren, jedoch auch Begleitstoffe bei der Zubereitung mit kanzerogenem Potenzial eine Rolle spielen (Micha et al., 2010; Pan et al., 2011).
Letztlich ist das Nahrungsmittel Fleisch kein essenzieller Bestandteil unserer Ernährung, kann ergänzend in moderaten Mengen konsumiert werden, bringt allerdings bei höherem Konsum mehr Nach- als Vorteile mit sich (Nestle, 2017).
Weiterführende Aspekte des Fleischkonsums
Der Fleischkonsum und gleichzeitig die -produktion ist in den industrialisierten Staaten, allen voran die USA und (Mittel)Europa, seit den 60er Jahren drastisch gestiegen. In Zahlen ausgedrückt, erhöhte sich die Fleischproduktion zwischen 1961 und 2009 um das Vierfache.
Daraus resultieren nicht nur gesundheitliche Probleme, denn gleichermaßen werden verheerende ökologische Folgen verzeichnet. Für den steigenden Futtermittelbedarf bedarf es große Landflächen, welche primär im südamerikanischen Regenwald genutzt werden. Durch die Rodung enorm großer Waldflächen, welche als Ackerland für die Futtermittelherstellung benötigt werden, zerstört man natürliche Lebensräume und somit die Artenvielfalt. Gleichzeitig geht ein wertvoller Kohlendioxidspeicher verloren, da das Treibhausgas mit der Waldrodung in die Atmosphäre aufsteigt (Witzke et al., 2011). Zudem ist die Fleischindustrie für einen beachtlichen Teil des Trinkwasserverbrauchs verantwortlich (Keller et al., 2014).
Natürlich sind auch die ethischen Aspekte, insbesondere der derzeitigen Massentierhaltung, zu erwähnen. Die heutige Fleischproduktion in Deutschland ist aufgrund der intolerablen Haltungsbedingungen für die Tiere äußerst kritisch zu hinterfragen.
Zusammenfassung: Ist Fleisch gesund?
Der hierzulande hohe Fleischkonsum geht nachweislich mit mehr Nach- als Vorteilen einher, nicht nur in Bezug auf die menschliche Gesundheit. Ökologische und ethische Aspekte bewegen eine Vielzahl an Menschen dazu, sich für eine vegetarische bzw. vegane Ernährung und Lebensweise zu entscheiden. Wer auf Fleisch verzichtet, erfährt keine Nährstoffmängel und umgeht sogar die Zufuhr potenziell negativer Inhaltsstoffe, wie ein Zuviel an gesättigten Fettsäuren, Arachidonsäure oder kanzerogenen Begleitstoffen, welche bei der Zubereitung und Verarbeitung entstehen können.
Der Inhalt dieses Artikels kann und soll eine individuelle Vegane Ernährungsberatung nicht ersetzen. Im Verzeichnis für Vegane Ernährungsberatung findest du, in deiner Nähe vor Ort oder online, fachkundige Unterstützung.
Sandro meint
Linsen enthalten auch Purine. Das wusste ich bis vor kurzem nicht.
Isabel Bernhauser meint
Hallo Sandro!
Ja, Purine finden wir vor allem in eiweißreichen Lebensmitteln, da sie mit den Proteinen vergesellschaftet auftreten. Die Hülsenfrüchte zählen in der veganen Ernährung zu den eiweißreicheren Lebensmitteln, weshalb wir entsprechend in Linsen, aber auch in Bohnen und Erbsen, Purine finden.
Herzliche Grüße, Isabel!
Marion Klauser-zagler meint
Ja, aber soviel ich mitbekommen habe ,verstoffwechselt der Körper purine aus pflanzen anders….angeblich genau so wie östrogene von soja. ..oder irre ich mich da?
Isabel Bernhauser meint
Hallo liebe Marion,
herzlichen Dank für deinen Kommentar.
Purine kommen überwiegend in tierischen Produkten und nur bedingt in pflanzlichen Lebensmitteln, wie z. B. Hülsenfrüchten, vor. Wie du bereits andeutest, konnten Studien belegen, dass die Purine aus Pflanzen keinen vergleichbar negativen Effekt auf die menschliche Gesundheit ausüben, im Vergleich zu Purinen in tierischen Produkten. Mehr dazu kannst du in unserem Artikel zur Gicht nachlesen.
In Soja sind die sog. Phytoöstrogene enthalten, sekundäre Pflanzenstoffe, welche eine östrogenähnliche Wirkung im menschlichen Organismus ausüben. Diese Substanzen stehen jedoch in keiner Verbindung mit den genannten Purinen. Zum Thema Soja und Phytoöstrogene kann ich dir diesen Artikel empfehlen.
Wenn du weitere konkrete Fragen haben solltest, melde dich gern nochmal zurück.
Herzliche Grüße,
Isabel!