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Mareike, schon mit 15 Jahren hast du dich, nicht gerade zur Freude deiner Eltern, für eine vegetarische Ernährung entschieden. Seit wann lebst du vegan?
Ich war schon früh Vegetarierin. Da ich weder Fleisch noch Fisch mochte, war das auch kein großer Schritt. Einige Jahr später lebte ich komplett vegan. Das jetzt seit 7 Jahren. An sich gab es keinen Schlüsselmoment, es war für mich ein logischer Prozess. Ich vertrage Milchprodukte nicht, pflanzliche Alternativen waren für mich schon immer normal. Mit den Jahren erfuhr ich immer mehr über Massentierhaltung und den Zustand unseres Planeten, und so achtete ich häufiger auf Produkte, die ohne tierische Bestandteile auskommen. Natürlich wurde es einfacher, je mehr pflanzliche Angebote und Produkte es gab. Ich finde es toll zu sehen, wie viel sich in den letzten Jahren getan hat!
Du hast ecodemys Ausbildung zum Veganen Ernährungsberater erfolgreich abgeschlossen und damit deine Leidenschaft, deine Berufung gefunden. Was hat dir an der Ausbildung am meisten Spaß gemacht?
Ich bestimmte mein Tempo und die Art, wie ich lernen wollte. Manchmal war es sehr hilfreich, auf Audio- und Videoinhalte zurückgreifen zu können, mal vertiefte ich mich nur ins Skript. Oder ich war im Forum unterwegs und profitierte von dem regen Austausch mit Studierenden und Dozentinnen. Mein Ziel ist es immer, glücklich mit den Dingen zu sein, die meinen Alltag füllen. Mein Werdegang verlief nicht gerade linear. Ich habe einige – im Nachhinein wichtige – Umwege genommen. Immer auf der Suche nach etwas, das mich erfüllt. Ich war oft nah dran, mir machen viele Themen Spaß. Die ecodemy Ausbildung hat mir alle Freiheiten gelassen. So waren es nicht nur die Themen, sondern auch die freie Einteilung und Organisation, die mit gut gefallen haben. Das alles, ohne inhaltlichen Verlust. Inhaltlich wollte ich fachlich genau und solide aufgestellt sein ‑ das bin ich jetzt.
Gab es Durststrecken oder Motivationstiefs? Wenn ja, wie hast du sie überwunden?
Ja, die gab es! Immer dann, wenn es tief in die Biochemie ging. Das war in der Schule schon nichts für mich, aber interessanterweise habe ich mich hier nicht einfach nur durchgebissen. Hier hat es mir viel Spaß gemacht, diese Dinge endlich genau zu verstehen. Ich lerne eigentlich schnell, komme immer gut voran. Hier musste ich akzeptieren, dass es auch viel Zeit braucht, bis ich Inhalte verinnerlichen und wirklich verstehen konnte. Die Hürde war meist eher eine psychologische, ich musste mich einfach nur mit freiem Kopf ran setzen und eben auch mal Dinge liegenlassen und öfter wiederholen, als ich es gewohnt bin. Ich kann also allen zukünftigen Studierenden nur raten, einfach anzufangen und den Dingen in ihrer Komplexität auch mal Zeit zu geben. Der Austausch mit anderen ist auch hilfreich, um über kleine Durststrecken zu kommen.
Der Schritt in die Selbstständigkeit erfordert auch immer etwas Mut. Wie bist du die Sache angegangen?
Ich habe mich vor einigen Jahren dazu entschlossen, frei zu arbeiten. Eher überraschend wurde mein Blog über vegane Rezepte größer, und es gab immer mehr Anfragen nach Kursen, Rezepten und Beratungen. Ich habe mich dann 2015 direkt vollständig selbstständig gemacht. Ich habe einen Gründungszuschuss beantragt und mit einem Unternehmensberater zusammen das Fundament für meine berufliche Zukunft aufgebaut. Davon profitiere ich noch heute. Das war Bedingung zum Erhalt des Zuschusses und das kann ich auch absolut empfehlen.
In vielen Punkten lag ich in meinem Businessplan richtig, aber allein der Austausch mit einer Person, die viel Erfahrung mit Selbstständigen hat, und auch seine Bestätigung haben mich motiviert und mir Mut gegeben. 2019 bin ich von Berlin zurück in meine Heimat nach Belgien gezogen und ein Jahr später bin ich Mutter geworden. Ich musste mich hier also wieder neu aufstellen. Das ist beim zweiten Mal leichter: 1. Hatte es schon einmal geklappt und 2. Konnte ich bereits auf ein gutes Netzwerk zurückgreifen. Mit dem Abschluss in der Tasche konnte ich mich noch besser ausrichten und arbeite jetzt als selbstständige Ernährungsberaterin und unterstütze Unternehmen in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie, ihrem pflanzlicheren Angebot sowie kommunikativ, beispielsweise bei ihren Social Media Auftritten.
Für dich spielt auch Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Wie kommt es, dass viele Menschen und Unternehmen, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen geschrieben haben, hier die vegane Ernährung als wichtige Stellschraube außer Acht lassen?
Ich glaube, hier fehlt es an Hintergrundwissen, auch über die Zusammenhänge. Vielen ist nicht klar, was Massentierhaltung anrichtet. Und für wessen Soja der Regenwald beispielsweise zerstört wird. Auch wenn diese Informationen zugänglich sind. Menschen, die in der Regel in einem stressigen Alltag leben, sehen da eher Tofu und Sojadrink als Problem. Dass das Allermeiste in Futtermitteln landet, soll ja auch aus Sicht der Fleischkonzerne keine Rolle spielen. Es wird immer noch ein Bild verkauft, das nicht der Realität entspricht. Hinzu kommt eine schwer durchschaubare Agrar- und Subventionspolitik. Das ist nicht leicht, und auch keine Beschäftigung, mit der man nach einem vollen Tag abschaltet. Genau hier möchte ich ansetzen in meinen individuellen Beratungen wie in der Zusammenarbeit mit Unternehmen, um sie so Schritt für Schritt zukunftsfähig zu machen.
Während deiner Schwangerschaft hast du auch unsere Fachfortbildung „Vegane Ernährung für Mutter Kind“ absolviert. Was war dabei dein größtes Aha-Erlebnis?
Es war weniger ein Aha-Erlebnis als eine Bestätigung. Der Druck von außen auf vegane Schwangere ist sehr präsent. Als ich erfuhr, dass ich schwanger war, bekam ich erst einmal Panik. Ich las mich durch die wenige Literatur, die es zum Thema gab und stellte meine Ernährungsweise infrage. Obwohl ich mich gesund ernähre und nie einen Nährstoffmangel hatte. Auf einmal hatte ich dann ja doch mehr Verantwortung als nur für mich selbst. Das hat mich ganz schön aus der Bahn geworfen.
Nach einigen Tagen wurde mir aber klar, dass es keinen Grund dafür gibt. Dass es mehr mit anderen zu tun hat, als mit mir. Und dass ich gut Bescheid weiß und das Beste für mein Kind und mich mache. Dennoch – ein guter Moment, die eigenen Überzeugungen zu überprüfen. Glücklicherweise wurde die Fachfortbildung „Vegan für Mutter und Kind“ genau dann neu angeboten. Ich konnte mein Wissen noch vertiefen und fühlte mich bestärkt.
Wenn du (werdende) vegane Mütter berätst: Was sind ihre größten Sorgen? Oder machen vegane Familien in Sachen Ernährung vielleicht schon generell sehr viel richtig?
Ich freue mich, Schwangere in dieser spannenden Zeit begleiten zu dürfen. Auch nicht vegan lebende Schwangere zählen zu meinen Kundinnen, weil die Ernährung in dieser Zeit ja immer eine große Rolle spielt. Bei veganen Familien stelle ich durchaus fest, dass sie meist schon sehr viel richtig machen. Hier geht es auch oft um Druck von außen – den habe ich ja selbst erlebt. Schwangere wollen sich vergewissern, wie welcher Bedarf zustande kommt und gedeckt werden kann. Manchmal fühlen sie sich aber auch von medizinischer Seite nicht ausreichend beraten oder sogar nicht ernst genommen. Oft werden Kombi-Präparate empfohlen, ohne zu klären, ob nicht über die Ernährung schon vieles abgedeckt ist. Manchmal ist nötige Wissen nicht vorhanden. Die Studienlage und auch Empfehlungen werden ja laufend aktualisiert, die passende Ernährung ist oft nicht im Fokus der ärztlichen Begleitung.
An seinen ersten Kunden kann man sich als Ernährungsberater meist noch gut erinnern. Wie war deine erste Beratung für dich?
„Mein Ziel ist es nicht, vegan zu leben!“ – das war ein Satz meiner ersten Klientin, als wir über ihre Ziele sprachen. Das höre ich oft und ist für mich gar kein Problem. Ich möchte Menschen ganzheitlich dahin gehend beraten, vollwertiger zu essen und gesünder zu leben. Sie, wie auch einige andere meiner Kundinnen und Kunden, starteten mit mir in einen neuen Prozess und fühlten sich besser, vitaler, leichter. Viele von ihnen leben mittlerweile vegetarisch, einige sind auf dem Weg sich vegan zu ernähren. Oft liegt es daran, dass sie sich besser fühlen, Hautprobleme zurückgegangen sind, Entzündungen und Schmerzen weniger geworden sind oder ganz verschwanden. Das freut mich dann natürlich umso mehr und bestätigt mich in meinem Schritt Ernährungsberaterin zu sein. Auch meine erste Klientin lebt nun vorwiegend vegan und entwickelte mit jeder weiteren Beratung ein immer größeres Interesse.
Neben der Ernährungsberatung bietest du auch „Gastro-Coaching“ an. Wie funktioniert das und wer sind deine Kunden?
Gastro-Coaching habe ich frisch in mein Portfolio aufgenommen. Ich konnte schon drei gastronomische Betriebe zum Thema Nachhaltigkeit aber auch mit dem Ziel, die Karte um vegetarische und vor allem veganen Optionen zu erweitern, beraten. Ich finde es toll, diese Gerichte so zu konzipieren, dass sie alle ansprechen. Und authentisch zum jeweiligen Laden passen. Gleichzeitig soll in der Küche ohne große Extraarbeiten ausgekommen werden. Hier fehlt oft das nötige Wissen. Sobald das einmal vermittelt ist, kommen die Ideen auch schnell von allein. Restaurants merken, dass die Nachfrage immer größer wird. Ein Salat ohne Dressing hinterlässt da keinen positiven Eindruck. Für die Zukunft wünsche ich mir auch Kitas, Schulen und Großküchen beraten zu können.
In deiner Küche geht auch mal etwas schief, was du offen zugibst – sehr sympathisch! Dann hast du doch bestimmt auch ein Gelingt-immer-Lieblingsrezept?
Natürlich, Ofengemüse! Geht zu jeder Jahreszeit. Einfach das, was gerade Saison hat, auf ein Blech geben und mit Gewürzen nach Lust und Laune backen. Das kann von Rosmarinkartoffeln mit Fenchel, Zitronen und Kürbis über sommerliche Zucchini-Spargel-Tomaten-Kombi alles sein. Humus, veganer Kräuterquark oder Linsendip runden das Gericht ab.
Welche deiner beruflichen Entscheidungen machen dich besonders glücklich?
Ganz klar: der Schritt in die Selbstständigkeit. Ich arbeite gerne frei, kreativ und in meinem Tempo. Es erfüllt mich, meinen „Job“ genau so auszufüllen, wie ich es möchte. Außerdem bin ich sehr froh darüber, mein Profil durch die ecodemy Ausbildung geschärft zu haben. In meinem Leben war während der Ausbildungszeit viel los, aber ich bin drangeblieben und habe diesen Weg weiter verfolgt, weil es sich einfach richtig angefühlt hat. Dass ich heute meine Leidenschaft zum Beruf gemacht habe, war eine sehr gute Entscheidung. Ab und zu geht genau das ja auch nach hinten los. Und dann auch das große Ganze, dass ich meine Arbeit als sinnvoll empfinde und etwas bewegen kann.
Wie wird sich deiner Meinung nach die vegane Idee in den nächsten 10 Jahren entwickeln? Wo siehst du die größten Herausforderungen?
Wenn ich mir anschaue, wie die Entwicklung in den letzten 10 Jahren verlief, bin ich einfach nur positiv überrascht. Damit hatte ich damals nicht gerechnet. Dass ganze Fleischimperien langfristig auf pflanzliche Produkte umstellen wollen und es in jeder großen Kette ein veganes Angebot gibt, finde ich doch beachtlich. Auch wenn mich das persönlich nicht betrifft, da ich diese Konzerne nicht unterstützen möchte, zeigt es doch, wie weit die Bewegung es geschafft hat: Ohne pflanzliche Optionen geht es nicht mehr! Der Trend geht klar in diese Richtung weiter.
Allerdings sehe ich große Herausforderungen bei den kleinen Unternehmen. Es ist positiv, dass einige Großunternehmen darauf setzen, die Fleischproduktion runterzufahren, während sie neue vegane Alternativen gefühlt im Minutentakt auf den Markt bringen. Aber das bedeutet für viele kleine herstellende Betriebe oft die Übernahme oder ganz das Aus. Ich wünsche mir, dass den Menschen bewusst ist, dass zum Beispiel die „kleine“ Tofurei diese Entwicklung erst möglich machte und dass wir sie weiter unterstützen. Eine Entwicklung, die ich mir nicht nur im veganen Bereich wünsche.
Und deine persönlichen Pläne für die nächsten 5 Jahre?
Wie das oft so ist, haben sich meine Pläne in den letzten zwei Jahren schlagartig verändert. Aus dem Leben in der Großstadt wurde dann doch wieder die kleine Heimatstadt. Ich habe einige Zeit gebraucht, um zu realisieren, was ich hier für Möglichkeiten habe. Neben der Ernährungsberatung sind mein Mann und ich dabei, mit tollen Partnerinnen und Partnern einige neue Projekte auf die Beine zu stellen. Einige davon sind schon in den Startlöchern, andere in der ersten Entwicklungsphase. Ich freue mich sehr darauf, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die mich inspirieren und die in die gleiche Richtung schauen wie ich. Wir wollen einen Ort der Möglichkeiten und des nachhaltigen Angebots schaffen – und ich hoffe, in 5 Jahren läuft davon einiges (im besten Fall alles) gut! Auch in Nicht-Pandemie-Zeiten lebe ich eher nach dem Prinzip „Ein Plan ist gut, Realität ist anders und besser“ – jetzt ist Flexibilität wohl gefragter denn je.
Kontakt
Mareike Lambertz
Nispert 1A
4700 Eupen – Belgien
Telefon: +32 479 164298
E-Mail: mareike@vegold.de
Website: www.vegold-nutrition.com
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