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Eine neue Studie hat die Aufmerksamkeit vieler Medien auf sich gezogen: Bei Veganern wurde eine geringere Knochendichte als bei Mischköstlern gemessen.
Vegan-Kritiker sehen sich bestätigt, Veganer selbst reagieren mit Sorge. Ist die Studie der Beweis, dass eine vegane Ernährung schlecht für die Knochen ist?
Das Studiendesign
Die Studie „Vegan Diet and Bone Health – Results from the Cross-Sectional RBVD Study“ von Menzel und Kollegen ist eine kleine Querschnittsstudie. Dafür wurden 36 Veganer und 36 Mischköstler im Alter von 30 bis 60 Jahren in Berlin rekrutiert. Sie dokumentierten über 3 Tage mittels eines Wiegeprotokolls, was sie verzehrt haben. Außerdem wurden mittels Blut- und Urinproben verschiedene Biomarker der Nährstoffversorgung untersucht. Parameter der Knochendichte wurden über eine Ultraschalluntersuchung ermittelt.
Die Ergebnisse
In den Untersuchungen zur Nährstoffversorgung zeigte sich, dass die untersuchten Veganer im Vergleich zu den Mischköstlern geringere Blut-Konzentrationen an Vitamin A, Vitamin B2, Lysin, Zink, Selenoprotein P (Marker für die Selenversorgung), Gesamt-Omega-3-Fettsäuren sowie Calcium und eine geringere Jodausscheidung aufwiesen. Bis auf Jod liegen die Mittelwerte dabei aber im Normbereich. Die Jodausscheidung der Mischköstler war zwar höher, weist aber ebenso auf eine unzureichende Versorgung hin. Die Veganer hatten höhere Vitamin K1-, Folat- und Glutaminkonzentrationen.
Übrigens: Über 90 % der in der Studie untersuchten Veganer nahmen ein Vitamin B12-Supplement ein, 50 % supplementierten Vitamin D. Daher waren sie im Durchschnitt gut versorgt mit diesen auch für die Knochengesundheit wichtigen Nährstoffen.
Zur Ermittlung der Knochengesundheit wurden drei verschiedene Parameter durch eine Ultraschallmessung herangezogen. Davon war einer bei den Veganern signifikant geringer als bei den Mischköstlern. Der zur Diagnose einer Osteoporose aussagekräftigste SI (Stiffness-Index) lag zwar auch niedriger, allerdings nicht in statistisch signifikantem Maße. In der Studie wird dafür kein Normwert angegeben, daher ist nicht klar, inwiefern der Wert eine wirklich schlechte Knochengesundheit widerspiegelt. Zur Diagnose einer Osteoporose wurde bei einer ähnlichen Untersuchung ein Wert von 68 zugrunde gelegt (Wendt et al., 2012). Die Berliner Veganer hatten einen durchschnittlichen Wert von 97, die Mischköstler von 104. Alle drei untersuchten Werte der Veganer liegen in einem besseren Bereich als die in einer anderen Untersuchung bei gesunden Frauen ohne Osteoporose gemessenen (Hadji et al., 1998).
Zudem kann durch die Messung am Fersenbein nicht uneingeschränkt auf die Knochendichte an anderen Körperstellen geschlossen werden, so dass die Knochendichte bei beiden Gruppen an anderen Stellen anders aussehen könnte (Wendt et al., 2012).
Als Marker für den Knochenabbau diente der CTX-Wert im Blut. Die Messung ergab bei den Veganern signifikant höhere Werte als bei den Mischköstlern. Referenzwerte für diese Untersuchung liegen zwischen 0,05 und 0,83 ng/ml, die Veganer in der vorliegenden Studie hatten einen durchschnittlichen Wert von 0,45 +/- 0,19 ng/ml und liegen somit im Normalbereich (Michelsen et al., 2013). Die Autoren geben an, dass bei der Berechnung ein sehr stark erhöhter Wert ausgeschlossen wurde. Daher stellt sich die Frage, ob auch andere Werte falsch erhöht sein könnten. Dieser Parameter ist relativ empfindlich und wird beispielsweise stark durch die kleinste Nahrungsaufnahme sowie den Tageszeitpunkt der Blutentnahme beeinflusst.
Die geringeren Calcium- sowie höheren Parathormon (PTH)- und alpha-Klotho-Konzentrationen spiegeln die niedrigere Calciumaufnahme der Veganer über die Ernährung wider. Die Werte liegen im Normalbereich und sind somit eher ein Zeichen für eine gesunde Regulation des Calciumhaushaltes als unbedingt für eine schlechte Knochengesundheit.
Mögliche Gründe für die Beobachtung
Die Wissenschaftler interessierte auch, welche Biomarker der Nährstoffversorgung sich besonders auf die Knochengesundheit auswirken. Dazu nutzen sie ein Rechenmodell, die sogenannte „reduced rank regression“ (RRR).
Anhand dessen stellten sie fest, dass vor allem die Nährstoffe Vitamin A, Vitamin B6, Selenoprotein P, die Omega-3-Fettsäuren, Lysin, die Jodausscheidung, TSH und Leucin relevant waren. Da die Veganer eine im Vergleich zu den Mischköstlern geringere Versorgung mit Vitamin A, Vitamin B6, Selenoprotein P und Lysin aufwiesen, vermuten die Wissenschaftler, dass dies die geringere Knochendichte erklären könnte. Sie betonen aber auch, dass die Studie zu klein und das Rechenmodell nicht ausreichend belegt ist, um eindeutige Rückschlüsse ziehen zu können.
Einordnung der Studie in den Kontext
Die untersuchte Population erlaubt keine verallgemeinernden Rückschlüsse. Denn es handelt sich um sehr wenige Probanden, die in Berlin rekrutiert wurden. Zudem ist unklar, ob die gemessene niedrigere Knochendichte relevante Auswirkungen auf die Knochengesundheit und das Risiko für Knochenbrüche hat.
Andere Studien zur Knochendichte von Veganern zeigen gemischte Ergebnisse. Eine Meta-Analyse (also eine Zusammenfassung mehrerer Studien) aus dem Jahr 2019 kommt zu dem Schluss, dass Veganer insgesamt eine signifikant geringere Knochendichte aufweisen und häufiger Frakturen erleiden. Allerdings sind die Ergebnisse der einzelnen inkludierten Studien unterschiedlich, signifikante Auswirkungen zeigen sich vor allem bei den Über-50-Jährigen. Dies kann zum einen darauf hinweisen, dass Personen in dieser Altersgruppe bereits länger eine vegane Ernährung befolgen und damit auch verstärkt die Folgen sichtbar werden. Allerdings ist nicht klar, ob sie sich wirklich schon länger vegan ernähren. Vielleicht sind die Älteren auch weniger gut informiert, in früheren Jahren war die Vitamin B12- und Vitamin-D-Supplementation sowie das Wissen und die Verfügbarkeit von angereicherten Lebensmitteln noch nicht so verbreitet.
Die inkludierten Studien wurden zudem an sehr unterschiedlichen Populationen durchgeführt, ein Übertrag auf die im deutschsprachigen Raum lebenden Veganer ist also nicht bzw. nur bedingt möglich. Auch wurden meist andere Faktoren, die eine Rolle spielen (BMI, Bewegung, Alkohol, Sonnenexposition) nicht mit in die Auswertung einbezogen.
Ein relevanter Hinweis der Meta-Analyse: Nur eine der betrachteten Studien bezog die Ernährungsqualität mit ein. Die darin untersuchten Veganer folgten einer eher gesundheitsförderlichen Ernährung und hier zeigte sich kein signifikanter Unterschied in der Knochendichte zu den Mischköstlern. Die Autoren schlussfolgern, dass eine durchdacht zusammengestellte vegane Ernährung vermutlich zu keiner verringerten Knochendichte führt (Iguacel et al., 2019).
Eine andere Meta-Analyse aus dem Jahr 2009 stellt zwar eine im Durchschnitt geringere Knochendichte bei veganer Ernährung fest, die Auswirkungen stufen die Forscher aber als nicht klinisch relevant ein, da das Frakturrisiko insgesamt nicht signifikant erhöht war (Ho-Pham et al., 2009).
Das zeigt, die Ergebnisse der vorhandenen Studien sind nicht eindeutig, es scheinen viele Faktoren eine Rolle zu spielen.
Relevante Aspekte für die Knochengesundheit
Die Knochengesundheit wird nicht durch einzelne Faktoren oder die Aufnahme eines relevanten Nährstoffes bestimmt. Es ist das Zusammenspiel aus sehr vielen Nährstoffen. Hinzu kommt das Körpergewicht. Veganer weisen oft einen niedrigeren BMI auf und Untergewicht ist ein Risikofaktor für eine geringe Knochendichte. Während sich körperliche Bewegung positiv auf die Knochendichte auswirkt, so ist bei vermehrter Bewegung und Sport auch das Risiko für Stürze und damit Frakturen erhöht. Eine erhöhte Prävalenz von Frakturen kann also auch unabhängig von einer niedrigeren Knochendichte auftreten. Ein höherer Alkoholkonsum sowie Rauchen können das Risiko ebenso erhöhen.
Veganer, die ein gesundes Körpergewicht aufweisen, sich ausgewogen ernähren, Vitamin B12 und Vitamin D supplementieren, sich ausreichend bewegen, wenig Alkohol konsumieren und nicht rauchen, weisen ein „knochenfreundliches“ Verhalten auf. Da über eine vegane Ernährung die bedarfsdeckende Aufnahme aller Nährstoffe möglich ist, hängt die Auswirkung dieser Ernährungsform auf die Knochendichte von der Zusammenstellung der Lebensmittelwahl ab.
Wer sich beispielsweise an der Veganen Ernährungspyramide orientiert, reduziert das Risiko für Nährstoffmängel und damit für eine niedrige Knochendichte.
Unsere Tipps für eine gute Knochengesundheit bei veganer Ernährung
- Ernähre dich ausgewogen und vollwertig.
- Behalte vor allem die potenziell kritischen Nährstoffe im Blick.
- Verzichte weitestgehend auf Alkohol und Rauchen.
- Treibe Sport.
- Achte auf ein gesundes Körpergewicht.
Fazit
Leiden die Knochen nun unter veganer Ernährung?
Auch wenn manch eine Schlagzeile oder Vegan-Skeptiker anderes behauptet: Die vorliegende Studie beantwortet diese Frage nicht. Weder zeigt sie eindeutig, dass die untersuchten Veganer eine bedenklich schlechte Knochendichte aufweisen, noch lassen sich die Ergebnisse auf alle Veganer und die vegane Ernährung als solche übertragen.
Eine einzelne Studie kann nie einen Sachverhalt eindeutig klären. Sie kann zum Gesamtbild beitragen, Hinweise liefern und aufzeigen, in welchen Bereichen Forschungsbedarf besteht. In den vorhandenen Studien zu dem Thema haben Veganer häufig, aber nicht immer, eine geringere Knochendichte als Mischköstler. Worauf dies zurückzuführen ist und ob es negative Folgen mit sich bringt, ist unklar.
Die gesamte vorhandene Studienlage zeigt: Das Risiko für eine geringere Knochendichte könnte bei veganer Ernährung erhöht sein und Veganer sollten besonders die dafür relevanten Nährstoffe sowie ihren generellen Lebensstil im Blick behalten. Klar ist aber auch: Eine vegane Ernährung ist mit vielen gesundheitlichen Vorteilen verbunden und bei gezielter Ernährungsgestaltung können auch die für die Knochengesundheit wichtigen Nährstoffe in ausreichender Menge aufgenommen werden.
Veganer können die Erkenntnisse aus dieser Studie für sich nutzen und verstärkt darauf achten, ihre Ernährung ausgewogen zu gestalten und ein besonderes Augenmerk auf die hier als wichtig erachteten Nährstoffe zu legen.
So bezieht sich der Spruch „Kochen ohne Knochen“ nur auf das, was im Topf landet, und nicht auf denjenigen, der davor steht.
Die Studie ist zu finden unter folgendem Link: Vegan Diet and Bone Health – Results from the Cross-Sectional RBVD Study.
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Pflanzliche Proteinquellen

Vielen Dank für diese wunderbare und sehr hilfreiche Beurteilung dieser Studie!
Liebe Birgit, sehr gern!
Es freut uns zu hören, dass dir dieser Artikel weiterhilft.
Herzliche Grüße,
Isabel!
Vielen Dank für die ausführliche Information! Das hilft Vorurteile zu entkräften und Halbwahrheiten detailliert zu entschlüsseln.
Sehr gern, lieber Andreas! 🙂
Guter Bericht! ??Wenn ich in meiner Abschlussarbeit zum Marketingfachmann im Fach Marktforschung eine solch oberflächliche Studie abgegeben hätte, dann hätte ich wohl eine 1 (bin Schweizer) kassiert. Das kann man sogar als Nicht-Wissenschaftler nicht ernst nehmen. Mein Hausarzt würde, basierend auf den Resultaten meiner letzten Generaluntersuchung vor 2 Jahren, mehr als nur widersprechen. Bin 59, seit 3 Jahren Veganer☺️
Hallo lieber Armin,
vielen Dank für dein schönes Feedback zu unserem Aritkel. Das freut uns sehr zu hören. 🙂
Auch wenn es ohne naturwissenschaftlichen Hintergrund den Anschein macht, so ist die Studie nicht per se „schlecht“. Die Ergebnisse sollten sogar ernst genommen werden. Gleichzeitig müssen sie in den richtigen Kontext gesetzt werden, was die meisten Medien leider nicht tun.
Herzliche Grüße,
Isabel!